Kein Muskelkater und keine durchgeschwitzten Klamotten: Der erste Tag ohne Auto hat keine gravierenden Spuren bei mir hinterlassen. Zugegeben, die Strecke von Vaihingen zum Pressehaus und zurück ist auch nicht die Tour de France. Dennoch hat man auch als Kurzstrecken-Radler mit Problemen zu kämpfen.

 

Gewöhnungsbedürftig war beispielsweise die Horde Mücken, die ich mir nach der ersten Heimfahrt von Armen, Hals und Gesicht puhlen musste. Radler-Regel Nummer 1: Immer schön den Mund geschlossen halten beim Fahrradfahren.

Für den Einkauf mit dem Rad muss man vorbereitet sein

Zweite wichtige Erkenntnis: Wenn Du mit dem Rad einkaufen gehst, nimm eine größere Fahrradtasche mit. So hat sich mein Einkauf am Montagabend auf ein Brot beschränkt, das die Heimfahrt eingeklemmt auf dem Gepäckträger verbringen musste.

Um zwei Erfahrungen schlauer beginnt also mein zweiter Tag eines besseren Lebens ohne Auto. Und nachdem ich an Tag 1 voll und ganz damit beschäftigt war, den richtigen Weg zur Arbeit zu finden, bin ich am Dienstag überrascht, wie hübsch dieser Weg doch ist. Viel Grün, wenig Autos und immer der Sonne entgegen.

Das Wetter war tatsächlich mein größtes Problem diese Woche. Viele Radfahrer mögen das lächerlich finden, aber bei Regen in die Pedale zu treten, ist einfach nicht mein Ding. Das liegt zum einen an meiner unzureichenden Schlechtwetterausrüstung, zum anderen an meinem ausgeprägten Hang zur Bequemlichkeit. Aber für die Fortbewegung an Regentagen steht ja noch irgendwo da draußen ein kleines blaues Auto für mich rum.

Die Chronologie des Scheiterns

Regen. Schon wieder. Ich will nicht Fahrrad fahren am Donnerstagmorgen, wirklich nicht. Was soll das denn mit „Besser leben“ zu tun haben? Kein Mensch fährt bei so einem Wetter mit dem Rad. Beim Blick aus dem Fenster sehe ich mein Auto – wie schön warm und trocken ich damit zur Arbeit kommen könnte. Aber mein Auto bleibt stehen diese Woche.

Nach einem morgendlichen Wechselbad der Gefühle – ich nehme einfach doch das Auto; oder nein, ich fahre mit der Bahn; ach komm, jetzt steig halt aufs Fahrrad – ziehe ich mir die Regenklamotten an, um mit dem Drahtesel zum Pressehaus zu schwimmen. Ich will den Kollegen nicht noch mehr Anlass zu Spott und Hohn geben. Mir reichen schon die blöden Sprüche zu meiner gestrigen Niederlage. Aber der Reihe nach.

Mittwoch, 17.17 Uhr, Pressehaus Möhringen: Um 18 Uhr sollte ich bei der Digital Night im Mercedes-Benz-Museum in Bad Cannstatt sein, das wird sehr knapp. Mit allem, was meine Kräfte hergeben, trete ich in die Pedale. Die dunklen Wolken von Westen her versuche ich zu ignorieren.

17.31 Uhr, Gewerbegebiet Tränke Degerloch: Es fängt an zu tröpfeln, noch bin ich zuversichtlich, dass ich halbwegs rechtzeitig und trocken in Bad Cannstatt ankomme.

17.36 Uhr, Reutlinger Straße in Degerloch: Mist, es regnet in Strömen. Ich beginne mich um Laptop, iPad und Smartphone in meinen angeblich wasserdichten Satteltaschen zu sorgen.

17.40 Uhr, immer noch Reutlinger Straße: Häh? Ist das nicht mein Chef, Online-Ressortleiter Tobias Köhler, der da auf dem Radweg steht? Tatsächlich! Und er hat ein großes Auto dabei! Er ist ebenfalls auf dem Weg zur Digital Night ins Mercedes-Benz-Museum und nimmt mich und mein Fahrrad kurzerhand mit. Einerseits bin ich heilfroh, dass ich nicht weiter mit dem Rad fahren muss. Andererseits macht sich ein Gefühl des Scheiterns in mir breit. Und es nimmt mit jedem im Auto zurückgelegten Kilometer zu. Ich rede mir ein, dass ja nicht ich das Auto fahre.

