Wie sich die Überschriften gleichen: Schon vor mehr als 40 Jahren hat das Thema Luftverschmutzung die Menschen in Esslingen und den Gemeinderat bewegt.

Entscheider/Institutionen : Kai Holoch (hol)

Esslingen - „Die Esslinger Stadtluft ist schlechter als ihr Ruf.“ Sehr aktuell, das merken aufmerksame Leser sofort, kann dieses Zitat nicht sein. Denn wenn die Luft heute wirklich noch schlechter wäre, als das allgemein angenommen wird, wenn Feinstaubwerte und Stickstoffoxidkonzentration noch bedrohlicher wären, ließe sich die Umweltkatastrophe kaum abwenden.

 

Dass das Thema saubere Luft aber kein neues ist, macht ein Ausschnitt aus der „Stuttgarter Zeitung“ vom 15. Juni 1976 deutlich, den uns eine Leserin neulich in die Redaktion gebracht hat. Unter dem Titel „Esslinger Stadtluft macht krank“ berichtete unser langjähriger StZ-Kollege Helmar M. Heger von einer Sitzung des Technischen Ausschusses. Dieser Text begann mit eben jenem Eingangszitat. Wenn man dann weiter liest, kommt einem vieles ziemlich vertraut vor: Das „alles umfassende Atemgemisch, von dem es im Mittelalter noch geheißen hatte, es mache frei“, mache heute krank, bilanziert der Autor. Migräneanfälle und Bronchialerkrankungen seien die Folge schlechter, mit Schadstoffen wie Kohlenmonoxid, Schwefeldioxid und Stickstoffmonoxid angereicherter Luft. Besonders mies sei die Esslinger Luft bei bestimmten Witterungslagen, an Verkehrsknotenpunkten und zu Spitzenzeiten in der Heizperiode.

Die Lage hatte sich dramatisch verschärft

Die „mit empfindlichen Nasen ohne weiteres zu erschnüffelnde“ schädliche Luft wurde damals auch wissenschaftlich untersucht und die Ergebnisse in jener Ausschusssitzung von zwei Fachleuten der Universität Hohenheim vorgestellt. Demnach habe es in den Sommern 1974 und 1975 noch Anlass zu Optimismus gegeben, weil die Langzeit-Immissionswerte bei Schwefeldioxid und Kohlenmonoxid nicht überschritten worden seien. Im Winterhalbjahr 1975/76 jedoch hatte sich die Lage dramatisch verschärft. Damals wurden „die Überschreitung der toxischen Grenzwerte festgestellt“, die in Esslingen zu einer „stärkeren Beeinträchtigung der Stadtumgebung“ geführt habe.

Die Wissenschaftler kamen zu dem Ergebnis, dass sich in Esslingen wegen der „ausgeprägten Tallage spezielle Wetterlagen durch Anreicherung von Schadstoffen zusätzlich auf den Gesundheitszustand auswirken.“ Deshalb zeigten empfindliche Personen „schon vor Überschreitung bestimmter maximaler Konzentrationsdauerwerte Anzeichen von Migräne, Kopfweh und Ähnlichem.“ Die am Neckar damals verstärkt auftretende Nebelbildung wandle Schwefeldioxid in Schwefelsäure um, was wiederum „eine signifikante Steigerung von Bronchialkrankheiten verursacht“.

Umweltfreundliche Lösungen als Ziel

Die Wissenschaftler kamen damals zu dem Fazit, dass die Immissionssituation infolge der ständigen Ausweitung der Industrieproduktion nicht verharmlost werden dürfe. Die Stadt solle „bei der Ansiedlung von Industrie, Wohnbau und Straßenanlagen möglichst umweltfreundliche Lösungen anstreben“. Der damalige Esslinger Baudirektor Hans-Joachim Bohnacker kündigte in der Sitzung an, die Stadt werde durch entsprechende Weichenstellungen wieder „für frischen Wind im Tal sorgen. Unser Ziel muss die gute Durchlüftung der Stadt sein“, erklärte Bohnacker. Im Artikel des Kollegen Heger heißt es weiter: „Das setzt voraus, dass auch nicht eine Frischluftschneise mehr durch Neubauten blockiert wird. Darüber hinaus erhalten staubfangende und sauerstoffspendende Bäume noch stärkere Bedeutung als bisher.“ Der Wunsch nach mehr Bäumen sei berechtigt.

42 Jahre später kann Katja Walther, die aktuelle Sachgebietsleiterin Nachhaltigkeit und Klimaschutz in der Esslinger Stadtverwaltung, über diesen Bericht durchaus schmunzeln. „Im Unterschied zu damals messen wir heute aber nur noch zwei Werte, den für Stickstoffdioxid und für Feinstaub“, erläutert sie . Beim Feinstaub habe Esslingen in den vergangenen beiden Jahren mit jeweils 26 Tagen mit zu hohen Werten glücklicherweise noch unterhalb der zulässigen 35-Tage-Grenze gelegen. Beim Stickstoffdioxid habe die Stadt aber mit 54 Mikrogramm im Jahresdurchschnitt 2016 und 48 Mikrogramm im vergangen Jahr allerdings über den zulässigen 40 Mikrogramm gelegen.

Ein Fahrverbot droht zumindest bis zur Revisionsverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht Ende Februar zwischen der Deutschen Umwelthilfe und der Stadt Düsseldorf nicht. Aktuell sei das Regierungspräsidium Stuttgart aber daran, auch für Esslingen einen Luftreinhalteplan zu erarbeiten. Die Stadt selber bereite sich mit einem Masterplan auf die drohenden Szenarien vor. Katja Walther: „Natürlich haben auch wir, wie die Kollegen in den 1970-er Jahren, das Ziel, die Luft in Esslingen besser zu machen.“