Die IG Metall steht vor mehreren personellen Umbrüchen. Damit will der Vorsitzende Berthold Huber eine geordnete Verjüngung der Gewerkschaftsführung regeln.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Es ist ein offenes Geheimnis, dass Berthold Huber das Ende seiner Zeit als Vorsitzender fest im Blick hat. Der Führungsstreit von 2003 hat ihn geprägt – so etwas will er in der IG Metall nie wieder erleben. Allerdings hat Huber noch keine Einzelheiten verraten. Klar ist nur: 2013 soll ein außerordentlicher Gewerkschaftstag die Verjüngung beschließen; die Voraussetzungen dafür wurden im vorigen Oktober in Karlsruhe geschaffen.

 

Nun hat der 62-Jährige den Schleier ein wenig gelüftet: Er könne sich vorstellen, bald seinen Posten zu räumen, sagte er dem „Spiegel“. Wer ihn ablösen soll, lässt er offen. „Viele fühlen sich berufen, doch wenige sind auserwählt“, sagt Huber sibyllinisch. Nach Recherchen der Stuttgarter Zeitung ist die Zukunft an der Gewerkschaftsspitze zwischen den wichtigen Akteuren seit dem Gewerkschaftstag 2011 besprochen.

Auf Detlef Wetzel soll Jörg Hofmann folgen

Demnach will Huber, sofern die Wirtschaft nicht wegen der Eurokrise kollabiert, tatsächlich in einem Jahr abtreten – nach der Metalltarifrunde im Frühjahr und nach der Bundestagswahl. In beiden Fällen wird er als (tarif-)politischer Vordenker der Organisation noch gebraucht.

An Hubers Stelle würde dann sein Vize Detlef Wetzel rücken – allerdings nur für zwei Jahre. Der 59-Jährige wäre damit ein Übergangsvorsitzender, erhielte aber den Lohn für seine erfolgreiche Arbeit beispielsweise bei der Mitgliedergewinnung.

Auf Wetzels Stuhl wiederum soll der Huber-Vertraute und Stuttgarter Bezirksleiter Jörg Hofmann Platz nehmen – das aber auch nur für zwei Jahre, um dann neuer erster Mann zu werden. Das ist die größte Überraschung an der Rochade: Hofmann ist zwar neben Huber der versierteste Tarifexperte der IG Metall, in seinem Reden und Handeln aber eng mit Baden-Württemberg verbunden. Deswegen passt er für viele Beobachter eher in die Schaltzentrale des Pilotbezirks als auf die Bundesbühne.

Doch Hofmann wird im Dezember auch schon 57 Jahre alt, weshalb er nach spätestens einer Legislatur dem NRW-Bezirksleiter und dann zum IG-Metall-Vize erkorenen Oliver Burkhard Platz machen soll. Der 40-Jährige zählt seit Längerem zur Führungsreserve. Dass Burkhard nicht vorher ans Ruder gelassen wird, ist dem Proporz geschuldet: So ist auf Jahre hinaus ein Gleichgewicht zwischen den mächtigen IG-Metall-Bezirken Baden-Württemberg und NRW gesichert. Kassierer Bertin Eichler wird 2013 voraussichtlich von Vorstandsmitglied Jürgen Kerner ersetzt.

Gleichgewicht der mächtigen Bezirke gewahrt

Er wäre ein schlechter Vorsitzender, wenn er die Gewerkschaft mit einer überalterten Führung zurücklassen würde, hat Huber vor einem Jahr gesagt. Dem „Spiegel“ nannte er nun als Bedingung für seinen Abgang, dass die Nachfolge in seinem Sinne geregelt werden müsste – womit er alle Beteiligten etwas verklausuliert daran erinnerte, die Absprachen doch bitte schön einzuhalten und seine Wünsche zu erfüllen. Dass eine offizielle Bestätigung für all die Absichten nicht zu erhalten ist, dürfte klar sein. Schließlich handelt es sich um Wahlämter – niemand soll sich überrollt fühlen.

