Zwetschgenkuchen, Buddhismus und Internet: Esther Bernhardt stärkt sich im Allgäu-Urlaub für ihren aufreibenden Job als Co-Leiterin des Studio-Theaters.

Stuttgart - Mit überkreuzten Beinen sitzt Esther Bernhardt an einem kleinen Straßentisch des „Kantinchens“ im Heusteigviertel und schaut sich um. Den Fotografen, der fleißig Bilder von ihr und dem hausgemachten Zwetschgenkuchen vor ihrer Nase schießt, nimmt sie dabei kaum wahr. Der Grund ist ein Mädchen im roten Punktekleid, das ein paar Meter entfernt mit einer Pfütze aus Eis auf dem Asphalt spielt. „Das sollte man fotografieren“, sagt Bernhardt schließlich, „Eispfützen im Hochsommer!“ Sie lacht – und der Fotograf schaut an ihr vorbei.

 

Diese Bewegung ist geradezu typisch für die Leiterin des Stuttgarter Studio-Theaters. Während des Frühstücks spricht sie lieber von ihren Projekten als von sich selbst. „Den Teil über mich können wir ganz klein machen“, meint sie. Doch gerade weil die gebürtige Hamburgerin sich selbst gerne aus dem Rampenlicht zieht, lohnt es sich, ein zweites Mal hinzuschauen.

So auch an diesem Vormittag. Um ihren rechten Unterarm hat Bernhardt zum Beispiel ein dunkelblaues Band gewickelt, das vor dem Kettengeklimper an ihrem Hals kaum auffällt. Der Faden ist ein buddhistisches Segensband. Vor gut fünf Jahren legte ein Mönch es ihr zur Einweihung eines spanischen Klosters an – und eigentlich hätte es nach wenigen Tagen wieder abfallen sollen. „Es ist üblich, die Bänder dann zu verbrennen oder sie der Natur zurückzugeben“, meint die praktizierende Buddhistin. „Aber ich habe meines bis heute behalten.“

Ein Segensbändchen als Belohnung

Eine Erinnerung daran, dem Alltag nicht zu viel Raum zu geben – das ist auch eines von Bernhardts Sommerzielen. Während es im Studio-Theater, an dessen Spitze sie gemeinsam mit Christof Küster steht, in den nächsten Wochen dunkel bleibt, zieht es die gebürtige Hamburgerin nämlich ins Allgäu. Ihr Ziel: das buddhistische Europa-Zentrum in Immenstedt. Nach Jahren will sie dort noch einmal an einer Einweihungszeremonie teilnehmen. „Diese Feiern können schon mal zwei Wochen am Stück gehen“, erinnert sie sich. „Am Ende bekommt man das Segensbändchen quasi als Belohnung, dass man durchgehalten hat.“

Vor Jahren reiste Bernhardt vier Monate lang durch das Himalaja-Gebirge und tingelte dort von einem buddhistischen Kloster zum nächsten. Das höchste davon, zu dem sie eine Woche lang zu Fuß unterwegs war, lag auf rund 4500 Meter Höhe: „Ich habe dabei eine freiere Art des Reisens kennengelernt. Immer, wenn ich etwas geplant habe, ging alles schief. Das liegt vielleicht auch daran, dass die Lamas sowieso nie da sind, wo man sie erwartet. Die sind nicht so deutsch.“ Esther Bernhardt spricht immer wieder mit einer solch beiläufigen Gelassenheit von Karma und Reinkarnation, dass man unwillkürlich das Gefühl bekommt, dass da jemand angekommen sei, und das, ohne es an die große Glocke zu hängen.

Ihr Wunsch: eine Online-Plattform aller Theater

Understatement steht ihr. Doch genau das hat nicht nur positive Seiten. Denn auch das Studio-Theater ist – wie seine Leiterin – auf den ersten Blick schwer zu entdecken. Nur ein einzelnes Leuchtschild an der Hohenheimer Straße verweist auf die innovative Bühne zwischen Hinterhof und Rumpelkeller. Wer nicht genau hinschaut, läuft vorbei. Bernhardt nickt. „In diesem Fall ist das wirklich ein Problem. Wir haben zwar ein Stammpublikum aufgebaut. Aber wir wollen ja, dass unsere siebzig Sitzplätze regelmäßig besetzt sind.“ Zum einen müsse dafür das Ambiente im Theater stimmen, und das war lange Zeit eher dauerimprovisiert als durchgestylt. „Wir hatten nie Geld und haben deshalb fast alles selbst renoviert und umgebaut.“ Erst seit das Theater Landesförderung erhält, werden für den gröbsten Teil Handwerker beauftragt. „Wir haben endlich jemanden professionell die Toiletten machen lassen. Da hören dann nämlich auch meine Künste langsam auf.“

Doch mit einer schmucken Spielstätte allein ist noch lange nichts gewonnen: „Wir machen Theater und wollen Zuschauer, aber sind nicht in der Lage, sichtbar zu werden“, ärgert sich Bernhardt. Deshalb initiierte sie kurzerhand eine Online-Plattform, die sämtliche Theater der Stadt und deren Programm umfassen soll, gleichberechtigt nebeneinander. Denn wer sich für das Abendprogramm der Theater interessiere, müsse lästiges Webseiten-Hopping in Kauf nehmen, bevor er zu einem Ergebnis komme, so Bernhard. Die Lösung sieht sie in einer gemeinsamen Homepage, auf der die Nutzer nach Genre, Theater oder Stücken filtern können und das Programm der Häuser ausgespielt bekommen. „Ich will, dass wir da präsent sind“, fügt sie hinzu und spießt das letzte Stück Zwetschgenkuchen auf ihre Gabel. Es geht ihr um eine gemeinsame Außenwirkung. Darum, als Off-Theater endlich sichtbar zu werden.