Das neue Online-Buchungssystem des TÜV Süd sorgt für Chaos in Stuttgarter Fahrschulen. Schüler warten lang auf Termine, das Begleitete Fahren ist für manche am Ende oft passé.

Stuttgart - Endlich den Führerschein in Händen und sofort die neue Freiheit mit einer kleinen Spritztour genießen. In Stuttgart ist das momentan gar nicht so einfach. „Ich bin wirklich genervt“, sagt Alexander K. aus Stuttgart. Der 17-Jährige, der gerade bei der Fahrschule Herter in Bad Cannstatt seinen Führerschein macht, wollte eigentlich schon längst auf vier Rädern unterwegs sein. Im April hatte er sich für das begleitete Fahren ab 17 angemeldet und extra dafür bezahlt. Doch aus dem Autofahren vor der Volljährigkeit wurde nichts: „Das Geld hätte ich mir sparen können. Auf den Termin für eine Theorie-Prüfung musste ich vier Wochen warten, und auf die praktische warte ich nun auch schon Wochen und habe immer noch keinen Termin“, erzählt der Auszubildende, der in Kürze volljährig wird.

 

Wie Alexander geht es auch einem anderen Fahrschüler aus Stuttgart-Ost, der seit fast zwei Monaten auf einen Prüfungstermin für seinen Motorradführerschein wartet: „Ich wollte eigentlich im Sommer mit einem Freund eine Motorrad-Tour durch Italien machen, das fällt jetzt ins Wasser“. Das koste ihn nicht nur Zeit, sondern mittlerweile auch mehrere Hundert Euro. Schließlich müsse er immer weitere Fahrstunden nehmen, um seine Fahrsicherheit nicht zu verlieren.

Digitale Abwicklung hat Tücken

Das Warten auf den Führerschein ist in Stuttgart und der Region derzeit kein Einzelfall, bestätigt Ralf Nicolai vom Verband der Fahrlehrer Baden-Württemberg: „Wir haben hier gerade alle Hände voll zu tun, ständig klingelt das Telefon, weil sich Fahrlehrer beschweren.“ Den Grund für das Chaos sehen sie in einer neuen Software, die der Tüv Süd im Juni in Teilen Baden-Württembergs eingeführt hat.

Die Software sollte eigentlich den Buchungsprozess für Fahrprüfungen erleichtern, weise aber bis dato Fehler auf: Es gebe Probleme bei dem Bezahlvorgang und der Buchung freier Prüftermine, außerdem seien Fahrschüler, die erst beim zweiten Anlauf die Theorie-Prüfung bestanden hätten, zu lange im System gesperrt, berichtet Fahrlehrer Roland Herter aus Bad Cannstatt. Dem Tüv sind diese Anlaufschwierigkeiten bekannt, und er bestätigt, dass das neue System nicht erwartungsgemäß laufe: „Obwohl wir das System ausführlich getestet haben, gibt es leider Fehler. Aber wir sind daran, diese schnellstmöglich zu beheben“, so das Statement aus der Pressestelle.

Die Leidtragenden sind nun in erster Linie die Fahrschüler. Aber auch die Fahrschulen selbst haben so ihre Probleme mit der Digitalisierung des Anmeldevorgangs. Neben einem höheren Arbeitsaufwand stehe nämlich auch ihr Ruf auf dem Spiel: „Für mich ist das schlichtweg geschäftsschädigend. Die Leute denken ja, wir seien schuld. Viele Fahrschüler telefonieren nun schon die Konkurrenz in Stuttgart ab in der Hoffnung, dort einen Termin für die Prüfung zu bekommen“, erzählt Fahrlehrer Jörg Holzmann aus Stuttgart-Wangen.

Im Sommer stauen sich Termine

Der Technische Überwachungsverein (Tüv) hat in Baden-Württemberg das Monopol auf das Durchführen von Fahrprüfungen. Er hat auf die zahlreichen Beschwerden der Fahrlehrer reagiert und Verbesserungen angekündigt. Um das Problem zu beheben, sei angedacht, beispielsweise mehr Personal einzusetzen und samstags Prüfungen abzunehmen. Fahrschulinhaber Roland Herter hat sich mit seinen Terminwünschen an die entsprechende Niederlassung gewandt und erfolgreich einen Samstagstermin buchen können. „Wenn alles einwandfrei funktioniert, ist das neue System auch flexibel. Ich kann mit den Fahrschülern dann beispielsweise direkt nach der Fahrstunde im System nachschauen, wann es freie Termine gibt, und diese sofort reservieren.“

Ganz so versöhnlich gestimmt wie Herter sind jedoch nicht alle Stuttgarter Fahrlehrer. Sie fordern grundlegende Veränderungen, schließlich würden sich jedes Jahr im Sommer die Termine stauen: „Eine wirkliche Lösung wäre, wenn der Tüv seine Monopolstellung verlieren würde. Mir ist klar, dass das auch negative Seiten hätte, dennoch denke ich, dass wir alle davon profitieren könnten“, sagt ein Fahrlehrer, der lieber anonym bleiben möchte. Den meisten Fahrschülern sind solche Entscheidungen am Ende egal, sie sind sich einig: „Hauptsache, ich kann endlich losfahren!“