Ungeschriebenes Fußballer-Gesetz: Im Herbst, wenn die Blätter von den Bäumen fallen, purzeln auch die ersten Trainer von ihren Stühlen. Da macht die Fußball-Bezirksliga Stuttgart/Böblingen keine Ausnahme. Seit diesem Spieltag ist der erste Rauswurf der Saison perfekt: Der weiterhin sieglose Tabellenvierzehnte Croatia Stuttgart hat sich von seinem erst im Juli eingestiegenen Coach Josip Radeljic getrennt. Die sonstigen Schlagzeilen vom Sonntag? Während an der Spitze des Klassements der TV Darmsheim bereits zu enteilen droht, hat die Spvgg Cannstatt mit zwei Traumtoren den Höhenflug des Aufsteigers TSV Jahn Büsnau gestoppt. Und: Für zwei Mannschaftskapitäne dürfte die Hinrunde bereits beendet sein. Endstation Krankenhaus.
TV Echterdingen II – Croatia Stuttgart
Die bittere Zugabe an einem eh schon düsteren Sonntag kam für Croatia Stuttgart eben aus dem Hospital. Die Befürchtungen im Fall des Spielführers und Torjägers Duje Tokic haben sich bestätigt: ein mehrfacher Bänderriss im Sprunggelenk. Der wichtigste Kicker fällt damit langfristig aus. Also auch das noch. Doch rückt diese Hiobsbotschaft in Anbetracht der weiteren Ereignisse beim Vorjahresaufsteiger in den Hintergrund. Nach der 2:4-Niederlage beim TV Echterdingen II und dem zugleich siebten Saisonspiel ohne Sieg hat der Verein die Reißleine gezogen. Abpfiff für den Trainer Josip Radeljic nach gerade einmal drei Monaten im Amt. Der mit 29 Jahren jüngste Coach der Staffel ist seinen Job los, noch ehe er in diesem richtig angekommen ist. Für ihn quasi ein Platzverweis nach dem Platzverweis. Zuvor, während der aktuellen Partie, hatte Radeljic an seinem persönlichen „Shit-happens-Tag“ bereits von der Schiedsrichterin wegen Meckerns die rote Karte gesehen.
Freilich, vonseiten seines Clubs waren die K.-o.-Gründe andere. „Die Ergebnisse und auch die Entwicklung der Mannschaft haben nicht gestimmt“, sagt Mirko Perkovic. Gemessen an der Qualität des Kaders, habe man schlicht ein besseres Abschneiden erwartet.
Richten sollen es nun stattdessen der eigentliche Spielleiter Niki Oroz und Perkovic selbst. Oroz springt zum zweiten Mal in diesem Kalenderjahr als Interimstrainer ein. In der Endphase der vergangenen Saison hat er bereits für den damals zurückgetretenen Mirko Sapina übernommen. Und Perkovic behält seine Rolle als spielender „Co“. Vorgesehen ist dieses Konstrukt zumindest bis zur Winterpause. „Dann schauen wir weiter“, sagt Perkovic, dessen Team am Sonntag hadern durfte. Einigkeit herrschte am Ende auf beiden Seiten, dass ein höchst fragwürdiger Elfmeter die Begegnung entschieden hatte, und zwar gegen Croatia. Der Echterdinger Johannes Kienzle sank nach einem Trikotzupfer zu Boden, Felix Steyer verwandelte. „Dieses dritte Gegentor war der Genickbruch für uns“, konstatiert Perkovic – während selbst der gegnerische Trainer Sascha Blessing einräumt: „Wir hätten uns nicht beschweren können, wenn es keinen Pfiff gegeben hätte.“
So oder so war sein Spieler Kienzle der Matchwinner. Zuvor hatte der Außenangreifer bereits zweimal nach Vorarbeit von Mischa Inthasane eingenetzt. Gut kompensiert haben die Gelb-Schwarzen somit, dass ihr eigentlicher Torjäger fehlte. Flon Ajvazi stand erstmals bei der eigenen ersten Mannschaft in der Startformation.
