Bei dem auf 30 Millionen Euro kalkulierten Prestigeobjekt werden durch Baukostensteigerung und nachträgliche Verbesserungen mindestens weitere sechs Millionen Euro benötigt. Die Stellplatzfrage entwickelt sich zur Posse.

Stuttgart - Die Sanierung der denkmalgeschützten Wagenhallen am Nordbahnhof wird um mindestens 20 Prozent teurer als geplant. Um die Mehrkosten des 30-Millionen-Euro-Prestigeprojekts von aktuell sechs Millionen Euro Steuermitteln darzustellen, hat die Stadtverwaltung gleich zwei Genehmigungsvorlagen verfasst: Eine ist im April in einer Ansammlung mehrerer Vorhaben (Kitas, Schulen, Krippen) erschienen, deren Kosten allesamt explodiert sind. 2,95 Millionen Euro zusätzlich sind trotz eines Risikopuffers von 1,5 Millionen Euro angefallen. Die zweite Vorlage listet Planungsmittel von 320 000 Euro und Investitionen von 2,45 Millionen Euro auf, um Fehleinschätzungen bei den Parkplätzen sowie dem Backstage-Bereich des Kulturbetriebs zu korrigieren.

 

Im Wirtschaftsausschuss hat diese Vorlage für Streit gesorgt. Vor allem SÖS/Linke-plus und SPD, die dem Vorhaben kritisch gegenüberstehen, sehen sich im Nachhinein bestätigt, während etwa die CDU die über die Stadtgrenzen hinausreichende Begeisterung für das altehrwürdige Gebäude preist.

Werden privat finanzierte Kulturbetriebe von der Stadt benachteiligt?

Am Dienstag könnte es bei der Debatte im Technikausschuss neben der Kostenexplosion auch darum gehen, warum der Stadt bei den Wagenhallen nichts zu teuer zu sein scheint, während andere privat finanzierte Kulturbetriebe den Eindruck haben, die Stadtverwaltung gefalle sich darin, ihnen das Veranstaltungsleben so schwer wie möglich zu machen.

Beispiel Garage 229 im Stuttgarter Osten: Die Betreiber der ehemaligen Lackiererei würden ihr Industriedenkmal gerne kulturell bespielen. „Nicht wie die Wagenhallen mit Konzerten am Abend. Für Ausstellungen, Konferenzen oder Fotoshootings besteht aber eine große Nachfrage“, sagt Andreas Erhardt, der die Garage 229 gemeinsam mit Luca Böck verantwortet. Von einer kulturellen Nutzung der aufwendig sanierten ehemaligen Werkstatt hält die Stadt aber scheinbar nichts: „Das Baurechtsamt hat uns nun mitgeteilt, dass auf meinem Hof nach 21.30 Uhr keine Fahrzeuge mehr bewegt werden dürfen. Dadurch kann ich mein eigenes Büro nach 21.30 Uhr nicht mehr anfahren. Für mich grenzt das an Enteignung“, sagt Erhardt und wirft der Stadt vor, mit zweierlei Maß zu messen. „Ich habe nichts gegen die Wagenhallen, im Gegenteil, die Stadt bevorzugt aber ihr eigenes Objekt.“

Für das Wizemann musste ein Parkhaus mit 400 Stellplätzen gebaut werden

Das sieht man oberhalb von Bad Cannstatt ähnlich. Dort hat die Familie Wizemann für ihre gleichnamige Veranstaltungs-Location mit maximal 1300 Besuchern ein Parkhaus mit 400 Plätzen bauen müssen. Für die Wagenhallen – der Veranstaltungsbetrieb fasst bis zu 2100 Besucher – waren noch 2017 laut einer Mitteilung der Stadt 220 bis 250 Stellplätze baurechtlich nachzuweisen. Mittlerweile wurde die Zahl nach unten korrigiert. Im März teilte die Verwaltung mit, der Kulturbetrieb mit Biergarten und Büros müsse lediglich 90 Stellplätze vorhalten.

Das reicht der Stadt nun aber wieder nicht mehr. Hatte sie bei der Eröffnung noch beide Augen zugedrückt, weil nur 41 Parkplätze auf Schotter zur Verfügung standen, hat sie jetzt 120 weitere gewalzt. Und nun sollen auch die Stellplätze in der Hedwig-Dohm- und der Alexander-Fleming-Schule genutzt werden. Man gehe davon aus, einen signifikanten Anteil der 130 Plätze, vor allem am Wochenende, zur Verfügung gestellt zu bekommen. In der Hedwig-Dohm-Schule könnten von 17 Uhr an 58 Stellplätze belegt werden. Das wird teuer: Für die Planung sind 245 000 Euro veranschlagt, für die Investition 1,45 Millionen Euro. Das Problem: Der Fluchtweg, der direkt ins Schulgebäude führt, verbietet sich für Konzertgäste am Abend.

Weiterhin ist geplant, den Backstage-Bereich zu vergrößern. Stefan Mellmann und Thorsten Gutbrod, die Betreiber der Wagenhallen, haben laut Stadt bisher rund 2,9 Millionen Sanierungskosten übernommen. Nun sollen sie auch die für den Konzertbetrieb elementare Backstage-Erweiterung in Eigenregie vornehmen. Das geschieht aber nicht mehr allein auf eigene Kosten. Die Stadt sichert einen Zuschuss von einer Million Euro zu.