Die Umtauschfrist für Führerscheine der Jahrgänge zwischen 1953 und 1958 ist vorbei, auch im Rems-Murr-Kreis. Dass ein alter Führerschein mitunter wehmütige Erinnerungen wecken kann, davon berichten drei betroffene Kollegen aus der Redaktion.

Oha, jetzt aber Achtung nicht dass die Frist abgelaufen ist. 43 Millionen Frauen und Männer in Deutschland müssen aufpassen, dass ihnen ihr grauer oder rosa „Lappen“ nicht bald durch die Lappen geht. Gut, die vom Stuttgarter Verkehrsministerium veröffentlichte Zahl bedeutet die Gesamtsumme; ganz so viele sind es erst mal nicht, die ihr vor dem 31. Dezember 1998 ausgestelltes Modell gegen einen den Richtlinien der Europäischen Union entsprechenden Kartenführerschein tauschen müssen. Die Rückgabepflicht wurde nach Alter gestaffelt, zudem haben die Behörden gewisse Karenzzeiten gewährt. Entsprechend der Richtlinie müssen zudem die Führerscheine künftig alle 15 Jahre umgetauscht werden. Dies soll sicherstellen, dass das Foto und der Name aktuell sind und der Führerschein fälschungssicherer wird.

 

In der ersten Gruppe waren die Geburtsjahren zwischen 1953 und 1958 aufgefordert. Die Umtauschfrist wurde zunächst auf 19. Januar 2022 festgelegt, dann folgte aus dem Waiblinger Landratsamt die Zusatzinfo, dass wegen Terminengpässen durch Corona bis zum 19. Juli keine Geldbuße drohe.

Am Anfang war der Andrang gewaltig

Diese Kulanz ist, der Blick auf den Kalender zeigt’s, allerdings auch abgelaufen. Die Kreisbehörde legt nun auf Nachfrage unserer Redaktion die jüngste Entwicklung dar. Tatsächlich war nämlich der Andrang der Umtauschwilligen gleich zu Jahresbeginn riesig. Während im Januar 2021 genau 103 Führerscheine umgetauscht wurden, waren es im Januar 2022 an Rems und Murr imposante 3330. Der Trend setzte sich fort, wenn auch langsam abflachend: Im Februar wurden 1454 Fahrerlaubnisse umgetauscht (Vorjahr 186), im März 848 (354), im April 508, im Mai 591 und im Juni 593. „Unsere Kollegen haben die Geburtsjahrgänge, die bis 19. Juli 2022 fertig sein mussten, vorgezogen“, erläutert Pressesprecherin Martina Keck. „Es erreichen uns heute aber immer noch Anträge von den Geburtsjahrgängen 1953 bis 1958. Täglich zwischen 6 und 18 Anträge, die wir gleich bearbeiten.“

Die Behörde klagt über Personalmangel

Parallel dazu arbeitet das Landratamt an den aktuellen Jahrgängen 1959 bis 1964. Alle anderen Anträge auf Umtausch wurden zurückgestellt, bis der Jahrgang durch ist. Zumal in der Fahrerlaubnisbehörde gerade Personalmangel herrscht. Der Geburtsjahrgang 1959 bis 1964 muss bis 19. Januar fertig sein.

Wichtig: „Alle die zu spät den Antrag stellen, fahren nach dem Ablaufdatum mit einem ungültigen Dokument. Dies wird bußgeldrechtlich verfolgt, falls der Verkehrsteilnehmer in eine Verkehrskontrolle kommt.“ Es handelt sich aber nicht um eine Straftat, sondern „nur“ um eine Ordnungswidrigkeit, weil kein gültiges Dokument vorgezeigt werden könne. „Leider haben wir keine Zahlen darüber, wie viele Personen versäumt haben, einen Antrag zu stellen“, erklärt Keck. Denn die Zahl der Führerscheininhaber ist hier nicht ausschlaggebend. Viele sind in verzogen.

Zu denjenigen, die verpflichtet sind, ihren alten Führerschein einzutauschen, gehören auch Dirk Herrmann, Harald Beck und Frank Rodenhausen, alle drei sind Redakteure dieser Zeitung. Dass es zu so einem „Lappen“ auch durchaus emotionale Bindungen geben kann, erzählen sie hier:

Für Dirk Herrmann war der „Lappen“ immer ein Partybrüller

Auch als braver Verkehrsteilnehmer wird man gelegentlich nachts auf der Heimfahrt vom redaktionellen Spätdienst von einem pflichtbewussten Wachtmeister mit leuchtend roter Kelle gestoppt. Und bisher jedes Mal konnte der pflichtbewusste Polizeibeamte ein Schmunzeln nicht unterdrücken. Kein Wunder, wenn er in der Dunkelheit mit seiner Taschenlampe langsam die Konturen auf dem Foto erkennt. Welche unfassbare Entwicklung von diesem Teenager zum heutigen Oldie mit äußerst schütterem Haarwuchs. Abgelegt wurde die Prüfung „Klasse vier“, also Mofaerlaubnis, am „25. 8. 1978“, wie eine Landratsmitarbeiterin per Schreibmaschine auf den grauen Lappen getippt hat. Weil die Prüfung aber rein in der Theorie nötig und kurz danach das Interesse erloschen war, bin ich nie selbst als Mofafahrer auf den Straßen Schorndorfs unterwegs gewesen.

