Denkt man ans Frühlingsfest, denkt man an Dosenwerfen, Hau-den-Lukas und Boxautos – oder nicht? Aber wie ist es um die Traditionsgeschäfte wirklich bestellt? Ein Rundgang über den Wasen.

Stuttgart - Hot Shot, Booster Maxx, Transformer: Auf dem Frühlingsfest sind schon die Namen der Fahrgeschäfte Attraktionen. Wer’s besonders wild mag, steigt in den 80 Meter hohen Kettenflieger The Flyer oder lässt sich auf dem Infinity 65 Meter in die Luft schleudern. Beide Fahrgeschäfte sind erstmals auf dem Wasen vertreten, ebenso nagelneu sind die Achterbahn Alpen-Coaster und eine Wildwasserfahrt. Höher, schneller, lauter. 119 Schaustellerbetriebe wollen Aufmerksamkeit.

 

Zwischen Freifallturm und Riesenrutsche: die Klassiker von anno dazumal. Seit 43 Jahren betreibt Paul Thiel (68) seinen Hau-den-Lukas-Stand. Gebaut hat der gelernte Schlosser und studierte Maschinenbauer seine Installationen selbst. Die heutige Klientel indes lasse ähnliche Fingerfertigkeiten vermissen. Die jungen Kerle könnten nicht mehr mit einem Hammer umgehen, „die können keinen Nagel in die Wand schlagen“. Früher, die Landwirte auf den Volksfesten, „die haben das Ding hochgeschlagen, dass es gebrummt hat“. Mittlerweile jedoch könne er mit seinem Schmetterspiel deutlich seltener punkten. „Es wird weniger“, bekennt Paul Thiel. Er zeigt zum Karussell gegenüber. Dort koste eine Fahrt so viel wie bei ihm eine Runde Draufhauen, „die jungen Leute zieht es dahin, wo es blinkt. Die Interessen verlagern sich“.

Auch in Boxautos muss investiert werden

Was stattdessen ankommt – David Roschmann beobachtet es mit kritischem Blick. „Die Jugend geht jetzt ins Zelt“, weiß der Betreiber einer Boxauto-Bahn. Früh am Morgen stünden die jungen Trachtenträger schon gegenüber an, und nicht selten kämen sie später am Tag angetrunken zum Autoscooter. „Es ist sehr anstrengend mit denen“, sagt er. Mehr denn je setze er daher auf Familien. In der sechsten Saison betreibt der Eislinger nun die Boxauto-Bahn seines Vaters, fast 50 Jahre hat die auf dem Buckel. „Die Alten sagen, dass wir es heute schwerer haben“, sagt er übers Festgeschäft – und damit meint er auch höhere Wasser- oder Stromkosten. Kampflos aufgeben will er dennoch nicht. Der 37-Jährige investiert. Eine neue Bahn werde aktuell angefertigt, eine halbe Million steckt David Roschmann nach eigenen Angaben in seinen Planet Rock. Langfristig will er so mehr Interessenten anlocken, aber auch Arbeitskosten sparen, einem Klappsystem sei Dank.

Sein Bruder Mark Roschmann, der Vorsitzende des Schaustellerverbands Südwest, betont, dass man sich grundsätzlich nicht um die Kirmes-Klassiker sorgen müsse. „Das ist nach wie vor ein Geschäft zum Geldverdienen, nur aus Traditionsbewusstsein baut das keiner auf.“ Vielmehr lägen Nostalgie und Romantik auch im Trend, „und Familien ist es lieb und recht, wenn sie irgendwo hinkommen, wo es etwas ruhiger ist“. Ein echter Fan ist etwa Angelika Schacht aus Wildberg. Sie hat mit ihrem achtjährigen Sohn Jason gerade beim Dosenwerfen eine Rose gewonnen, davor hat sich das Duo beim Pfeilewerfen versucht. „Das habe ich schon als Kind gemacht“, sagt sie lächelnd, und für die Kleinen seien diese Spiele einfacher. So sieht’s auch Nadine Langenbacher aus Ammerbuch. Es müsse nicht immer schnell und laut sein, findet sie. Ihre Kinder, sechs und sieben, haben beim Hau-den-Lukas einen Kreisel und einen Schlüsselanhänger gewonnen – und grinsen stolz wie Bolle.

Die Wurfbudenbesitzerin trauert der D-Mark nach

Was Mark Roschmann betont: Auf dem neuesten Stand müsse man schon bleiben, um nicht abgehängt zu werden. „Licht lockt Leute. Und die Ware, die ausgespielt wird, muss modern sein“, erklärt er. So hat auch Michaela Schubert in ihre jahrzehntealte Dosenwurf-Bude investiert. Bunte LEDs blinken selbst bei Tageslicht, die Front ist aufgehübscht worden, gewinnen kann man trendige Einhörner. „Die Konkurrenz ist groß, jeder will besser sein“, sagt die Karlsruherin. Allein 16 Wurfbuden buhlen in diesem Jahr um die Kundschaft, von den spektakulären Karussells ganz zu schweigen. Viel besser sei das Geschäft früher gelaufen, erzählt die 46-Jährige, gut und gerne 50 Prozent mehr Umsatz habe sie ehemals gemacht, „aber seit der Euro da ist“, sagt sie und bricht den Satz ab. Den Euro will auch Valentina Trost-Bleier als Umsatzkiller ausgemacht haben. Sie hat seit 1995 eine Schießbude. Kunstblumen und Schraubenzieher kann man dort von der Wand knallen, wer den Hauptgewinn, einen riesigen Plüschtiger, will, muss beim Sterne-Schießen ganze 280 Punkte holen. Mancher habe dafür heute keine Geduld mehr. Mark Roschmann relativiert. Die Geschmäcker seien verschieden. „Es ist für jeden was dabei. Deswegen heißt es Volksfest.“