Christian Meyer sieht Finger, die sich durch das Gitter eines Lichtschachts recken und zögert nicht lange. Weil er fünf Menschen aus einem brennenden Haus rettet, wird er von der Stadt Schorndorf mit der Daimler-Medaille geehrt.

Schorndorf - Verkohlte Balken, jede Menge Steine, Metall und Schutt, dazwischen ein Schreibtischstuhl: Neun Monate nach dem verheerenden Feuer im Schorndorfer Löwenkeller liegen die Überreste der Brandruine immer noch wie unberührt da. Christian Meyer sieht sie jeden Tag – er ist der Marktleiter des benachbarten Supermarktes. Deswegen war der Rudersberger auch als erstes zur Stelle, konnte fünf Menschen gerade noch rechtzeitig aus dem brennenden Gebäude retten. Für seinen Einsatz ist er jetzt mit der städtischen Daimlermedaille ausgezeichnet worden.

 

An den 16. April 2019 erinnert sich Christian Meyer noch genau. „Meine Mitarbeiterin hat um 6 Uhr morgens die Zeitung hereingeholt. Sie hat mir erzählt, dass es draußen nach Rauch riecht“, erzählt der 38-Jährige. Weil er befürchtete, dass es an seinem Lebensmittelmarkt brennen könnte, ging er ins Freie. Dort entdeckte Christian Meyer zunächst weißen Rauch, der aus einem Rohr am Löwenkeller stieg. „Kurz danach kam dichter schwarzer Rauch aus einem der Lichtschächte des Kellers“, erzählt Christian Meyer.

Fünf Menschen aus einem engen Lichtschacht gezogen

Meyer sagte seinen Mitarbeitern, dass sie die Feuerwehr rufen sollten. Dann hörte er Hilferufe, sah Finger, die sich durch die Gitter eines weiteren Lichtschachtes reckten. „Den Menschen dort unten war der Weg zum Ausgang durch den Rauch abgeschnitten, die anderen Kellerfenster waren vergittert“, sagt Christian Meyer.

Wie er es geschafft hat, den Lichtschacht in Windeseile und nur mit seinen Fingern aufzuhebeln, das weiß er nicht mehr. Drei Männern und einer Frau half er ins Freie, bis die Einsatzkräfte eintrafen. Zusammen mit einem Feuerwehrmann schaffte er noch eine weitere Frau nach draußen. „Die konnte sich selbst gar nicht mehr bewegen, sie hatte keine Kraft mehr.“ Als alle im Freien waren, begab er sich selbst durch den Lichtschacht in den brennenden Keller. „Ich kannte eine der Frauen vom Sehen, weil sie öfters bei uns im Markt eingekauft hatte. Sie hatte eigentlich immer ein Kind dabei und ich hatte Angst, dass das noch drin ist“, erklärt der Vater von zwei Kindern. Es blieb nur ein kurzer Blick in den Raum, in dem Matratzen und dünne Decken lagen. Dann kam schon eine dicke Rauchwolke und Meyer eilte nach draußen. „Fünf Minuten später schlugen dann die Flammen aus dem Lichtschacht“, erzählt er.

Meyer war wegen einen Rauchgasvergiftung im Krankenhaus

Im Krankenhaus traf er seine Schützlinge wieder – dort musste Christian Meyer mit einer mittleren bis schweren Rauchgasvergiftung mehrere Tage verbringen. „Der Arzt hat mich geschimpft, weil ich nicht an meinen Eigenschutz gedacht habe. Aber ich wollte einfach schnell helfen“, sagt Meyer, der seinen Einsatz nicht bereut: „Wenn ich selbst in so eine Situation komme, bin ich auch froh, wenn mir jemand hilft“, sagt er. Da er von den Geretteten nur ein dürres „Danke“ gehört hat – „und das kam nur, weil der Arzt ihnen gesagt hat, dass sie mir ihr Leben verdanken“ – hat er sich umso mehr über die Würdigung der Stadt gefreut. „Die Anerkennung hat gut getan.“

Ermittlungen zur Brandursache sind eingestellt

Warum die fünf Menschen dort illegal in den Kellerräumen eines türkischen Kulturvereins übernachtet haben, das wird wohl für immer im Dunkeln bleiben – genauso wie die Brandursache. Das Gebäude musste teilweise abgerissen werden, damit die Feuerwehr alle Glutnester löschen konnte. Die Ermittlungen sind eingestellt: „Es kann entweder eine fahrlässige Brandstiftung oder ein technischer Defekt gewesen sein“, sagt ein Sprecher des Polizeipräsidiums Aalen.