Fußball-Bezirksliga Nach Trikot-Streit: Acht-Tore-Spektakel im Spitzenspiel

Doppeltorschützen am neunten Spieltag. Von links: Johannes Schneider (TSV Jahn Büsnau), Claudio Caruso (Spvgg Cannstatt) und Agonis Berisha (SV Bonlanden). Foto: Archiv/Günter Bergmann

Alles zum 9. Spieltag: mit einer „Frechheit“ aus Büsnauer Sicht, einem Botnanger Auftritt in VfB-Manier und einem Cannstatter Spieler, der es seinem Trainer zeigt.

Lokalsport : Franz Stettmer (frs)

Wie das Wetter, so auch der Fußball: Es ist in der Bezirksliga Stuttgart/Böblingen ein stürmisch-krawalliger Sonntag geworden. Angefangen bei einem Trikot-Streit und Acht-Tore-Spektakel im Spitzenspiel zwischen dem TV Darmsheim und dem TSV Jahn Büsnau. Fortgesetzt mit den nächsten Siegen der immer besser in Tritt kommenden SV Bonlanden und ASV Botnang, in deren beiden Spielen es allein fünf Elfmeter gab. Bis zu einem bedienten Musberger Trainer Christopher Eisenhardt. Der Vorwurf, der im Raum steht: Lässt ihn seine neue Mannschaft gerade im Stich?

 

TV Darmsheim – TSV Jahn Büsnau

Letzteres kann Dominik Lenhardt, der Amtskollege beim TSV Jahn Büsnau, von den Seinen definitiv nicht behaupten – gleichwohl auch er den Spieltag mit einem dicken Hals beendete. Ursache war weniger die zweite Saisonniederlage seines Aufsteigerteams, das sich im mit Spannung erwarteten Gipfelduell in Darmsheim mit 3:5 geschlagen geben musste. Aber eine Szene regte Lenhardt auch am Tag danach noch auf, und beim Videostudium sogar noch etwas mehr. Erste Spielhälfte: Büsnauer Angriff, sein Bruder Sebastian legt den Ball am Gegner vorbei und hat somit freie Bahn zum Tor. Dann ein Schlag, ein Sturz. Statt Trefferjubel dies: Lenhardt, der Jüngere, am Boden. Notbremse also? „Ein klarer Fall von roter Karte“, findet der Trainer. Dass der Schiedsrichter hingegen gar nicht pfiff, kommentiert er knapp in zwei Worten: „Eine Frechheit.“

Wäre die Begegnung sonst ganz anders gelaufen? Klären lassen wird sich dies freilich nicht mehr. So jedenfalls hatte sie ihren bereits zweiten Streitmoment. Der erste hatte sich bereits vor dem Anpfiff ereignet. Beide Mannschaften konnten sich nicht auf die Trikotfarben einigen. Dunkelblau gegen Schwarz – das ging natürlich nicht. Nach längerem Hin und Her mussten die Gastgeber Leibchen überziehen und gingen ihrerseits mit bereits „ordentlicher Krawatte“ ins Spiel, wie Lenhardt es formuliert.

Die Partie an sich? 45 Minuten lang zeigten die Darmsheimer, warum sie an der Tabellenspitze stehen – zweite 45 Minuten lang hingegen unterstrichen die Büsnauer, dass ihre bisherige Überraschungssaison kein Zufall ist. Den Unterschied machte letztlich die Chancenverwertung. Jene des Landesliga-Absteigers war top, die des letztjährigen Noch-A-Kreisligisten ausbaufähig. Mit drei nahezu identischen Treffern, jeweils coolen Lupfern über den Keeper, drehte der Favorit innerhalb von nur fünf Zeigerumdrehungen das Spiel und gab seine Führung danach nicht mehr her. Während auf der einen Seite der Schützenlisten-Führende Simon Lindner sein bereits 14. Saisontor erzielte, verkürzte auf der anderen der Oldie Johannes Schneider (40) für die Gäste nur noch zweimal. „Da hat man dann auch die individuelle Klasse des Gegners gesehen“, sagt Lenhardt. Fazit von ihm: „Ein weinendes Auge, weil für uns mehr drin war. Ein lachendes Auge, weil wir gegen so eine Mannschaft mitgehalten haben.“

