Auf der Bühne küsst die Schlagerkönigin Helene Fischer nach dem Pas de deux ihren Freund Thomas Seitel. 11.000 Fans in Stuttgart sind begeistert.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Tarzan und Jane war früher. Heute sagt man: Thomas und Helene. Der Lebenspartner der Sängerin, der Vater ihres Kindes, ist breitschultrig und sehr muskulös wie einst der Urwald-Held. Zum Pas de Deux in luftiger Höh’ schwebt der Artist Thomas Seitel beim ganz persönlichen Lied „Hand in Hand“ zum Ende der ersten Hälfe der Show „Rausch“ am Dienstagabend nach oben und zieht Helene Fischer in Richtung Hallendach mit.

 

Beide drehen sich, halten sich fest, kommen sich näher, liebkosen sich – und die Entertainerin singt trotz aller körperlicher Anstrengung intensiv weiter. Früher musste sich Tarzan an Lianen durch den Urwald schwingen. Tarzan 2.0 darf an zwei Artistenbändern (Fachsprache: Strapaten), zeigen, was er kann. Obendrein geht der Wasserfall an.

Die traumhafte Szene steigert sich bis zum innigen Kuss des Paars, das die Privatheit in diesem Moment wohl ganz bewusst ausschaltet. Alle sollen sehen, wie Helene Fischer mit ihrem Thomas das Glück gefunden hat.

Das Publikum ist bunt gemischt, quer durch alle Generationen

Ihr Glück ist aber nur perfekt, wenn sie vor ihren Fans singen kann. „Stuttgart, das wird großartig“, ruft sie gleich zu Beginn der Show, die mit einem zehnminütigen Intro schon vor 20 Uhr beginnt. Um 20.07 Uhr sieht man die Schlagerkönigin zum ersten Mal, da das rote Dreieck platzt, das über dem vorderen Teil der Bühne hängt und in dem die Sängerin steckt.

Die ersten Fans sind bereits um 11 Uhr gekommen. Zwar hat jeder seinen Stehplatz im jeweiligen Circle. Doch je früher man da ist, desto weiter nach vorne darf man in seiner Welle. Das Publikum ist bunt gemischt, quer durch alle Generationen. Man sieht Damen im mittleren Alter mit Glitzerhandtaschen. Aber auch Kinder mit Helene-Fischer-Shirt.

Ein junger Mann aus Gablenberg steht wohl öfter draußen am Bierstand als drinnen in der Halle. Das Bier (halber Liter) kostet sechs Euro. Dazu kommen drei Euro für den Becher mit dem Logo der Show „Rausch“, wenn man ihn als Erinnerung behalten will. Der Mann aus Gablenberg gibt zu, eigentlich kein Fan der „Atemlos“-Interpretin zu sein. „Aber ob Michael Jackson oder Helene Fischer – das sind Stars, die man unbedingt mal gesehen haben muss“, sagt er.

In der Halle sieht man kaum einen freien Sitzplatz. Ziemlich voll ist’s auch im Innenraum, wo Ordner den Stehplatz-Besuchern erklären, dass während der Show mal die Bühne ausgefahren wird und sie zur Seite weichen müssen. Ständig werden Handys in die Höhe gehalten, um Songs als Video aufzunehmen. Der Auftritt ist mit Artistik, Tanz und Feuershow viel mehr als nur ein Konzert. Beim romantischen Höhepunkt „Hand in Hand“ scheint es, als hätten alle im vorderen Stehplatz-Areal ihr Handy nach oben gestreckt, um diesen bewegenden, aber wohl auch einkalkulierten Liebesbeweis festzuhalten.

„Ich bin halt auch nur ein Mensch“, sagt Helene Fischer

Immer wieder rühmt Helene Fischer das Publikum in „STUTTGAAAAART“. Vor fünf Jahren sei sie zum letzten Mal in der Schleyerhalle gewesen, ebenfalls fünfmal, und habe nicht gewusst, ob nach der langen Pause das einst innige Verhältnis zu den Fans ein Comeback erlebe. Mehrfach verneigt sie sich vor den 11.000 jubelnden, schreienden und hüpfenden Mitsängern, die zum Großteil mehr als 100 Euro Eintritt bezahlt haben. „Danke euch allen, dass ihr da seid und wir werden Spaß haben dürfen“, ruft sie. Dass sie plötzlich feststellt, sie habe „Gänsehaut“, erklärt sie so: „Ich bin halt auch nur ein Mensch.“

Die Helene-Fischer-Woche, die noch bis Sonntag mit Unterstützung des Cirque du Soleil an diesem Ort geht (der Donnerstag ist Ruhetag), startet mit Glücksgefühlen und mit Partylaune. Es ist auch ein Abend des Geldes. Vor Showbeginn laufen mehrfach dieselben Werbefilme auf der Leinwand.

Der halbe Liter Bier ist quasi so teuer wie beim Frühlingsfest nebenan. Dafür ist in Stuttgart das Wasser billiger als in anderen Tourstädten von Helene Fischer, wo Fans über fünf Euro für den Sprudel geklagt haben. In der Schleyerhalle kostet der halbe Liter Tafelwasser vier Euro. Hoodies mit dem Bild von Helene Fischer gibt’s übrigens für 80 Euro.