23.35 Uhr, Mercedes-Benz-Museum in Bad Cannstatt: Die Digital Night ist vorbei, Feierabend auch für mich. Jetzt noch mit dem Rad nach Vaihingen? Durch den Kessel und dann entweder durchs Kaltental oder den Stuttgarter Westen hochfahren? No way. Ich hab keine Lust mehr. Und ist der Ruf erst ruiniert... Also fahre ich zum Cannstatter Bahnhof und peile die nächste S-Bahn an. Die verpasse ich natürlich, weil ich mit dem falschen Aufzug auf den falschen Bahnsteig fahre. Um 0.30 Uhr bin ich endlich zuhause in Vaihingen. Ich rede mir vor dem Einschlafen ein, dass ich ja mein Auto nicht angerührt habe – so richtig gescheitert bin ich also doch nicht.

Im Trottel-Outfit durch den Regen

Ich wusste doch, dass ich sie irgendwann noch brauchen würde: Meine Gummistiefel, die seit dem Southside Festival vor zwei Jahren im Kofferraum meines Autos vor sich hin gammeln. Das sind tatsächlich die einzigen wasserdichten Schuhe in meinem Besitz. Und wasserdicht war am Mittwochmorgen Trumpf – just zu dem Zeitpunkt, an dem ich mich aufs Fahrrad schwingen wollte, hat es angefangen zu regnen.

Entsprechend übel gelaunt bin ich bei der Arbeit angekommen. Zwar haben mich Gummistiefel und Regenjacke vor äußerer Nässe geschützt. Allerdings sind meine Regensachen alles andere als atmungsaktiv. Das Ende vom Lied: Ich bin trotzdem nass. Schweißgebadet. Und sehe mit der riesigen roten Regenjacke und den Gummistiefeln aus wie der letzte Trottel.

Regen, ein dumpfes Gefühl in den Oberschenkeln und die abschreckende Aussicht auf einen Abendtermin in Bad Cannstatt: Nach zweieinhalb Tagen Fahrradfahren habe ich die erste Krise. Am Mittwochmorgen war ich kurz davor, der Versuchung nachzugegeben und mich einfach wie gewohnt ins Auto zu setzen. Zum Glück geht es meinen Kollegen Anja Treiber, Rebecca Müller und Tobias Köhler mit ihren Selbstversuchen eines besseren Lebens ebenso.

Am Dienstag war die Welt noch in Ordnung

Dabei war noch am Dienstag alles gut: Im Sonnenschein zur Arbeit und zurück radeln, kein Problem. Abends war ich sogar so motiviert, dass ich die 14 Kilometer von Vaihingen nach Botnang zur Tanzstunde und zurück mit dem Fahrrad zurückgelegt habe. Die Strecke hat ein etwas anspruchsvolleres Profil (146 Höhenmeter sagt mein Smartphone) als mein Weg zur Arbeit. Dafür wurde ich auf der Rückfahrt durch den Dachswald vom Anblick tausender Glühwürmchen entschädigt.

27 Kilometer habe ich am Dienstag nur mit eigener Muskelkraft zurückgelegt. Ich war richtig stolz auf mich. Aber jetzt mag ich mein Fahrrad nicht mehr sehen.

Doch die Tortur kommt erst noch: Am Mittwochabend muss ich nach Bad Cannstatt. Dort ist die Digital Night, die sicher toll wird. Wenn ich bloß mit dem Auto fahren könnte.

Eine Herausforderung muss her

Kein Muskelkater und keine durchgeschwitzten Klamotten: Der erste Tag ohne Auto hat keine gravierenden Spuren bei mir hinterlassen. Zugegeben, die Strecke von Vaihingen zum Pressehaus und zurück ist auch nicht die Tour de France. Dennoch hat man auch als Kurzstrecken-Radler mit Problemen zu kämpfen.

Gewöhnungsbedürftig war beispielsweise die Horde Mücken, die ich mir nach der ersten Heimfahrt von Armen, Hals und Gesicht puhlen musste. Radler-Regel Nummer 1: Immer schön den Mund geschlossen halten beim Fahrradfahren.

Für den Einkauf mit dem Rad muss man vorbereitet sein

Zweite wichtige Erkenntnis: Wenn Du mit dem Rad einkaufen gehst, nimm eine größere Fahrradtasche mit. So hat sich mein Einkauf am Montagabend auf ein Brot beschränkt, das die Heimfahrt eingeklemmt auf dem Gepäckträger verbringen musste.

