Weniger Pfarrstellen, weniger Gemeinden, weniger Mitglieder: Die drei evangelischen Kirchenbezirke Leonberg, Böblingen und Herrenberg werden fusionieren. Jetzt wurden die Leonberger Vertreter für eine Steuerungsgruppe bestimmt, die die Fusion mitgestalten soll. 130 000 Gemeindeglieder im Kreis Böblingen sind betroffen.
In der evangelischen Kirche bleibt derzeit kaum ein Stein auf dem anderen: Pfarrstellen werden gekürzt, Gemeinden gehen zusammen, Gebäude stehen zur Disposition. Und noch dazu soll es auch auf Verwaltungsebene einschneidende Veränderungen geben. Die drei Kirchenbezirke Böblingen, Herrenberg und Leonberg werden fusionieren. Ein genauer Zeitpunkt ist noch nicht festgelegt, doch die Landeskirche würde den Prozess gerne in etwa zwei Jahren abgeschlossen haben.
Die Idee: Aus drei mach zwei oder einen Kirchenkreis mit einem Co-Dekanat. So sieht der Fahrplan aus. Um diesen Übergang so reibungslos wie möglich zu gestalten, setzt der Oberkirchenrat der Landeskirche Württemberg auf eine Steuerungsgruppe. Ihr Thema ist die Neustrukturierung der Kirchenbezirke im Landkreis Böblingen. Auf ihrer Tagung am Freitagabend im Gemeindehaus Friolzheim hat die Bezirkssynode die Teilnehmenden aus dem Kirchenbezirk Leonberg bestimmt.
Der Steuerungsgruppe gehören neben den drei Dekanen, den Vorsitzenden der Bezirkssynoden sowie Pfarrern und Laien aus den Kirchenbezirken auch Vertreter und Juristen des Oberkirchenrats an. Dieser führt die landeskirchliche Verwaltung. Er ist ein Kollegium, dem Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl vorsteht. Er führt den von der Landessynode beschlossenen Haushaltsplan aus, erlässt Verordnungen und ist zuständig für kirchliches Recht.
Als 1809 der frischgebackene württembergische König Friedrich sein stark angewachsenes Territorium administrativ neugestaltete, hatte er auch die Einzugsbereiche der Dekanate Leonberg (in der General-Superintendenz Maulbronn) sowie Böblingen und Herrenberg (in der General-Superintendenz Tübingen) festgeschrieben. Diese Struktur hatte mehr als 200 Jahre Bestand. Nun nicht mehr.
Im Landkreis gibt es bislang drei evangelische Kirchenbezirke: den Leonberger mit etwa 41 000 Gemeindegliedern, den Böblinger (rund 52 000) und den Herrenberger (um die 38 000). Diese drei werden wohl um eine Fusion nicht drum herumkommen.
In Herrenberg ist der Transformationsprozess voll im Gange, denn im Sommer hatte der Oberkirchenrat den überraschten Herrenbergern kurzfristig mitgeteilt, dass die Dekanstelle nicht wieder besetzt wird, nachdem Eberhard Feucht Ende des Jahres 2023 in Ruhestand gegangen war. Diese Art der Kommunikation hatte einen Sturm der Entrüstung bei den Mitgliedern der Kirchengemeinderäte und der Bezirkssynode zur Folge. Schließlich lenkte die Landeskirche ein, indem sie einem Übergangsmodell mit einem Interims-Dekan zustimmte.
Bis 2029 soll ein Konzept für die Fusion entwickelt werden
Von Leonberger Seite werden der Steuerungsgruppe die Dekanin Gabriele Waldbaur, der Bezirkssynoden-Vorsitzende Thomas Vogel, der Pfarrer und stellvertretende Dekan Jochen Haas sowie als Laie, Wolfgang Fauth, aus der Würmtal-Gemeinde angehören. Die schwierige Aufgabe der Steuerungsgruppe wird es sein, bis zum 1. Januar 2029 ein Konzept für eine Fusion auf Augenhöhe zu entwickeln.
Fest steht: Bis 2030 fallen in der Landeskirche rund 28 Prozent der Pfarrstellen weg, aber bislang ging das an der mittleren Leitungsebene vorbei. Nach Auffassung der Landessynode und des Oberkirchenrats könne der Rückgang der Zahlen im Pfarrdienst nicht alleine auf den Schultern der Kirchengemeinden liegen. Die Kirchenadministration geht davon aus, dass etwa 15 mit dem Dekanatsamt verbundene Pfarrstellen zur Verteilung frei werden. Zudem verliert die Landeskirche im Schnitt jährlich etwa so viele Gemeindeglieder, wie ein größerer Kirchenbezirk ausmacht.
Zwischen 30 000 und 70 000 Gemeindeglieder groß
Sinkt also die Anzahl der Pfarrstellen, haben die Dekanatsämter weniger davon zu betreuen und zu beaufsichtigen. Damit wird auch die Zahl der Kirchengemeinden kleiner, die zu betreuen ist. Ein anderes Problem ist, dass die „großen Jahrgänge“, die bisher zahlreiche Pfarrerinnen und Pfarrer gestellt haben, bis 2030 in den Ruhestand gehen.
In die Gespräche nimmt die Steuerungsgruppe als Richtgröße für funktionierende Kirchenbezirke die auf der Landessynode 2012 diskutierte Zahl zwischen 30 000 und 70 000 Gemeindegliedern mit. Der Kirchenbezirk Tübingen mit etwa 78 000 Gemeindeglieder wird von einer Dekanstelle aus geleitet und gilt als Referenzwert. Motto: Das ist noch zu schaffen. Auch die Zusammenfassung der Kirchenbezirke auf dem Gebiet eines Landkreises wäre eine Option. Als Zeitpunkt einer Fusion kommt das Ende der Amtszeit oder der Eintritt in den Ruhestand einer Dekanin oder eines Dekans in Frage.