Den Frühling riechen und erleben – das kann man jetzt im Remstal. Wildpflaumen, Magnolien und Aprikosen ziehen mit ihrer Blütenpracht an.

Rems-Murr: Eva Schäfer (esc)

Das weiß- und rosafarbene Blütenmeer im Fellbacher Lindle zieht Blicke auf sich: Die Aprikosen stehen dort in voller Blüte. Manche Spaziergänger machen ein Erinnerungsfoto mit dem Herz aus Weiden, das Jochen Heß in der Nähe des Sonnenbühlhofes geflochten hat. Fast pünktlich zum kalendarischen Frühlingsanfang haben dort die Aprikosenbäume zu blühen begonnen. „Es ist eine richtig schöne Blüte seit etwa einer Woche“, sagt der Obstbaumeister, „und sie duftet richtig gut.“

 

Viele Menschen gehen hier extra vorbei, wie ein Mann aus Fellbach, der angesichts des Blütenzaubers sagt: „Es ist hier wie auf Mallorca.“ Eine andere Spaziergängerin strahlt und sagt: „So schön ist Fellbach!“Während die Aprikosenblüte weiß ist, zeigen sich die Blüten der Pfirsiche und Nektarinen in Rosa und Lila. Heß baut am Sonnenbühlhof im Lindle und an verschiedenen anderen Standorten im Remstal Sonderkulturen wie Aprikosen und Pfirsiche, aber auch Weintrauben und Äpfel an. Auch einen Hofladen betreibt die Familie im Lindle.

Stuttgarter Geißhirtle, eine echte schwäbische Spezialität

Der Fachmann weiß, dass die Blüte von Faktoren wie Standort, Boden und natürlich von der Sorte abhängt. So seien die Stuttgarter Geißhirtle – eine echte schwäbische Spezialität bei den Birnensorten – eine der Ersten, die blühen. Er rechnet damit, dass deren Blüte in etwa sieben bis zehn Tagen je nach Wetterlage zu erleben ist.

Prachtvolle Blütenkelche: Die Magnolie blüht, bevor sie Blätter ausbildet. Foto: Gottfried Stoppel

Ihre sehr großen Blütenkelche öffnen derzeit die Magnolien. Auf dem Magnolien-Blühbarometer der Stuttgarter Wilhelma kann man digital verfolgen, wie die Magnolienblüte im Maurischen Garten Fahrt aufnimmt. In der Wilhelma wachsen mehr als 90 Magnolien aus 27 Arten und Sorten. Zehn von ihnen stammen noch aus der Zeit von König Wilhelm I. von Württemberg.

So alt sind die Magnolien an der Stuttgarter Straße in Fellbach natürlich nicht, und sind vom Verkehr stark umtost. Die Magnolien seien vermutlich im Kontext der Eröffnung der Filiale von Pflanzen Kölle 1999 gepflanzt worden und schätzungsweise 35 bis 40 Jahre alt, sagt Solveig Birg, die Baumexpertin in der Fellbacher Stadtverwaltung. Der Standort der Magnolia soulangiana, der Tulpen-Magnolie, sollte sonnig bis leicht absonnig, das heißt hell, aber keine direkte Sonneneinstrahlung und gut windgeschützt sein. Die Hauptblütezeit sei je nach Art und Sorte von März bis Mai/Juni. An anderen Stellen können prächtigere Exemplare wie in der Fellbacher Theodor-Heuss-Straße, in Schmiden und in Waiblingen entdeckt werden. „Letztes Jahr war die Blüte schon Mitte März im vollen Gange. Dieses Jahr sind wir mit Ende März, Anfang April wieder in einem gewohnten Zeitraum“, sagt der Wilhelma-Pressesprecher Birger Meierjohann.

