Jede fünfte Schwangerschaft endet mit einer Frühgeburt. Ursachen gibt es viele, und manchmal ist auch keine Ursache zu finden. Von Schuldzuweisungen raten Ärzte daher ab. Ob die Mutter nachbehandelt werden muss, ist von Fall zu Fall verschieden.

Stuttgart - Schwangerschaften verlaufen mitunter alles andere als erfreulich. Glücklicherweise kommt das Kind bei Schwangerschaftsende dann meist trotzdem gesund zur Welt. Doch fast jede fünfte Schwangerschaft endet frühzeitig mit einem Abort, einer Fehlgeburt. Wenn man all jene Fehlgeburten mit einrechnet, die sich ereignen, bevor eine Frau realisiert, dass sie schwanger ist, dann dürften sogar auf jede Geburt schätzungsweise drei Fehlgeburten kommen – wobei noch deutlich höhere Zahlen kursieren.

 

Selbst wenn etwa 75 Prozent aller Fehlgeburten bereits im ersten Schwangerschaftsdrittel auftreten, so bedeutet eine Fehlgeburt für die betroffene Frau doch in vielen Fällen einen schmerzlichen Verlust. „Manche Frauen kommen schnell über den Verlust hinweg und sagen, ,das nächste Mal klappt’s bestimmt‘, bei anderen geht der Schmerz sehr tief“, berichtet Christof Sohn, Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe an der Heidelberger Universitätsfrauenklinik.

Die meisten Fehlgeburten treten „wie aus heiterem Himmel“ auf. Eine Fehlgeburt kann sich dann mit Blutungen ankündigen, denen krampfartige Schmerzen folgen. Oder aber die Vorsorgeuntersuchung ergibt, dass das Kind nicht mehr lebt.

Das Risiko steigt mit dem Alter

Wie aber kommt es zu einer Fehlgeburt? Bei 40-jährigen Frauen ist die Wahrscheinlichkeit eines Abortes etwa dreimal höher als bei 20-Jährigen. „Außerdem ist die Befruchtung einer Eizelle durch ein Spermium ein sehr komplexer Vorgang, bei dem Fehler auftreten können, die später zu einer Fehlgeburt führen“, sagt Christof Sohn. Das Risiko für eine Fehlgeburt erhöht sich auch bei immunologischen Problemen, wenn das mütterliche Immunsystem den Embryo nicht „toleriert“, sowie bei Gerinnungsproblemen der Mutter (Anti-Phospholipid-Syndrom). Kleine Veränderungen im Blutgerinnungssystem können nämlich dazu führen, dass nach der Einnistung des Eis der Anschluss an das mütterliche Blutsystem nicht funktioniert.

Treten zwei oder drei Fehlgeburten nacheinander auf, rät Christof Sohn unbedingt zu einer Gerinnungsdiagnostik und gegebenenfalls zu weiteren Untersuchungen. „Beide Ursachen, also Gerinnungs- und immunologische Probleme, lassen sich behandeln, so dass es bei der nächsten Schwangerschaft nicht zur Fehlgeburt kommt“, sagt Sohn.

Weiterhin können genetische Veränderungen auftreten. „Es handelt sich um sogenannte Translokationen. Bei der Zellkernteilung können Chromosomenteile falsch umverteilt werden“, berichtet der Heidelberger Mediziner. Auch Bestrahlungen, bestimmte Medikamente, Chemikalien oder andere schädliche Umwelteinflüsse können einen Einfluss haben. Während der Organentwicklung in den ersten drei Schwangerschaftsmonaten führen sie mitunter dazu, dass die Zellvermehrung gestört ist und die Natur schließlich die Notbremse zieht.

Auf der Liste möglicher Ursachen für eine Fehlgeburt stehen außerdem Hormonstörungen wie zum Beispiel Fehlfunktionen der Schilddrüse, Gelbkörperschwäche (durch Progesteronmangel), das polyzystisches Ovarsyndrom (PCO) sowie ein entgleister Stoffwechsel bei Diabetes. Auch traumatische Ereignisse wie Schock und Unfall, Probleme der Gebärmutter wie Myome, Entzündungen, Narben von Operationen oder einem Intrauterinpessar können eine Fehlgeburt nach sich ziehen.

