Führungskrise beim VfB Stuttgart Warum die Bosse weiter schweigen
Auch weiterhin lässt der VfB Stuttgart die schweren Vorwürfe, die Aufklärung der Datenaffäre blockiert zu haben, unkommentiert. Die Gräben innerhalb des Vereins werden immer größer.
Auch weiterhin lässt der VfB Stuttgart die schweren Vorwürfe, die Aufklärung der Datenaffäre blockiert zu haben, unkommentiert. Die Gräben innerhalb des Vereins werden immer größer.
Stuttgart - Pressemitteilung Nummer 3 des neuen Jahres wird vom VfB Stuttgart am Freitagmittag verschickt und enthält erfreuliche Neuigkeiten: „Vorzeitige Vertragsverlängerung mit Jakov Suver“, so lautet die Überschrift, während im dazugehörenden Text Thomas Hitzlsperger seiner Freude darüber Ausdruck verleiht, dass es gelungen sei, den Juniorennationalspieler am Tag seines 18. Geburtstages bis 2025 an den Club zu binden. „Wir werden Jakov auch bei den kommenden Schritten sehr intensiv begleiten, um seine optimale Ausbildung sicherzustellen“, verspricht der Vorstandsvorsitzende.
Es ist die einzige Nachricht aus Bad Cannstatt – eine offizielle Mitteilung zu vereinspolitischen Themen bleibt auch an diesem Tag aus, obwohl nicht nur in und um Stuttgart seit drei langen Tagen mit einiger Spannung darauf gewartet wird.
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Unwidersprochen und unkommentiert stehen somit weiter die schweren Vorwürfe im Raum, die für bundesweites Aufsehen gesorgt haben: Der VfB-Vorstand und Teile des Präsidiums hätten mit allen Mitteln versucht, die Aufklärung der Datenaffäre zu blockieren; sie hätten getrickst, getarnt und getäuscht, um zu vermeiden, dass ans Tageslicht kommt, warum und von wem rund um die Ausgliederung im Juni 2017 Zehntausende von Mitgliederdaten an Dritte weitergegeben worden waren. All das war aus Zwischenberichten der für die Aufklärung der Affäre zuständigen Kanzlei Esecon hervorgegangen, aus denen unsere Redaktion zitiert hatte.
Während der VfB weiter schweigt, war es am Donnerstag immerhin ein Vertreter der vom Club bezahlten Ermittler, der sich via „Bild“-Zeitung zu Wort meldete, um etwas Schadensbegrenzung zu betreiben. „Wir können bestätigen, dass Verbesserungen für die weitere Untersuchungszusammenarbeit mit dem VfB erzielt wurden“, sagte Esecon-Geschäftsführer Kai Feigenbutz und fügte an: „Sie erhöhen die Integrität der Untersuchungsergebnisse.“ Bedeutet einerseits: der VfB kooperiert mittlerweile besser. Andererseits ist es eine weitere Bestätigung für die Blockadetaktik zu Beginn der Aufklärung.
Von äußerst überschaubarem Wert halten Datenschutzexperten die stark verspätete Bereitschaft zur Kooperation, da dem VfB genügend Zeit geblieben sei, unliebsame Protokolle, Mails und andere möglicherweise belastende Dokumente aus dem Verkehr zu ziehen und die Festplatten der Computer zu bereinigen. Hinzu kommt, dass zwischen der Auftragserteilung durch den VfB und dem Aufklärungsbeginn von Esecon im vergangenen Oktober mehrere Wochen lagen, da über den genauen Inhalt und Umfang der Ermittlungen erst lange verhandelt werden musste.
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Immer aufgeheizter wird nun das Binnenklima in der VfB-Geschäftsstelle, auch weil es noch immer nicht gelungen ist, sich auf eine gemeinsame Stellungnahme zu den in den Esecon-Berichten genannten Vorwürfe zu verständigen. Unmittelbar nach der Veröffentlichung unserer Recherchen, so heißt es, habe sich Thomas Hitzlsperger darangemacht, eine Erklärung zu verfassen. Doch wird seit Tagen erbittert über einzelne Formulierungen gefeilscht und darüber, wer die Stellungnahme unterzeichnet. Hitzlspergers Wunsch soll es gewesen sein, dass sich alle Gremien beteiligen – eine Einigung aber konnte noch immer nicht erzielt werden.
Am Donnerstag schien sie so nah, das Papier war formuliert und die Übermittlung stand kurz bevor. Sie blieb jedoch genau so aus wie am Freitag. Nicht nur der für die Nominierung der Präsidentschaftskandidaten zuständige Vereinsbeirat, so wird berichtet, habe sich der Erklärung nicht anschließen wollen. Präsident Claus Vogt hatte bereits am letzten Tag des alten Jahres die Torpedierung der Ermittlungen angeprangert, als er in seinem offenen Brief auf die Attacken Thomas Hitzlspergers am Vortag reagierte. Inhaltlich sieht Vogt keinen Grund, etwas zurücknehmen.
Dass der VfB nicht in der Lage ist, sich auf eine gemeinsame Erklärung zu verständigen – darin sehen viele einen besonders eindrucksvollen Beleg dafür, wie zerrissen der Club inzwischen ist und wie schwer es fällt, die Fronten aufzuweichen. Längst ist es nicht mehr nur Vogt, der intern in der Schusslinie steht. Immer größer wird unter einzelnen Gremienmitgliedern und vielen Mitarbeitern die Wut auf jene, die ihrer Meinung nach den gewaltigen Schaden für den ganzen Club zu verantworten haben – und sich nun hinter Hitzlsperger verstecken: die mutmaßlichen Drahtzieher der Datenweitergabe, die sich an nichts erinnern können.
Schwer vorstellbar, dass Marketingvorstand Jochen Röttgermann keine Kenntnis von der 58 Seiten umfassenden Ausgliederungskampagne samt der „Guerilla-Methoden“ hatte, für deren Budgetierung Finanzvorstand Stefan Heim verantwortlich zeichnete. Kommunikationschef Oliver Schraft wiederum teilte sich zeitweise ein Büro mit dem PR-Profi Andreas Schlittenhardt, dem als externen Dienstleister die Mitgliederdaten anvertraut wurden. Das heutige Präsidiumsmitglied Rainer Mutschler schließlich war Projektleiter des Ausgliederungsvorhabens. Doch weiß auch er angeblich von nichts.