Auf Volksfesten darf jetzt länger gearbeitet werden. Der Branche geht die Sondereglung aber nicht weit genug: Die Interessenverbände stören sich unter anderem an der Dokumentationspflicht.

Stuttgart - Am Donnerstag hat die Schausteller und Festzeltmitarbeiter die Mitteilung des Sozialministeriums erreicht, dass sie künftig länger arbeiten dürfen. Das haben die Arbeits- und Sozialminister der Länder beschlossen. Die Nachricht kam nach Ansicht des Vorsitzenden des Schaustellerverbandes Südwest Stuttgart, Mark Roschmann, kurz vor knapp. Roschmann zeigte sich vor Beginn des Frühlingsfestes auf dem Cannstatter Wasen erleichtert, sagte aber auch: „Es ist zwar ein Lichtblick, wir sind aber noch lange nicht am Ende mit den Forderungen zur Erleichterung unserer Arbeit.“

 

Wie Sozialministerin Katrin Altpeter (SPD) mitteilen ließ, dürfen Schausteller und Festzeltmitarbeiter ab sofort bis zu zwölf Stunden arbeiten. Möglich sei dies, weil Schaustellerbetriebe und Festzelte in bestimmten Fällen – zum Beispiel bei Volksfesten – als Saisonbetriebe anerkannt werden können. „Viele Schaustellerbetriebe haben sich durch die geltenden Arbeitszeithöchstgrenzen in ihrer Existenz gefährdet gesehen“, sagt Katrin Altpeter.

Schausteller wehren sich gegen Dokumentationspflicht

Wenn es nach Nico Lustnauer, dem Vorsitzenden vom Landesverband Schausteller und Marktkaufleute (LSM) geht, dann ist die Existenz seiner Zunft immer noch nicht gesichert. Die Schausteller stören sich nicht am Mindestlohn selbst, einer Bezahlung, die in der Branche sowieso schon die Regel gewesen sei, so Lustnauer. Vielmehr geht es den Schaustellern um die arbeitsrechtlichen Bedingungen, die mit dem neuen Gesetz in Kraft getreten sind: Auch Arbeitgeber, die ihren Angestellten bereits bisher 8,50 Euro oder mehr zahlen, sind vom neuen Gesetz betroffen. Sie müssen zwar die Löhne nicht anheben, aber sehr wohl diverse Dokumentationspflichten erfüllen. Lustnauer ist sich mit seinem Kollegen vom Schaustellerverband, Mark Roschmann, einig: In der Branche sind diese kaum zu erfüllen. „Es ist bei uns unmöglich, sich wie in großen Betrieben ein- und auszustempeln“, sagt Lustnauer. Der Festplatz sei für viele Mitarbeiter Arbeits- und Wohnplatz zugleich.

Die Dokumentationspflicht resultiert aus der Verknüpfung des Mindestlohngesetzes mit dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz. Hier sind neun Branchen als gefährdet für Schwarzarbeit aufgeführt. Allerdings beruht die Einstufung der Schausteller aus Erkenntnissen aus dem Jahre 2001. Für Nico Lustnauer und Mark Roschmann liegt da das Hauptproblem. „Unser Gewerbe wird zu unrecht mit einbezogen“, sagt Roschmann. Neueste Zahlen würden belegen, dass die Zahl der Verdachtsfälle verschwindend gering sei. Der gemeinsame Beschluss der Arbeits- und Sozialminister zur längeren Arbeitszeit für Schausteller und Festzeltmitarbeiter sei ja nett gemeint, sagt der Vorsitzende des LSM, Nico Lustnauer, aber: „Es ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.“

Branche war seit Januar in Aufruhr

Seit dem Delegiertentag der Schausteller in Aachen im Januar war die Branche in Aufruhr wegen der neuen Gesetzgebung. An allen Ecken und Enden wurden Gespräche mit der Politik geführt. Auf Sonderregelungen in Bezug auf die Arbeitszeit hatte Karl Maier, Festzeltwirt im Göckelesmaier und stellvertretender Vorsitzender des Schaustellerverbandes Südwest Stuttgart, schon früh gedrängt. „Die Profis wollen nicht nur acht Stunden am Stück arbeiten, ab 20 Uhr macht das finanziell erst so richtig Spaß“, sagt Maier. Der Festwirt arbeitet seit Jahren mit einem Stamm von 20 Serviceprofis aus Österreich zusammen. Nach dem Frühlingsfest arbeiten die Servicekräfte am Wörthersee oder auf einer Hütte, um im Herbst wieder auf dem Wasen zu bedienen. „Wenn die nicht hätten durcharbeiten dürfen, wären sie nicht wiedergekommen“, so Maier weiter.