ASV Botnang – SV Vaihingen

Damit liegen die Büsnauer indes im Trend. Auch der zweite Stuttgarter Aufsteiger der Staffel, der ASV Botnang, setzt weiterhin Duftmarken. Aktuell stutzte er im Derby den SV Vaihingen mit 2:1 zurecht und baute damit seine tolle Heimserie aus. Jene steht nun bei 21 Siegen und drei Unentschieden. Seit März 2024 haben die West-Stuttgarter zuhause an der Furtwängler Straße kein Ligaspiel mehr verloren.

„Wir haben uns erneut auf unsere Tugenden verlassen können: Zusammenhalt, Kulisse, 100 Prozent Leistungsbereitschaft von jedem“, sagt der Trainer Alexander Schweizer, der obendrein ein glückliches Händchen bewies. Erstmals in dieser Saison beorderte er Felix Dieringer in seine Startformation. Und wer traf zur Führung? Richtig, Dieringer. Der Ex-Stammheimer und sein Torhüter-Kollege Erik Strube machten es wie der VfB. Tenor: Was ein Nübel und Undav können, können wir auch. Weiter Abschlag, kurze Ballannahme, und zack – ab mit der Kugel ins Tor.

Am Ende ließ sich für die Botnanger verschmerzen, dass allein ihr Angreifer Louis Steinbach vier weitere Großchancen vergab. Einziger echter Wermutstropfen: In Madi Ceesay steht inzwischen der nächste Leistungsträger auf der Ausfallliste. Im Training umgeknickt, Krücken seitdem. Eine Diagnose steht noch aus.

Demgegenüber fehlte bei den Vaihingern der Trainer Tim Schumann (Magen-Darm-Infekt) ein zweites Mal. Und anders als vor Wochenfrist, als sein Team noch den Spitzenreiter Darmsheim mit 6:3 rasiert hatte, blieben die sportlichen Genesungswünsche aus den eigenen Reihen diesmal aus. Schumanns Analyse vom Bildschirm: „Viel Ballbesitz für uns, aber wir sind nicht so richtig in Abschlusssituationen gekommen.“ Anders gesagt: die Torfabrik hatte Pause. Wobei sich der Coach eine kleine Spitze in Richtung all jener, die bereits im Euphorie-Hoch geschwelgt haben mögen, nicht verkneift. „Manch einer hat ja wohl bereits gedacht, dass wir nun bis Winter nur noch gewinnen“, sagt er, „mir war immer klar, dass das nicht so sein wird“. So viel zum Thema Bodenhaftung und Realismus.

Allemal hadern ließen beim nun Tabellenfünften aber das erwähnte erste Gegentor, bei dem sich Nick Rudloff verschätzte, sowie eine rote Karte aus Durchgang zwei. Vincent Moser hatte nach einem Trikotzupfer als letzter Mann vorzeitig Feierabend. In Unterzahl reichte es nur noch zum Handelfmeter-Anschlusstor von Tyron Ferrari.

Spvgg Cannstatt – TSV Musberg

Bester Stuttgart/Filder-Starter im Klassement ist nun die Spvgg Cannstatt. Deren Matchwinner beim 2:1-Sieg gegen den TSV Musberg hießen Talha Kavak und Claudio Caruso. Der eine bereitete zweimal stark vor, der andere netzte zweimal ein. Ein Schelm dabei, wer es als Gruß an seinen Trainer interpretiert. Jener, Damian Nagler, hatte dem Youngster zuletzt eine Denkpause auferlegt. Bankplatz statt Fußballplatz, ehe sich Caruso obendrein am Sprunggelenk verletzte. Nun also das Startelf-Comeback. „Ich war mit seinen Leistungen nicht so zufrieden gewesen, aber jetzt hat er sich super zurückgemeldet“, sagt Nagler. Zusatz mit einem Grinsen: „Kann schon sein, dass er es vor allem mir zeigen wollte.“

