Wer in der Krise auf die Rückkehr der Solidarität gehofft hatte, wird vom Frühlingsfest der Corona-Skeptiker eines Besseren belehrt, findet Ingmar Volkmann in seiner Kolumne „Fünf Minuten Pop“.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - Jetzt, wo es wieder Hefe, Mehl und sogar Klopapier gibt, kommen sie aus ihren Löchern gekrochen: die Aluhutbürger. Während bei vielen Menschen seit der Krise mehr vorhanden ist, zum Beispiel mehr Hüftgold in Form von Corona-Kilos, haben die Aluhutbürger das Wenigste zu bieten: krude Verschwörungstheorien. Bill Gates habe das Virus erfunden, um noch reicher zu werden. Vielleicht ist aber auch die 5G-Technik an allem Schuld. Die Bilder aus New York oder Bergamo vom Ausmaß des Virus’ in anderen Ländern seien auf jeden Fall gefälscht. Und der Lockdown sei eine Generalprobe für eine neue Weltordnung. Was man halt so denkt, wenn die Alufolie am Oberstübchen etwas zu eng sitzt.

 

Das Frühlingsfest der Corona-Skeptiker auf dem Wasen ist kaum zu ertragen. Während der Wutbürger wenigstens noch ein konkretes Ziel hatte, an dem er sich abarbeiten konnte, zum Beispiel Stuttgart 21, handelt es sich beim Aluhutbürger um eine gefährliche Variante des Hobby-Virologen, besser bekannt als Wirrologe.

Zu viel am Diesel seines SUV geschnüffelt?

Vertreter dieser Spezies ist zum Beispiel der verkrachte Allgemeinmediziner. Bei den Demos gegen Fahrverbote ist er schon vorneweg gelaufen, hat dabei aber leider ein paar mal zu viel am Diesel seines SUVs geschnüffelt und kämpft seitdem mit seinem überhitzten Betriebssystem. Ganz vorne mit dabei in der Bewegung der Aluhutbürger sind außerdem vegane Kochbuchautoren, die zuviel Sojaschnitzel geschnupft haben, und ehemalige Popstars, die bereits vor Jahren die letzte Ausfahrt rechts in Richtung Reichsbürger-Zentrale genommen haben.

Scheinbar wurden nicht nur Einschränkungen, sondern auch Schrauben gelockert

Dieser Weg, raus aus der Corona-Krise, wird kein leichter sein: Derzeit zeigt sich, dass das Corona-Zeitalter wohl doch nicht als die Wiedergeburt der Solidarität in die Geschichtsbücher eingehen wird. Stattdessen lernen wir: Wer Einschränkungen zurücknimmt, muss aufpassen, dass er dabei keine Schrauben lockert.

Dabei kann ich einige Gedanken der Hygiene-Pegida sogar verstehen: Auch ich stehe Bill Gates durchaus skeptisch gegenüber, seit er 1987 Excel vorgestellt hat. Das Programm bereitet mir immer wieder schlaflose Nächte: Zellen löschen, nach oben oder nach unten verschieben? Nieder mit den Gitternetzlinien!

Bleibt zu hoffen, dass sich das Problem der Corona-Demos auf dem Wasen bald von alleine erledigt, wenn dort ab Ende Mai bei einem coronakompatiblen Festivalsommer Konzerte und Kino aus dem Auto heraus verfolgt werden können. Der unschlagbare Vorteil dieses Formats: Unterm Heilig’s Blechle muss man weder Aluhut noch Mundschutz tragen..