Bei einer Führung durch eine Wohnanlage an der Ludwigsburger Straße in Stuttgart-Zuffenhausen konnten die Teilnehmer dem Leben in der Nachkriegszeit nachspüren.

Zuffenhausen - Vorne schirmte der Bau von der umtriebigen Ludwigsburger Straße ab, dahinter lagen nur noch Wiesen und Felder und es gab jede Menge Spielkameraden: „Hier Kind zu sein, war schön“, sagte Heidi Gühring, geborene Zierle, beim „Hausbesuch“ am Freitag. So nennt sich eine jährlich stattfindende Kooperationsveranstaltung des Evangelischen Kreisbildungswerks, des Dekanats Zuffenhausen und des Stadtpalais’, die Gebäuden und ihren Geschichten nachspürt. Im Fall der Anlage an der Ludwigsburger Straße waren dies natürlich viele Lausbubengeschichten – und die Geschichte eines ungewöhnlichen Zusammenhalts.

 

Die charakteristischen Torbögen kennt wohl jeder Zuffenhäuser, und auch die Steinköpfe sind nun wieder an Ort und Stelle. Nicht allerdings, ohne für helle Aufregung unter den ehemaligen Anwohnern gesorgt zu haben: „Die Köpf’ sind weg!“ hatte ein aufgebrachter Anruf Heidi Gühring erreicht. Erst die Nachfrage bei der Baugenossenschaft beruhigte: „Die werden restauriert und kommen dann wieder dran.“ Was beweist: Einmal Höfle, immer Höfle. Auch wenn man längst woanders wohnt.

Nur samstags wurde gebadet

Und so machte sich am Freitag eine aufmerksame Gruppe aus Ehemaligen und Neu-Interessierten vor Ort ein Bild: Balkone haben die Wohnungen jetzt erhalten, der Hof selbst ist neu angelegt worden. Als Heidi Gührings Großeltern einzogen, war das Nonplusultra modernen Wohnens eine Einbauküche und ein eigenes Bad gewesen – „wobei trotzdem nur samstags gebadet wurde, so war das ja nicht“ erinnerte sie sich. Und dann ging es hinüber in die Hohensteinschule, wo sie einen Vortrag mit vielen Lausbubenstreichen vorbereitet hatte.

Um Kirschenklau ging es nun, um die Explosion einer Bettflasche oder um ein Nachsitzen, bei dem man in seiner Verzweiflung in die gläserne Deckenlampe pinkelte – sehr zum Leidwesen des Hausmeisters. Immer wieder klang aber auch an, wie das Miteinander das Leben der Höfleskinder geprägt hat: Denn der Bau mit seinen insgesamt 48 Wohnungen war auch ein Mehrgenerationenhaus, zu einer Zeit, als der Begriff ebenso unbekannt war die Bezeichnung „Helikoptereltern“. Die Alten ertrugen stoisch das Dröhnen der eisernen Rollschuhräder, dafür trugen ihnen die Jungen selbstverständlich die Einkäufe und die Kohlen in die Wohnung. Und zu Weihnachten wurde zusammen musiziert. „Wir sind schon zu Hause erzogen worden“, erzählt Heidi Gühring: „Aber so richtig erzogen wurden wir auf der Gass’.“

Zuffenhäuser Kindheitserinnerungen

Wie ungewöhnlich das aus heutiger Sicht ist, wurde ihr bewusst, als sie ihren Kindern vom Höfle erzählte: „Die sahen mich an, als wäre ich aus einer anderen Welt!“ Wenig später machte sie die Freunde von einst ausfindig und 2007 gab es eine Wiedersehenshocketse mit 40 Ehemaligen, natürlich im Hof des „Ludwigsburger Blocks“. Dabei machten so viele Anekdoten die Runde, dass man 2009 gemeinsam das Buch „Unser Höfle in Zuffenhausen – prägende Geschichten aus glücklicher Kindheit“ veröffentlichte.

Das vielleicht Erstaunlichste ist aber, dass die Zuffenhäuser Kindheitserinnerungen von damals auch heute überregional gefragt sind und Heidi Gühring zahlreiche Vorträge hält – „von Karlsruhe bis auf die Alb“: Vor Kindern und Senioren, aber auch in Universitäten. Weil sich die Erlebnisse vieler Menschen ähneln: Die Spiele in den ausgebombten Gebäuden, die Natur gleich hinter dem Haus und die relativen Freiräume, weil die Großen ja mit Wiederaufbau beschäftigt waren. Allerdings scheint dies kaum jemand so zusammengetragen getragen zu haben, wie die einstigen Höfleskinder. Weitere Treffen werden vielleicht folgen. Weil ja gilt: Einmal Höfle, immer Höfle.

Info Das Buch kann in Zuffenhausen noch ei der BW-Bank, bei der Volksbank und im Kiosk U11 bezogen sowie unter E-Mail amg@amg-consult.de bestellt werden.