Was lädierte Kapitäne betrifft, wurde indes der ASV Botnang zum Croatia-Schicksalsgenossen. Auch für dessen Anführer Mirlind Kamberi endete der Fußballtag in der Patientenaufnahme. Und auch bei ihm sind es die Bänder im Fuß. Zwar „nur“ angerissen, aber sein Coach Alexander Schweizer geht von sechs Wochen Pause aus. Hinzugerechnet der inzwischen diagnostizierte Bandscheibenvorfall des Keepers Robin Fast und Marouan Abarriches noch nicht näher bestimmte Knöchelblessur, ist es ein ordentliches Päckchen, das der Aufsteiger gerade zu tragen hat. „Drei Ausfälle, die uns sehr weh tun“, sagt Schweizer. Und in Anbetracht von denen das Spielergebnis beinahe zur Nebensache geriet.
Das 2:3 beim Spitzenreiter und Landesliga-Absteiger TV Darmsheim? War einkalkuliert – zuletzt aber doch ärgerlich. Nach einem Drei-Tore-Rückstand kämpften die Botnanger sich mit viel Schweiß in die Begegnung zurück. Allein: der finale Lohn blieb ihnen verwehrt. „Geht es fünf Minuten länger, holen wir noch einen Punkt“, ist Schweizer überzeugt. Zuvor hatte sich sein Ersatz-Schlussmann verschätzt: Erik Strube kam beim Klärungsversuch weit vor seinem Kasten zu spät. Der gegnerische Topscorer Simon Lindner sagte „Danke“, umkurvte Strube und schoss den Ball ins leere Tor – für den ehemaligen Oberliga-Kicker des FSV 08 Bietigheim-Bissingen bereits sein elfter Saisontreffer.
In der Tabelle liegen Lindner und die Seinen inzwischen fünf Punkte vorn. Aufgepasst also bei den Verfolgern, dass ihnen da nicht einer vorzeitig die Hacken zeigt. Beispiel etwa SV Vaihingen, für den es nun am nächsten Sonntag eben gegen die Darmsheimer bereits zu einem Schlüsselspiel kommt. Einstweilen mussten sich die Schwarzbachkicker beim VfL Herrenberg mit einem Unentschieden begnügen. Ein 2:2, über das der Trainer Tim Schumann mit Blick auf die Umstände allerdings nicht klagen will. Im Vorfeld hatte die derzeit umgehende Grippe- und Erkältungswelle die Vaihinger Reihen gelichtet. Maximilian Stockbauer, Tyron Ferrari, David Hug, Micha Müller – alle krank. Hinzu kommt, dass der Youngster Niko Kemner, vor Wochenfrist noch zweifacher Torschütze, nur noch unregelmäßig zur Verfügung steht. Stichwort Semesterbeginn. Er studiert in Freiburg.
„Die Spieler, die wir auf dem Platz hatten, haben alles investiert. Aber manches können wir nicht mehr ersetzen“, sagt Schumann. Auch nicht gegen einen Gegner, der seinerseits mit sieben Greenhorn-Kickern begann, die erst in diesem Sommer von der A-Jugend zu den Männern aufgerückt sind. Ärgernis für die Vaihinger Gäste: Beim ersten Gegentor stand der Schütze aus Schumanns Sicht „fünf Meter im Abseits“. Sein eigenes Team führte zweimal, beide Male unter direkter Beteiligung von Maximilian Eisentraut. Der Oldie (36) legte erst auf, dann traf er selbst.
Einen Punkt vor den Vaihingern hat sich ein Trio platziert, darunter die Spvgg Cannstatt und der TSV Jahn Büsnau, deren direktes Duell am Sonntag 3:1 endete. Sprich: der Favorit hat den Höhenflug des kessen Klasseneulings fürs Erste gestoppt. Dass der Weg dazu ein eher unansehnlicher war – geschenkt. „Unser Matchplan ist aufgegangen“, sagt der Cannstatter Trainer Damian Nagler. Allein das zählte. Taktik und Personal richtete der Coach vor allem daran aus, der Torfabrik des Gegners den Stecker zu ziehen. Die Devise bei der Aufstellung lautete: mehr Malocher, weniger Ballkünstler.
Wobei: zwei furiose Ausnahmen gab es im von Nagler erkannten „Rasenschach“ sowie Kampf-und-Krampf-Spiel dann doch. Welch toller Doppelschlag der Gastgeber zur Führung! Erst chippte Benjamin Nimigean den Ball mit dem Außenrist aus 20 Metern über den Gästekeeper ins Tor. Dann jagte der Spanier Aimar Lizoain Garayoa einen Freistoß ungestreift in den Dreiangel.