Nach der Auto-Prüfung wurde am 7. September 1981 einfach der Zusatz „Klasse 3“ drunter getippt – und war nach kurzer Zeit schon ausgebleicht. Seit 45 Jahren bin ich also mit derselben Fahrerlaubnis unterwegs. Der Clou: Das Foto war auch damals schon nicht ganz frisch und zeigt mich sogar noch als 14-Jährigen.

Wenn künftig der Führerschein alle 15 Jahre ausgetauscht werden muss, sind Brüller bei Partyrunden, wenn das uralte Dokument aus dem Portemonnaie gefischt wird, leider passé. In Würde gealtert – im wirklichen Leben schon, im Führerschein regieren dafür noch die 70er Jahre, und das leider nur noch kurze Zeit.

Harald Beck erkennt nicht mehr, wann das gute Stück ausgestellt wurde

Nein, der erste Führerschein, der ist längst perdu. Geschreddert, der anno 1979 ausgestellte graue Lappen – weil ein stipendiumsfinanzierter Einjahresaufenthalt in Australien Anfang der 1990er auslandstaugliche Fahrlizenzen erforderte. Einen internationalen Führerschein hatte man damals sogar noch für alle Fälle. Im Ausland anerkannt wurde neben jenem Extradokument aber eben auch der damals neue krebsfleisch-rosafarbene Eurolappen – zumindest in globalem Teilumfang. Erhalten ist von der guten alten allerersten Fahrlizenz bloß noch das Bild. Dasselbe prangte nämlich – der Schwabe nutzt selbstverständlich alle vier im Block gefertigten Passbilder aus – auf dem etwas später ausgestellten Studentenausweis.

Lang ist die Lebenserwartung der aktuellen Premis de condure, des Patente di guida, oder was da so alles vorn auf jenem „Modell der Europäische Gemeinschaft“ steht, auch nicht mehr. Und das nicht nur, weil sich beim letzten Unfall – der andere war natürlich schuld – der aufnehmende Polizist angesichts des längst unleserlichen Ausstellungsdatums beschwert hat. Nein, im Herbst steht für Fahrende unserer Altersklasse der Zwangsumtausch zum modernen, angeblich fälschungsresistenteren neuen EU-Führerschein an. Mal schauen, ob vom zweitältesten Lappen auch nur das Bild übrig bleibt.

Für Frank Rodenhausen ist der alte Führerschein ein Beweisstück

Neulich hat die Kollegin vom Sport ihrer Tochter berichtet: den Frank, den kenne sie schon ewig. Damals, als sie bei der Lokalzeitung ihr Volontariat begonnen habe, hätten sich unsere Wege zum ersten Mal gekreuzt. Von mir, sagte sie, mich insgeheim zu Tränen rührend, habe sie alles gelernt. „Krass“, erwiderte die Tochter, obschon im Teenageralter, als sie erfuhr, dass diese Episode schon lange, lange vor ihrer Zeit gewesen sei. Wie wir beide da ausgesehen hätten, hakte sie nach – frisurtechnisch und so. Na, ja, behauptete die Kollegin, sie habe schon damals einen modischen Kurzhaarschnitt bevorzugt und der Frank – na, ja, der habe auch die gleiche Haarlänge gehabt, nämlich null.

Ich weiß nicht, womit das zu tun hat, Verdrängung oder Verkalkung? Auf jeden Fall ist es gelogen! Ja, zugegeben, der damalige Praktikant, mittlerweile ebenfalls gestandener Redakteur dieser Zeitung, hatte einst frech nachgefragt, ob ich mal im Kloster gearbeitet hätte, als er hinter mir die steile Treppe hinab in die Druckerei gestiegen war und dabei freie Sicht auf meinen Hinterkopf hatte. Okay, eine Mini-Tonsur war vorhanden, aber der Rest des Haupthaars – ich schwöre – soweit mich da nicht die eigene Geschichtsklitterung befallen hat – war noch Eins a vorhanden.

Ich hätte in dieser Situation – zum Beweis , dass ich nicht schon kopfnackt auf die Welt gekommen bin – eigentlich meinen alten Führerschein rausgezogen. Aber den habe ich leider gegen dieses neue Kärtle eintauschen müssen.