Wenn Bier fließt, fliegen früher oder später am Abend auch die Fäuste. In der Wasenwache gibt es dann viel zu tun. Rund 200 Anzeigen nimmt die Polizei pro Abend am Festwochenende auf.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Je später der Abend, desto größer die Traube vor der Eingangstür der Wasenwache. Ein Lederhosenträger nach dem anderen drückt die Klingel – und strapaziert damit die Nerven der Polizeibeamten in der Wache. Wenn es drinnen voll wird, stehen die Kumpels draußen vor der Tür Schlange und wollen ihre Freunde wieder rausholen. Immer und immer wieder schrillt die Klingel. Ignorieren darf man das Geräusch nicht, sagen die Beamten in der Wache. Schließlich könnte unter den Wartenden jemand sein, der nicht die Unschuld seines Freundes beteuern, sondern eine Anzeige aufgeben will.

 

Ruhig ist es sowieso fast nie an einem ganz normalen Wochenendabend auf der Wasenwache. Laden zwei Streifenwagen wieder Neuankömmlinge aus, die nach einem Streit im Bierzelt getrennt zur Dienststelle gebracht werden, rumort es erst mal. „Die meisten pulsen aber nach einer Weile runter“, sagt Bruno Reinhard, der Leiter des Postens. Sinkt der von Alkohol und Reibereien in die Höhe gejagte Herzschlag, sind die meisten wieder gesprächsbereit. Aber eben nicht alle.

Wieder sitzt ein junger Mann in Lederhosen auf der Bank, eines seiner Handgelenke steckt in einer Handschelle, die am Gestell festgemacht ist. „Lasst mich raus!“ ruft er. Im Gegensatz zur Klingel schaffen es die Beamten anscheinend, diese Rufe für ein paar Minuten auszublenden. Ein anderer versucht es mit Überredungskünsten: „Ich studiere Jura in Spanien, sie können mich ruhig losmachen, ich weiß, was ich darf und was nicht.“ Am ruhigsten ist der Schweizer Wasenbesucher, der nach einer Rangelei mitgenommen wurde. Selig schläft er auf der harten Holzbank seinen satten Rausch aus.

„Die meisten pulsen nach einer Weile runter, wenn sie hier sind“

Es sind aber nicht nur Protestschreie, die erklingen, wenn die Polizei zu den so genannten freiheitsbeschränkenden Maßnahmen greifen muss. Aus einem Ermittlungszimmer klingt das leise Schluchzen einer jungen Frau im Dirndllook, die zwischen den Uniformierten die Wache betreten hat. Sie weiß gar nicht, wie ihr geschieht: Am Eingang zum Festzelt war für sie das Feiern zu Ende, noch bevor sie mit ihren Freundinnen das erste Mal anstoßen konnte. Die Sicherheitsleute fanden bei einem Blick in die Handtasche der Dame ein Hundeabwehrspray. Das darf man zwar mit sich führen, jedoch nur, wenn man keine Veranstaltung besucht. Die Wachfrau Tanja Hidegg hat daher die Polizei gerufen.

Die Beamten von der Bereitschaftspolizei, an diesem Abend eine von zwei zivilen Streifen auf dem Festgelände, nehmen nicht nur die Spraydose mit, sondern auch die Besitzerin. „Aber ich hab das doch nur dabei, weil ich auf dem Heimweg durch einen Park muss“, versucht die Frau im Dirndl sich zu rechtfertigen. Fünf bis zehn Sprays finden die Wachleute pro Abend, aber auch Messer und andere verbotene Gegenstände. Ein Anruf, und ein Streifenwagen bringt die Besitzer zur Wache.

Dort herrscht um 21.30 Uhr, als die Frau mit dem Pfefferspray ankommt und der Blondschopf in der Lederhose hartnäckig an der Handschelle zerrt, noch vergleichsweise Ruhe. Ein Blick auf die Kameras, mit denen der Veranstalter das Gelände im Blick hat, erklärt den Polizisten, warum – wie auch ein Blick zum Himmel an diesem verregneten Freitagabend. „Jetzt sind alle in den Zelten. Stressig wird es erst, wenn die ersten Betrunkenen rauskommen. Aber bei dem Wetter bleiben die länger drin“, so der Erste Polizeihauptkommissar Reinhard. Er vertraut auf seine Erfahrungswerte: Seit 18 Jahren ist er während des Frühlingsfests und des Volksfests auf dem Wasen im Einsatz. „Insgesamt ist es ein friedliches Familienfest. Es passiert eben, was passiert, wenn in großen Menschenmengen Alkohol im Spiel ist.“

Auf der Wache ist am Freitagabend Dauerbetrieb, und dennoch ist das Wochenende ein eher ruhiges gewesen. 184 Anzeigen nahmen die 20 Polizisten auf, 198 Personen mussten sie zumindest vorübergehend festhalten. Das ist deutlich weniger als in den vergangenen Jahren. 2011 waren es am Freitag 254, am Samstag 325 Anzeigen, die an einem Abend aufzunehmen waren. Rempeleien, Widerstand gegen Polizeibeamte und einfache Körperverletzungen bestimmen die Lage.

Auf Streife geht’s immer zu dritt

Da es aber auch mal nicht ganz so harmlos sein kann, sind immer drei Beamte zusammen auf Streife unterwegs. Und sie werden mitunter auch gebraucht, bevor es ernst wird. Vor einem Süßwarenstand greifen sie einen Betrunkenen auf, die Inhaberin hatte die Männer angehalten. „Ein Problem war das nicht“, sagt die Schaustellerin Jasmin Scherle. Sie wollte aber nicht, dass erst was passiert, und rief die Streife herbei. „Wenn das ein Problem wäre, dürften wir hier nicht arbeiten“, sagt sie.

Ähnlich sehen es die Sicherheitsleute am Zelteingang – auch wenn sie manchmal nicht ungeschoren davonkommen. Ein junger Mann, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, hat sich am Realschultag ein blaues Auge geholt – von einer ungewöhnlichen Seite. „Ein total süßes und nettes Mädchen ist völlig ausgerastet. Ich wusste gar nicht, was ich machen soll – ich schlag doch kein Mädchen“, erzählt er, immer noch überrascht vom Zwischenfall. Auch dieser Fall landete auf der Wasenwache, einer von rund 200 pro Abend.