„Für uns war es auf einem brutalen Acker ein schwieriges Spiel“, sagt demgegenüber der Büsnauer Torjäger Sebastian Lenhardt und räumt anerkennend ein: „Cannstatt hat mit viel Herzblut verteidigt.“ Daran änderte sich auch nichts, nachdem der renommierteste Abwehrrecke der Gastgeber früh vom Platz gehumpelt war: Markus Lurz zwickte es in der Wade.
Selten einmal, dass Lenhardt und sein Team in einem Spiel zu so wenig Torchancen kamen. Letztlich bissen sie sich am Gegner die Zähne aus. Nahuel Cascia Ricas zwischenzeitlicher Anschlusstreffer blieb die einzige Ausbeute. Immerhin, auch diese im sonst glanzlosen Tun durchaus sehenswert: In diesem Fall war es ein Flugkopfball.
Benjamin Nimigean (links) traf in Tor-des-Monats-Manier zur Cannstatter Führung. Rechts: der Büsnauer Noah Azizu Anaba. Foto: Günter Bergmann
SV Rohrau – TSV Musberg
Der Dritte im Bunde der gleichauf hastenden Verfolger heißt derweil TSV Musberg. Vor zwei Wochen noch Überraschungserster, hat die Mannschaft des Trainers Christopher Eisenhardt inzwischen Federn gelassen. Der ersten Saisonniederlage gegen die Spvgg Holzgerlingen ist an diesem Sonntag gleich die zweite gefolgt, diesmal ein 1:4 im Auswärtsspiel beim Landesliga-Absteiger SV Rohrau. Relativieren sich die Dinge also gerade? Nach Anfangshurra nun zurück im Alltagsgeschäft?
„45 Minuten lang haben wir wenig zugelassen und auch in der Spieleröffnung gute Ansätze gezeigt. Da hätte ich nie gedacht, dass das Spiel so ausgehen wird“, sagt Eisenhardt. Auch, weil Julien Kappeler per Freistoß der Ausgleich gelungen war. Dann aber wurde es vor allem für einen Musberger noch ein Nachmittag, den er wohl lieber aus seiner Matchbilanz streichen würde. Der Torhüter Pascal Runge machte bei allen drei weiteren Gegentreffern eine, vorsichtig ausgedrückt, unglückliche Figur. Erst kullerte ihm der Ball durch die Beine, dann fiel ihm die Kugel nach einem Eckstoß des Gegners aus den Händen, und schließlich verursachte er auch noch einen Elfmeter. „Er weiß selbst, dass wir das von ihm besser kennen“, sagt Eisenhardt, der gleichwohl an seiner Rollenverteilung zwischen den Pfosten festhalten will. Heißt: wechselweise Einsatzzeiten für beide Keeper seines Aufgebots. Runge, zusätzlich bittere Note für ihn, war gerade erst für dieses Spiel in die Startelf zurückgekehrt. Zuvor hatte sich drei Wochen lang sein Mitstreiter Giorgio Alber bewähren dürfen.
SV Bonlanden – TSV Dagersheim
Bleibt aus Stuttgart/Filder-Sicht noch der SV Bonlanden – der schlecht gestartete vormalige Titelfavorit, dem nun immerhin sein zweiter Saisonsieg gelungen ist. Darüber „Erleichterung“, sagt der Trainer Carmine Napolitano, auch wenn zur eigentlich erhofften Form nach wie vor einiges fehlt. Beim 3:2 gegen den Aufsteiger TSV Dagersheim mussten die Filderstädter zuletzt noch gehörig zittern. Ein Toredoppelschlag aus der ersten Hälfte durch Agonis Berisha in Arjen-Robben-Manier sowie Lukas Tschentscher per Drehschuss hätte sich beinahe als zu dünnes Polster herausgestellt. Am Ende konnten Napolitano und die Seinen froh sein, dass der Schiedsrichter nicht auf Strafstoß entschied. Yannic Poet hatte im Luftduell seinen Gegenspieler abgeräumt.
Ergebnis für Poet: ein Brummschädel. Ergebnis für Bonlanden: drei wichtige Punkte. Kuriose Randnotiz: Warum Poet bei den Bonlandenern inzwischen eigentlich die Kapitänsbinde trägt? Entschieden hatte sich Napolitano nach dem Ausstieg von Jonathan Baur (wie berichtet auf Weltreise) eigentlich für den Torhüter Luca Wiedmann. Jedoch, der wollte nicht. Begründung laut Coach: Der Stofffetzen am Arm sei ein Störfaktor für ihn. Wohl Napolitanos Kickern, wenn dies von jetzt an ihre einzigen „Sorgen“ sind.