Der erste Blütenzauber in den Streuobstwiesen – hier bei Schorndorf Foto: Eva Schäfer

Auch Obstbaumeister Jochen Heß beobachtet, dass die Blüte dieses Jahr etwa zweieinhalb bis drei Wochen später als im vergangenen Jahr ist. 2024 war es die früheste Aprikosenblüte, die er je erlebt hat. Dieses Jahr ist der Start der Vegetation nicht so verfrüht. „Das ist aus Sicht der Obstbauern gut“, sagt der Streuobstexperte Andreas Hieber. Denn dann sinke das Risiko für Spätfröste. „Je früher der Austrieb, desto länger ist die Zeit, in der es Frost geben kann“, sagt der Inhaber einer Baumschule in Leutenbach. Bisher sei er mit dem Wetter zufrieden.

Besonders schön ist die Kirschblüte in den Berglen

Die kühlen Nächte hätten die Natur etwas zurückgehalten. Dennoch sei der Klimawandel deutlich spürbar. Er orientiere sich an der Blüte der Wildpflaume, der Myrobalane. Sie werde nicht bewusst in der Streuobstwiese gepflanzt, sondern diene als Veredelungsunterlage für Pflaumen und Mirabellen. Wenn das Edelreis absterbe, schlage die Unterlage oft durch und man habe dann eine Wildpflaume. Er erinnere sich an Jahre, in denen diese schon in der ersten Märzwoche geblüht habe. Vor 50 Jahren sei dagegen das Erblühen der Myrobalane am 20. März noch als früh eingestuft worden. „Damals hatte mein Vater sich über die frühe Blüte gewundert“, erinnert sich Hieber.

Auf verwilderten Streuobstwiesen könne man derzeit die Wildpflaumenblüte beobachten. Doch vor allem die Kirschblüte sei in den Berglen ein besonderes Erlebnis. „In den Berglen wachsen noch viele alte Kirschbäume, beispielsweise in Breuningsweiler“, sagt Hieber. „Dann ist in den Streuobstwiesen die schönste Jahreszeit, alles summt und es riecht nach Frühling“, schwärmt der Experte.

Zu den früh blühenden Apfelsorten zählen Jakob Fischer und Boskop

Jedoch müssten einige Faktoren zusammenkommen: Nicht zu regnerisch, nicht zu kalt, warm und trocken sollte es für den Blütenzauber sein. Bei der Apfelblüte sei der Blühzeitpunkt ganz unterschiedlich und könne sich über vier Wochen verteilen. Ein Extrem sei der Schnaiter Brachet Apfel, der im Juni blühe. „Viele denken dann, der Baum sei abgestorben“, sagt Hieber. Zu den früh blühenden Äpfeln zählen Jakob Fischer und Boskop. Was allerdings allen Bäumen zu schaffen mache, seien extreme Gegensätze im Wetter durch den Klimawandel.

Hieber, der auch Mitglied im OGV Leutenbach ist, liegt die Zukunft der Streuobstwiesen am Herzen, das ist spürbar. „Die artenreiche Kulturlandschaft kann man nicht ins Museum stellen“, sagt der Experte, sie brauche Pflege. „Streuobstwiesen sind keine Selbstläufer.“ Ohne Betreuung streben die Bäume und würden von Brombeerlandschaften übernommen. Zu einem Blütenrundgang mit vielen Infos lädt der OGV Leutenbach am Ostermontag, 11. April, ein.

Viele Vereine und Initiativen machen sich für die Streuobstwiesen stark

Viele Vereine und Streuobstinitiativen machen sich stark für diese artenreichen Oasen. Der Verein Streuobstparadies mit Sitz in Bad Urach bietet sogar einen Blüten-Ticker unter www.streuobstparadies.de an, auf dem man mit Bildern und Beschreibungen verfolgen kann, welche Bäume nun Blüten ansetzen.

Den Blütenrausch mit allen Sinnen erleben, das geht bei vielen Wandertouren. Tipps für Ausflüge in den Blütenzauber im Remstal gibt es beim Tourismusverein Remstalroute. Dort sind Touren unter dem Stichwort Streuobstwandern zusammengestellt. Infos unter remstal.de. Obstbaummeister Jochen Heß hat das Blüten-Erlebnis direkt vor seiner Haustüre. „Wenn ich vom Balkon herunterschaue, sehe ich das weiße, rosa Blütenmeer – es sieht toll aus!“