Insgesamt geht der Cannstatter Marschplan gerade auf. Bezahlt macht sich Naglers Umstellung auf eine defensivere Spielweise. Oder, wie es der Coach sagt: „Weniger Bolzplatzmentalität; es geht darum, im Spiel gegen den Ball unangenehmer und ekliger für die Gegner zu sein.“

Der aktuelle, die Musberger, offenbarte nach Einschätzung seines Trainers eben in diesem Bereich ein Defizit. „Es reicht in dieser Liga nicht, ein bisschen schön mitzuspielen und sein Potenzial nur anzudeuten“, knurrt Christopher Eisenhardt. Umso mehr verhagelte es ihm die Laune, weil es für ihn selbst somit zum zweiten Mal innerhalb von elf Tagen mit persönlichem Hintergrund schief gegangen ist: erst Echterdingen, nun Cannstatt – zwei Schlappen gegen Ex-Vereine von ihm. Die Neckarstädter hat er in der vergangenen Saison noch auf Platz drei geführt, ehe er sein Amt dort „schweren Herzens“ wegen neuer beruflicher Umstände niederlegte. Der Blick auf sein jetziges Team? „Von dem fühle ich mich gerade etwas im Stich gelassen“, sagt Eisenhardt. Nach dem Traumstart in die Saison ist am Turnerweg mit mittlerweile vier Liganiederlagen in Serie Ernüchterung eingekehrt.

SV Nufringen – SV Bonlanden

Umgekehrt verläuft derweil die Formkurve des SV Bonlanden. Dessen Zähler steht nach dem 4:0 beim SV Nufringen bei zehn Punkten aus den vergangenen vier Spielen. „Seitdem wir zusammen auf dem Wasen waren, läuft’s“, konstatiert der Trainer Carmine Napolitano mit einem Lachen. Freilich, außer dem Bierkrug-Push gibt es auch noch ein anderes Erfolgsrezept: Anders als zum Rundenbeginn sind inzwischen fast alle Schlüsselspieler an Bord, ausgenommen an diesem Sonntag nur der Ex-Profi Giancarlo Pinna (muskuläre Probleme). Dagegen gab der oberligaerprobte Neuzugang Christian Weiller (23, früher TSG Backnang) sein Debüt – für den Außenangreifer der erste Einsatz nach elfmonatiger Knie-Verletzungspause. „Wir bauen ihn langsam auf“, sagt Napolitano, ist sich aber bereits sicher: „An ihm werden wir noch viel Freude haben.“

So wie am Torjäger Agonis Berisha. Der erzielte aktuell seine Saisontreffer Nummer sieben und acht. Den neunten ließ er per Elfmeterfehlschuss liegen. Auch der Gegner scheiterte vom Punkt, in seinem Fall am Bonlandener Schlussmann Luca Wiedmann. Napolitanos Kommentar zur Tatsache, dass es zu Platz zwei gerade mal noch drei Zähler Abstand sind? „So wie wir nach dem fünften Spieltag nicht in Depression verfallen sind, so machen wir jetzt nicht gleich Party.“

TV Echterdingen II – SV Deckenpfronn

Das gilt auch beim TV Echterdingen II, der ebenfalls gerade das Feld von hinten aufrollt. Und, noch eine Parallele: auch die Gelb-Schwarzen mit einem Knipser, der sich in bester Trefferlaune präsentiert. Beim 3:1 gegen den SV Deckenpfronn machte erneut Johannes Kienzle den Türöffner. Schon nach zwei Minuten war er mit dem Kopf zur Stelle, womit er im internen Schützenranking mit dem inzwischen zur ersten Mannschaft beförderten Flon Ajvazi gleichgezogen hat. Sieben und sieben. „Er ist ein sehr mannschaftsdienlicher Spieler, der sich seine Tore erarbeitet“, lobt der Trainer Sascha Blessing seinen flexibel einsetzbaren Angreifer. Gespielt hat Kienzle auch schon auf der rechten Außenbahn und der Achterposition.

Schreckmoment der letztlich verdient gewonnenen Begegnung: Luka Koneski traf seinen Gegenspieler Matthias Mergel mit hohem Bein am Kopf. „Keine böswillige Aktion“, sagt Blessing, die für den Gästeakteur aber eine blutenden Platzwunde bedeutete.