Zudem enden diagnostische Eingriffe wie eine Amniozentese oder Chorionzottenbiopsie zur Erkennung bestimmter Fehlbildungen des Babys manchmal tödlich für das werdende Leben. „Oftmals ist es aber gar nicht möglich, eine Kausalität festzustellen“, sagt Christof Sohn. Deshalb sollte man mit Schuldzuweisungen sehr vorsichtig sein. Sie sind nur Ausdruck von Hilflosigkeit. „Bei einer Fehlgeburt hat man weder als Frau versagt, noch hat man durch zu viel Stress oder Kaffee den Tod des Ungeborenen verschuldet“, stellt der Heidelberger Mediziner klar.

Ausschabung ist nicht immer nötig

Doch was tun, wenn eine Fehlgeburt auftritt? Das übliche Verfahren zur Entfernung von Gewebsresten in der Gebärmutter ist die Ausschabung (Kürettage) unter Narkose. „Trotzdem muss man in jedem Fall prüfen, ob es besser ist, einfach die Natur selbst arbeiten zu lassen, statt eine Ausschabung vorzunehmen. Ist eine Fehlgeburt bereits ganz zu Beginn einer Schwangerschaft aufgetreten, ist das durchaus möglich“, rät Christof Sohn.

Frauen empfinden diesen natürlichen Weg häufig als weniger traumatisch im Vergleich zu einem Eingriff. Allerdings mahnt Sohn: „Mit einer Ausschabung ist ein gewisses Risiko für Entzündungen oder die Verletzung der Gebärmutterwand verbunden. Dieses Risiko ist aber viel kleiner als jenes, dass aufgrund von Gewebsresten in der Gebärmutter Verwachsungen oder Narben entstehen. Diese können eine künftige Schwangerschaft erschweren.“

Tot geborene Babys

Fehlgeburt
Jedes tote Baby unter 500 Gramm etwa bis zur 23. Schwangerschaftswoche wird im Fachjargonals Fehlgeburt bezeichnet.

Totgeburt
Verliert eine Schwangere ihr Kind nach den ersten fünf Schwangerschaftsmonaten, handelt es sich medizinisch gesehen um eine Totgeburt. In diesem weit fortgeschrittenen Stadium wird das tote Kind wie eingesundes Baby geboren.

Ursachen
Der Grund für eine Totgeburt kann unter anderem eine Plazentainsuffizienz sein, also die mangelnde Fähigkeit des Mutterkuchens, das Kind zu ernähren. Auch ein extremer Schwangerschaftsdiabetes, Fehlbildungen sowie in seltenen Fällen die Toxoplasmose können zu Totgeburten führen. Letztere ist eine Infektion mit dem Parasiten Toxoplasma gondii, der beim Verzehr von nicht ausreichend gekochtem Fleisch oder beim Kontakt mit dem Kot infizierter Katzen übertragen wird.

Größe
Eine kürzlich im Fachblatt „Journal of Perinatology“ erschienene Studie von US-Forschern hat ergeben, dass im Verhältnis zu ihrem Alter besonders kleine und besonders große Föten ein höheres Risiko haben, tot geboren zu werden als durchschnittlich große Föten.

Abschied
Nach einer Totgeburt ist es für die Eltern ganz wichtig, dass sie in Ruhe Abschied nehmen und ihr Kind im Arm halten und später beerdigen können. Dadurch ist es eher möglich, die Realität und die Endgültigkeit des Todes zu begreifen. Wer betroffen ist, muss damit rechnen, dass er beim Anblick von Neugeborenen Neidgefühle haben wird. Das ist sehr verständlich. Wer den Verlust des Kindes allerdings auch nach längerer Zeit nicht überwinden kann, sollte erwägen, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.