Rammstein statt DJ Ötzi: Untypische Klänge vernahm man in dern vergangenen Tagen beim Après-Ski im Skigebiet Nassfeld in Österreich. Der erfolgreiche Auftakt des „Full Metal Mountain“, erstes Metal Festival für Winterurlauber, könnte eine Fanlawine auslösen.

Nassfeld - Die Menschen hier tragen bizarre Kleidung, kippen bereits am frühen Vormittag massig Bier in sich hinein, und bei ihren abendlichen Festen lauschen sie unheimlichen Klängen – schon ein eigentümliches Völkchen, diese Skifahrer. In der vergangenen Wintersportwoche jedoch ein anderes Bild: Die Musik war klasse, die Klamotten schwarz und – gut, die Sache mit dem Bier hat sich nicht geändert.

 

Full Metal Mountain heißt die noch nie dagewesene Verbindung von Hüttengaudi und Metal. Bei suboptimalem Wetter, leider war es meist recht neblig, bebten im Nassfelder Skigebiet in Kärnten von Montag bis Samstag die Wipfel. Ob auf 1900 Meter Höhe oder im Tal: Dem maschinengewehrartigen Doublebass, den gellenden Gitarrensaiten und fauchenden Stimmen entkam man nicht.

Wer zeitig aus dem Bett kraxelte, konnte sich seinen Lieblingstönen von früh bis spät hingeben: Täglich gegen 11 Uhr begann der Spaß auf der Peak Stage. Dort oben auf der Bergspitze, wenige Meter unterm Gipfelkreuz, machten etwa Blaas of Glory mit Tuba, Akkorden, Banjo und ihren abgefahrenen Covern von Rockklassikern wie „I Was Made For Lovin’ you“ Lust auf den Tag. Auch Mambo-Kurt, in der Szene immer gern gesehen, ließ sich einen Höhenauftritt in der Kofelalm nicht nehmen: „Sunshine Reggae“ oder „Insomnia“ orgelte der Alleinunterhalter. „Hat absolut nichts mit Metal zu tun“, räumte er ein, „aber ist mir jetzt auch scheißegal.“ Dann ließ er sich von den Fans mittels Stagediving an die Bar befördern.

2000 Fans beim Auftakt von Full Metal Mountain

Zum nächsten Halt rutschte man auf Board oder Ski: Den Hang runter wartete die Mountain Stage. Dort ging es bis zum Liftschluss richtig zur Sache. Da feierten beispielsweise die Lederhosen-Metaler von Tuxedoo den Release ihrer neuen Scheibe „Tales From the Rock Mass“. Deren Sound, sie nennen ihn „Alpencore“, passt samt den traditionellen Outfits zu dieser Veranstaltung wie die in den Himmel gestreckte Faust auf das alkoholgerötete Auge.

Am Fuße des Bergs, im beschaulichen Tröpolach, hatte man die Hauptbühne, das Full Metal Tent, platziert. Dort rockten Sabaton, Gamma Ray oder auch Eskimo Callboy. Bei Letzteren traten technische Probleme auf. „Das Einzige, was da hilft, ist, sich ordentlich einen hinter die Binde zu gießen“, sagte Sänger Sebastian „Sushi“ Biesler. Nach der Behebung heizten seine Jungs die Menge für den heiß erwarteten Headliner des Freitagabends ein: Heaven Shall Burn. „Die warten gerade hinter der Bühne und trinken ihre Chai Latte“, witzelte Sushi noch, bevor der wichtigste Repräsentant der deutschen Metalcoreszene die Manege betrat.

Von den hinteren Plätzen sah man die Herren aus dem thüringischen Saalfeld vor lauter Lichtshow mitunter kaum, doch glücklicherweise ließ es sich zumindest an den Seiten mühelos in die vordersten Reihen spazieren. „Formidabel, dass man bei solch namhaften Bands nur wenige Sekundenzeigerumdrehungen vor Konzertbeginn erscheinen und sich dem zum Trotze ganz vorn positionieren kann“, jubelte ein eloquenter Anhänger aus Frankfurt. Das galt auch für weitere Highlights wie die Bands In Extremo oder Accept. Anders als etwa beim Wacken Open Air, das jährlich gut 80 000 Gäste schluckt, waren zum Full Metal Mountain lediglich 2000 Fans angereist. Die Veranstalter sprechen von einer theoretischen 9000-Betten-Kapazität, waren mit dem Auftakt jedoch zufrieden und verkündeten die Fortsetzung zur gleichen Zeit im nächsten Jahr. Und es ist gut möglich, dass die gelungene erste Auflage eine Fanlawine auslöst.

Familiäre Atmosphäre begeistert Fans

Die hart gesottenen Damen und Herren jeden Alters zeigten sich zuvörderst von der familiären Atmosphäre begeistert: Sie trafen Szenestars wie John Connor, Sänger der Formation Dog Eat Dog, am Frühstücksbüfett im Hotel oder auf der Piste. Zudem leisteten die Avantgardisten astreine Aufklärungsarbeit: Einigen Einheimischen habe die Angst vor den bärtigen, langhaarigen Männern in Lederjacken zunächst Sorgen bereitet. Doch selbst Hippies hätten kaum friedlicher festen können, für die Polizei gab es nichts zu tun. Zur Optik sei generell noch gesagt: Die Mehrheit der Metalheads setzt mittlerweile auf geschorenes Haupthaar.

Am prägnantesten unterscheidet sich Full Metal Mountain von gängigen Campingfestivals in puncto Schlafenszeit. Warum? Während üblicherweise die größte sportliche Herausforderung darin besteht, vom Zelt zur Toilette zu wanken, ohne dabei in den Pavillon des Nachbarn zu krachen, zieht es die Metalfreunde schon in der Früh auf die Bretter. Das setzt eben ein paar Stunden Schlaf voraus. Perfekt für alle Nachteulen: Die bekamen im Cube, dem Untergeschossclub neben dem Hauptzelt, bis um 2 Uhr gehörig etwas auf die Ohren.

Am Abschlusstag verausgabten sich dort nochmals die russisch-österreichische Gruppe Russkaja. Selbige hat neben harten Stimmungstorpedos in russischer Sprache auch eine herrlich rotzige Variation von Aviciis „Wake Me Up“ im Repertoire. Wer allerdings das Après-Ski-Flair nicht missen wollte, setzte sich in die benachbarte Bärenhütte. Dort lief selbstredend Rammstein anstelle von DJ Ötzi. Dermaßen krass drauf sind dann halt doch nur klassische Skifahrer.