Trainer Julian Nagelsmann geht in die Offensive – der Coach will mit der TSG Hoffenheim Meister werden und fordert zum Auftakt gleich den FC Bayern.

Sport: Marco Seliger (sem)

Stuttgart - Julian Nagelsmann, der passionierte Mountainbiker, der Hobbyzelter und Bergfanatiker, kennt sich aus mit Gipfelstürmen. In dieser Saison nun will der Naturbursche aus Landsberg am Lech nach ganz oben. Dorthin, wo er selbst noch nie war und wohin es nur die wenigsten schaffen. Dem Trainer der TSG Hoffenheim sind das Matterhorn und der Großglockner nicht mehr genug. Er will auf seinen ganz persönlichen Mount Everest.

 

Nagelsmann will deutscher Meister werden. Mit Hoffenheim. Er plant den Gipfelsturm. Von Freitag an, wenn das Saisoneröffnungsspiel beim FC Bayern (20.30 Uhr/ZDF) steigt, macht er sich auf den Weg. Das Ziel: die Schale. Hoch droben auf dem Berg, im Mai 2019.

Der Grat zwischen angemessenen Zielen und Vermessenheit ist ja oft schmal. Hoffenheim Meister? Wo andere nur müde lächeln, sagt Nagelsmann dies: „Ich strebe immer nach dem Maximalen. Und das Maximale ist der Titel. Aber es wird schwer.“

Nagelsmann, der Wachküsser

Dass Nagelsmann solche Ziele ins Auge fasst, hat viel mit ihm selbst und seiner famosen Arbeit zu tun. Der Emporkömmling küsste im Frühjahr 2016 nicht weniger als einen ganzen Verein wach. Erst der damals völlig unerwartete Klassenverbleib, als die TSG in Trümmern lag. Dann der Sprung auf Platz vier. Und nun, 2018, Platz drei und die direkte Qualifikation für die Königsklasse. Nagelsmann (31) zieht es nun 2019 weiter zu RB Leipzig – und es ist sehr wahrscheinlich, dass der Bayer in Hoffenheim a g’mahde Wies’n hinterlässt. Das Feld ist bestellt. Was wiederum nicht nur mit Nagelsmann selbst zu tun hat.

Klar, Hoffenheim ist in der öffentlichen Wahrnehmung Nagelsmann und bleibt in diesem Jahr auch noch Nagelsmann. Über allem schwebt aber nach wie vor der Clubmäzen Dietmar Hopp. Der SAP-Mitbegründer hält 96 Prozent der TSG 1899 Hoffenheim Fußball-Spielbetriebs GmbH. Er investierte mindestens 350 Millionen Euro in den Club. Immer wieder in neue Spieler, aber auch ins Personal, in die Infrastruktur, in das moderne Trainingszentrum in Zuzenhausen und in die Arena an der A 6.

Auf den Gipfel – mit Bodenhaftung

Im Kraichgau bröckelt also in absehbarer Zeit kaum der Putz von der Wand, und die Spielergehälter, die eher im oberen Drittel der Bundesliga anzusiedeln sind, werden auch weiter pünktlich bezahlt. Das ist die eine Seite der Medaille.

Auf der anderen steht in Nordbaden etwas anderes: Demut, Zurückhaltung und Weitblick. Denn Hopp hat es sich die Fahnen geschrieben, dass sein Club finanziell auf eigenen Beinen stehen soll. Die Zeiten, in denen die TSG mit Hopps Millionen offenbar ohne Sinn und Verstand teure Profis kaufte, als es auch deshalb die berühmte Trainingsgruppe 2 mit abgehalfterten Ex-Stars gab, sind vorbei. Stattdessen machte das Modell, junge Spieler auszubilden und dann gewinnbringend zu verkaufen, Schule. Bestes Beispiel: der Transfer von Eigengewächs Niklas Süle im Sommer 2017 für 20 Millionen zum FC Bayern.

Den Weg ohne spektakuläre Neuverpflichtungen und finanzielles Risiko wollen die Verantwortlichen nun weitergehen. Aufgrund der Mehreinnahmen in der Königsklasse kann die TSG bei neuen Spielern aber sehr wohl „eine Schublade höher greifen, was die Qualität angeht“, wie es Sportchef Alexander Rosen betont. Die TSG will auf den Gipfel. Das aber mit Bodenhaftung.