Seine eigene Nachfolge ist aber nicht Hubers einzige Sorge: Auch für den Gewerkschaftsbund muss er einen neuen Vorsitzenden finden. Der Chef Michael Sommer (60) ist noch bis 2014 gewählt, doch kann Huber dessen Abgang nicht tatenlos auf sich zukommen lassen. Im Gegenteil: nachdem Sommer 2002 von Verdi an die DGB-Spitze gehoben wurde, hat die IG Metall nach einem ungeschriebenen Gesetz das Vorschlagsrecht, was Verdi-Chef Frank Bsirske offenbar ohne Weiteres akzeptiert.

Noch kein geeigneter Kandidat für den DGB in Sicht

Noch kann Huber keine Persönlichkeit aufbieten, die auf dem DGB-Kongress in zwei Jahren eine große Mehrheit auf sich vereinen würde. Bei den Chefs der Einzelgewerkschaften ist er mit seinen Vorschlägen bisher nicht durchgedrungen. Im Gespräch sind Hubers Büroleiter Michael Guggemos und der hessische IG-Metall-Vorreiter Armin Schild. Guggemos müsste aus der zweiten Reihe nach vorne stoßen, während Schild die Front kennt, aber auch schon vergeblich auf ein prominenteres Amt – den Vorsitz der sozialdemokratischen Arbeitnehmer (Afa) – gehofft hatte.

Kandidaten mit Karriereperspektive lassen sich ungern in den DGB hieven, wie man am bisherigen Führungspersonal ablesen kann, das – von Sommer abgesehen – einer breiteren Öffentlichkeit unbekannt geblieben ist. So fällt den Gewerkschaftsmachern nun die Überalterung an der DGB-Spitze auf die Füße. Probleme bereitet es schon, vorzeitig ausscheidende Vorstandsmitglieder abzulösen: Für Sommers Vize Ingrid Sehrbrock (64) will der DGB-Bundesausschuss schon im kommenden Jahr einen Nachfolger wählen – möglichst wieder aus Kreisen der christlichen Arbeitnehmerschaft CDA. Aber auch Claus Matecki (63) und Dietmar Hexel (62) scheiden bis 2014 aus dem künftig nur noch vierköpfigen geschäftsführenden DGB-Vorstand aus. Es wäre von Vorteil, wenn sich unter den Neuen schon der oder die künftige Chef/-in fände – danach sieht es nicht aus.

Offiziell mag sich kein Verantwortlicher dazu äußern. Das bietet Raum für Spekulationen. So hat sich Michael Sommer im vorigen Jahr große Teile des Magens operativ entfernen lassen und daher gesundheitliche Probleme, die sich auch in einer radikalen Gewichtsabnahme niederschlagen. So bangt mancher darum, dass sich Sommer den Ärger mit den oft uneinigen Einzelgewerkschaften noch zwei Jahre lang antut.

Die Arbeitgeber kennen ihre neue Führung schon

Auch die Metallarbeitgeber haben kürzlich erst nach einer langen Phase der Unsicherheit ihren Umbruch angestoßen. Demnach wird der Südwestmetall-Chef Rainer Dulger (48) am 14. September den Gesamtmetall-Präsidenten Martin Kannegiesser (70) ablösen, der lange Zeit vergeblich nach einem Nachfolger Ausschau gehalten hat. Dieser Wechsel hat zur Folge, dass der Vorstandschef des Automobilzulieferers Elring Klinger, Stefan Wolf (50), auf den Chefsessel bei Südwestmetall rückt. Beide werden in diesen Tagen mitsamt ihren Unternehmen einem bundesweiten Kreis von Journalisten bekannt gemacht.

Ausgerechnet Huber hatte die Gesamtmetaller im November 2011 auf dem Geburtstagsempfang von Kannegiesser in Anwesenheit der Kanzlerin ermahnt, ihre Führungsfrage nicht schleifen zu lassen. Sonst mache er sich große Sorgen um die Tarifautonomie, fügte der gebürtige Ulmer hinzu. Nun weiß man: Er hat dies durchaus im Bewusstsein getan, diesen Anspruch im eigenen Lager einlösen zu können.