Um zwei Erfahrungen schlauer beginnt also mein zweiter Tag eines besseren Lebens ohne Auto. Und nachdem ich an Tag 1 voll und ganz damit beschäftigt war, den richtigen Weg zur Arbeit zu finden, bin ich am Dienstag überrascht, wie hübsch dieser Weg doch ist. Viel Grün, wenig Autos und immer der Sonne entgegen.

Besser leben? Noch fühle ich nichts

Trotz dieser neuen, inspirierenden Eindrücke habe ich nicht das Gefühl, besser zu leben. Nicht, weil mich das bisschen Radfahren so fertig macht – rund 13 Kilometer am Tag auf ebener Strecke kann selbst eine faule Socke wie ich kaum körperliche Anstrengung nennen. Nein, mein Versuch eines besseren Lebens erscheint mir einfach läppisch im Vergleich zu dem, was meine Kollegen Anja Treiber, Rebecca Müller und Tobias Köhler ausprobieren: sich nur von Selbstgemachtem ernähren, jeden Tag richtig Sport machen und auf das Smartphone verzichten.

Eine Herausforderung muss her – und ich glaube, ich habe sie gefunden: Am Mittwochabend habe ich einen Termin in Bad Cannstatt. Von Vaihingen nach Möhringen nach Cannstatt nach Vaihingen sind es 35 Kilometer insgesamt, sagt Google Maps. Das macht bei meiner schneckengleichen Durchschnittsgeschwindigkeit eine Gesamtfahrzeit von etwas mehr als zwei Stunden. Vermutlich eher drei, rechnet man meine leichten Orientierungsschwierigkeiten mit ein.

Ich habe Angst. Und wünsche mir – wenn ich schon nicht Autofahren soll – wenigstens ein Elektrorad.

25 Minuten für 7 Kilometer, das nennt man ausbaufähig

Mehr Bewegung und gleichzeitig etwas für die Umwelt tun: Das ist mein guter Vorsatz für diese Woche. Mein Auto bleibt also stehen, stattdessen hole ich mein Fahrrad aus dem Keller und strample mit eigener Kraft zur Arbeit, zum Einkaufen, zum abendlichen Treffen mit Freunden.

Keine große Leistung, werden nun viele sagen, die selbst täglich mit dem Rad unterwegs sind. Doch für jemanden, der die Bequemlichkeit des Autofahrens seit nunmehr zwölf Jahren verinnerlicht hat, ist das durchaus eine Herausforderung.

Autofahren aus Bequemlichkeit, damit ist jetzt Schluss

Mein riesengroßer innerer Schweinehund flüstert mir wie ein Mantra tausend Gründe ein, die gegen das Fahrrad als alltägliches Fortbewegungsmittel sprechen: das unbeständige Wetter, meine schlechte Kondition, vom Fahrtwind zerzauste Haare bei der Arbeit, verschwitzte Kleidung, der zeitliche Mehraufwand, Stuttgarts unvorteilhafte Topografie – um nur ein paar zu nennen.

Ich bin kein dogmatischer Verfechter des Autofahrens. Nur: ich habe mich über Jahre hinweg an die wohl bequemste Form der Mobilität gewöhnt. Auf dem Land großgeworden, war das Auto ab der Volljährigkeit mein treuer Partner, meine Chance auf Unabhängigkeit von den Eltern. Auch im Berufsleben hat mir mein Auto immer gute Dienste geleistet, um schnell von einem Termin zum nächsten zu kommen.

Eigentlich braucht man aber in einer Stadt wie Stuttgart kein Auto. Doch Staus und lästige Parkplatzsuche hin oder her – irgendwie hänge ich an meinem fahrbaren Untersatz, so unsinnig und schlecht für die Umwelt es auch ist.

Schlechte Ausreden zählen diese Woche nicht

Diese Woche aber gibt es keine Ausreden. Meinen Kleinwagen habe ich am Montagmorgen links liegen lassen und den etwa sieben Kilometer langen Weg von meinem Zuhause in Vaihingen bis zur Arbeit mit dem Drahtesel zurückgelegt.

Gemächliche 25 Minuten – ich wollte das Problem mit dem Schwitzen vermeiden – hat die Fahrt gedauert, etwa 10 Minuten länger als mit dem Auto. Dafür gab es schon Morgensonne und frische Luft statt roter Ampeln und Abgase.