VfL Herrenberg – Croatia Stuttgart

Bleibt noch der Blick in den Tabellenkeller – wo am Sonntag Steine der Erleichterung gefallen sind. Im neunten Anlauf hat es endlich geklappt: der erste Saisonsieg für Croatia Stuttgart. War das 0:0 zuletzt in Cannstatt schon ein guter Schritt gewesen, so könnte mit dem 2:1 beim VfL Herrenberg nun überhaupt der Turnaround gelungen sein – so jedenfalls die Hoffnungen bei Niki Oroz, der in seiner neuen Doppelrolle als Spielleiter und seit zwei Wochen zusätzlich Trainer für den Aufschwung verantwortlich zeichnet. „Es war ein schwieriges Spiel. Für mich verwunderlich, dass der Gegner in der Tabelle so weit unten steht. Aber jetzt sind wir sehr happy“, sagt Oroz, für dessen Elf Robert Maric nach „Traumpass“ von Mandip-Pal Singh den entscheidenden Treffer beisteuerte.

Was zusätzlich Mut macht: Am nächsten Wochenende endet eine logistische Durststrecke. Nach zuletzt acht Auswärtsauftritten am Stück werden die Kroaten erstmals wieder ein Heimspiel bestreiten. Der neue Kunstrasen auf ihrem Sportgelände am Frauenkopf ist fertig. Und, wie es der Zufall des Spielplans will, der Gegner könnte kaum passender sein: Der Spitzenreiter Darmsheim kommt. Wie sagt Oroz? „Die Cevapcici sind eisgekühlt. Wir sind bereit.“

Statistik zum 9. Spieltag

TV Echterdingen II – SV Deckenpfronn 3:1. Tore: 1:0 Kienzle (2.), 1:1 Wunsch (3.), 2:1 Inthasane (9.), 3:1 Gaspar (79.). Besonderes: Gelb-Rot für Kreidl (Deckenpfronn, 63.)

SV Nufringen – SV Bonlanden 0:4. Tore: 0:1 Berisha (4.), 0:2 Krasniqi (60.), 0:3 Berisha (65.), 0:4 Kaligiannidis (90.+3, Foulelfmeter). Besonderes: Wiedmann (Bonlanden) wehrt Foulelfmeter von Llinares Tomas ab (30.); Busam (Nufringen) wehrt Foulelfmeter von Berisha ab (49.)

Spvgg Holzgerlingen – VfL Oberjettingen 5:1. Tore: 0:1 Dengler (5.), 1:1 Kislat (10.), 2:1 Horn (40.), 3:1 Hamm (81.), 4:1 Hamann (89.), 5:1 Kislat (90.+3). Besonderes: Schaible (Oberjettingen) wehrt Foulelfmeter von Horn ab (22.)

ASV Botnang – SV Vaihingen 2:1. Tore: 1:0 Dieringer (41.), 2:0 Daniel Schweizer (59.), 2:1 Ferrari (75., Handelfmeter). Besonderes: rote Karte für Vincent Moser (Vaihingen, 72./Notbremse); Ilhan (Botnang) schießt Foulelfmeter übers Tor (89.)

TV Darmsheim – TSV Jahn Büsnau 5:3. Tore: 0:1 Sebastian Lenhardt (18., Foulelfmeter), 1:1 Esteves (25.), 2:1 Zweigle (27.), 3:1 Esteves (29.), 3:2 Schneider (54.), 4:2 Lindner (57.), 4:3 Schneider (71.), 5:3 Zweigle (75.). Besonderes: –

Spvgg Cannstatt – TSV Musberg 2:1. Tore: 1:0 Caruso (38.), 2:0 Caruso (49.), 2:1 Pinheiro Martins (70.). Besonderes: –

SV Rohrau – TSV Dagersheim 3:0. Tore: 1:0 Simon Kamm (52.), 2:0 Di Leo (60.), 3:0 Müsel (90.+1., Foulelfmeter). Besonderes: –

VfL Herrenberg – Croatia Stuttgart 1:2. Tore: 1:0 Franguere (25.), 1:1 Batinic (45.), 1:2 Maric (69.). Besonderes: –

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