Stuttgart - Auch in den verfahrensten Situationen gibt es unerschütterliche Optimisten, die fest an eine Lösung glauben. Einer von ihnen ist Cem Özdemir. Der Grünen-Politiker und glühende Fan des VfB Stuttgart kann nicht verstehen, warum bei seinem Herzensclub ein derart erbitterter Machtkampf zwischen Vorstandschef Thomas Hitzlsperger und Präsident Claus Vogt tobt. Sein Vorschlag: „Beide sollten sich einen Ruck geben und sich auf ihre Aufgaben beschränken“, sagte Özdemir am Sonntagabend im SWR: „Hitzlsperger sorgt dafür, dass der VfB auf dem Platz erfolgreich ist, und Vogt sorgt für eine erfolgreiche Außendarstellung.“
Die Frage, warum es nicht möglich sein soll, dass der bei vielen Fans so beliebte Präsident und der bis zu seinem offenen Brief ebenso beliebte Vorstandsvorsitzende konstruktiv und allein im Sinne des Clubs zusammenarbeiten – sie treibt seit Jahresbeginn sehr viele Menschen um. Während der Schaden von Tag zu Tag größer und der Verein intern immer zerstrittener wird, scheint die von Özdemir vorgeschlagene Lösung meilenweit entfernt. Dabei lässt sich nicht sagen, dass es keine Vermittlungsversuche gegeben hätte.
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Nach Informationen unserer Zeitung gab es in den vergangenen Wochen zwei stundenlange Gesprächsrunden, bei denen neben Thomas Hitzlsperger (38) und Claus Vogt (51) auch Helmut Schulte (63) und Andreas Rettig (57) als Mediatoren am Tisch saßen. Das erste Treffen fand am 22. Dezember statt, vier Tage nachdem Hitzlsperger seine Bewerbung ums Präsidentenamt eingereicht hatte. Die Initiative soll von Schulte ausgegangen sein, beim VfB für die Betreuung der Leihspieler zuständig und ein enger Vertrauter Hitzlspergers. Der langjährige Trainer des FC St. Pauli habe den früheren Bundesliga-Manager Rettig hinzugebeten, der Vogt in dessen Zeit als Fanaktivist kennengelernt hatte.
Claus Vogt soll zu Zugeständnissen bereit gewesen sein
Kräftig hatte es beim VfB zuvor in der Zusammenarbeit zwischen Vorstandschef und Präsident geknirscht. Am Vortag des ersten Treffens, so heißt es, habe Vogt das Ansinnen eines langjährigen Aufsichtsrats, den Vorsitz des Kontrollgremiums abzugeben, mit der Begründung abgelehnt, dass er genau diesen Auftrag von den Mitgliedern erhalten habe. Zu einem anderen Zugeständnis aber soll der Präsident in der Runde mit Hitzlsperger, Schulte und Rettig bereit gewesen sein: seinem Rückzug aus dem Präsidialausschuss.
Es ist ein dreiköpfiges Gremium innerhalb des Aufsichtsrats, um bei Bedarf schnelle Entscheidungen treffen zu können. Ihm gehören neben Vogt Daimler-Vorstand Wilfried Porth und Rainer Adrion an. Hitzlsperger, so wird berichtet, sei mit diesem Kompromissvorschlag einverstanden gewesen – doch habe ein Aufsichtsrat sein Veto eingelegt. Die erste Schlichtungsrunde war damit gescheitert. Das Unheil nahm seinen Lauf.
Am 30. Dezember wurde Hitzlspergers Bewerbung ums Präsidentenamt publik, kaum zwei Stunden später folgte sein offener Brief, der die bis dahin nach außen heile VfB-Welt so gewaltig erschütterte. Also gab es am 8. Januar das zweite Mediationstreffen mit Schulte und Rettig. Angesichts der massiven öffentlichen Kritik am Vorgehen des Vorstandsvorsitzenden soll die vorgeschlagene Lösung diesmal gelautet haben: Hitzlsperger nimmt seine Bewerbung zurück und entschuldigt sich bei Vogt, der im Gegenzug bereit gewesen sein soll, diese Entschuldigung öffentlichkeitswirksam an- und Hitzlsperger dadurch aus dem Kreuzfeuer zu nehmen.
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Hitzlsperger, so heißt es, habe sich Bedenkzeit erbeten und den Vorschlag am 11. Januar abgelehnt. Seine schriftliche Entschuldigung („Ich habe mich im Ton vergriffen“) folgte am 15. Januar – seine inhaltliche Kritik an Vogt jedoch, dem er jegliche Eignung fürs Präsidentenamt abgesprochen hatte, hat Hitzlsperger bis heute weder relativiert noch mit weiteren konkreten Beispielen unterfüttert. In diesen Tagen will er ausführlich zu seiner Präsidentschaftsbewerbung Stellung nehmen, an der er bislang festhält.
Hitzlsperger dementiert, einen Kompromissvorschlag abgelehnt zu haben
Während sich Vogt zu den gescheiterten Schlichtungsversuchen nicht äußern will, teilt Hitzlsperger, der über die Gespräche mit Schulte und Rettig auch in den Vereinsgremien berichtet haben soll, auf Anfrage unserer Redaktion mit: Es sei „nicht zutreffend“, dass er einen Kompromissvorschlag abgelehnt habe. Ob es für ihn denkbar sei, weiter mit Claus Vogt zusammenzuarbeiten? „Wie bereits betont, bin ich sehr gerne für den VfB tätig und möchte auch zukünftig die angestoßene positive Entwicklung fortführen. In meiner Funktion als Vorstandsvorsitzender arbeite ich mit dem von der Mitgliederversammlung gewählten Präsidenten des Vereins zusammen. Der Vereinsbeirat wird entscheiden, welche Kandidaten er den Mitgliedern zur Wahl vorschlägt.“