Auch zehn Jahre nach der Entdeckung debattieren Forscher darüber, woher die kleinen Menschen auf der indonesischen Insel Flores stammen. Ihr Körperbau passt nicht zu Homo sapiens. Aber wer war der nur einen Meter große Homo floresiensis dann?

Stuttgart - Mike Morwood von der University of New England in Australien glaubte seinen Augen nicht trauen zu können, als er im September 2003 in der Liang-Bua-Höhle auf der indonesischen Insel Flores Knochen entdeckte, die anscheinend von Lebewesen aus der weiteren Verwandtschaft des modernen Menschen stammten. Nur war alles an ihnen eine Nummer kleiner: Mit einem knappen Meter Körpergröße hatten sie nicht einmal die Statur eines Schimpansen, auch ihr Gehirn war kaum größer. Trotzdem ähnelten der Schädel und etliche weitere Eigenschaften eher einem Frühmenschen. Die Weisheitszähne aber wiesen eindeutig auf einen Erwachsenen hin. Vor zehn Jahren, im Oktober 2004, präsentierten Mike Morwood und seine Kollegen im Wissenschaftsmagazin „Nature“ dann die Sensation: Nach ihren damaligen Untersuchungen lebte vor 18 000 Jahren neben dem modernen Menschen noch eine weitere Menschenart auf der Erde, die nach ihrem Fundort Homo floresiensis genannt wurde.

 

Der im vergangenen Jahr verstorbene Mike Morwood nannte seinen Fund gern „Hobbits“. Schließlich lief in den Kinos 2003 gerade der dritte Teil des Fantasy-Werks „Herr der Ringe“, der in der neuseeländischen Heimat des Forschers gedreht worden war. Dort spielen „Hobbits“ genannte Menschen eine entscheidende Rolle. Es sah ganz so aus, als habe es diese „Halblinge“ wirklich gegeben, die etwa halb so groß wie heutige Menschen waren.

Wo aber waren die Menschen der Insel Flores hergekommen? Weshalb waren sie kleiner als alle anderen bekannten Menschen und Frühmenschen? Sollten sie vielleicht vom 500 Kilometer entfernten Java stammen? Dort hatten Forscher bereits 1891 die Überreste des Frühmenschen Homo erectus entdeckt, der vor mindestens einer Million Jahre dort lebte. Da während der Eiszeiten der Meeresspiegel oft niedriger als heute lag, waren die Inseln Java und Sumatra mehrmals mit dem Festland verbunden, und die Frühmenschen konnten bis in den Osten Javas wandern. Flores aber war immer eine Insel gewesen, die Hobbits mussten also zum Beispiel mit primitiven Booten über das Wasser gekommen sein.

Ihr Körperbau ist nicht der eines kleinen Homo sapiens

Einmal auf Flores angekommen müsste Homo erectus isoliert geblieben sein, vermutete Mike Morwood. Was dann passiert, kennen Biologen von anderen Arten wie den Mammuts: Auf einer Insel sind die Ressourcen eher knapp, mit der Zeit passt sich die Art der limitierten Versorgung an und bringt nur noch kleine Individuen hervor. Auf der Insel Wrangel im Eismeer nördlich von Sibirien überlebte zum Beispiel eine zwergenhafte Mammutgruppe bis vor 3700 Jahren. Auch auf Flores lebte einst mit dem Stegodon eine heute ausgestorbene Gattung der Rüsseltiere, die Elefanten ähnelt und mit diesen auch entfernt verwandt ist sowie erheblich kleiner als die Stegodons im Rest der Welt war.

Pygmäen und auch Menschen, die durch Krankheiten sehr klein bleiben, haben andere Körperproportionen als Homo floresiensis, hält jedoch Chris Stringer vom Natural History Museum in London nun im Wissenschaftsmagazin „Nature“ fest. Seit Morwood die Hobbit-Verzwergungstheorie 2004 vorstellte, zweifeln Fachkollegen sie an. So hatte Homo floresiensis kürzere Beine, als Forscher es bei einem auf einen Meter geschrumpften Frühmenschen erwarten würden. Ähnliche kurze Beine hatte die Australopithecus genannte Gattung, aus der die Frühmenschen sich vor rund 2,5 Millionen Jahren entwickelten.

Australopithecus war ähnlich klein wie die Hobbits und kam mit einem ähnlich kleinen Gehirn aus. Auch die Hände und das Handgelenk der Hobbits erinnern eher an Australopithecus als an Homo erectus. Stammen die Flores-Menschen also vielleicht von Lucy ab, wie die Überreste des bekanntesten Australopithecus genannt werden, der vor rund 3,2 Millionen Jahren in Afrika lebte?

Stimmt diese Theorie, könnten die Hobbits Flores viel früher erreicht haben als bisher vermutet. Auch das wäre eine Sensation, schreibt Chris Stringer. Schließlich wurden Überreste von Australopithecus bisher nur in Afrika gefunden. Aber vielleicht tauchen auf den Inseln Südostasiens ja noch weitere Sensationen auf, die mehr Licht auf die Geschichte der Menschheit werfen.