Stuttgart - Pünktlich zum Start der Fußball-Bundesliga hat ein Online-Testportal eine neue Rangliste veröffentlicht. Diesmal ging es nicht um die besten Stürmer oder teuersten Neuzugänge, sondern um die beliebtesten Stadien in Deutschland. Und siehe da: auf Platz zwei hinter dem Dortmunder Fußballtempel rangiert die Alte Försterei in den Wäldern von Berlin-Köpenick. Es ist ein Stadion, in dem die meisten Zuschauer auf Stehrängen Platz finden, der Geruch von Bier und Bratwurst übers Spielfeld weht und die Anzeigetafel mit der Hand bedient wird.
Die Alte Försterei, durch den Aufstieg des 1. FC Union Berlin erstmals zum Bundesligastadion geworden, verkörpert die Sehnsucht vieler Fans nach den so genannten guten alten Zeiten. Zwar war früher keineswegs alles so gut, weder das Spielniveau, noch die Sicherheit der Zuschauer. Doch es sind eben auch die Zeiten gewesen, in denen Fußballspiele keine Events und Fans nicht nur zahlende Kunden waren. Erfreulicherweise gibt es zumindest leise Anzeichen, dass sich daran nicht mehr nur Romantiker erinnern.
Lange wurde das Rad immer weitergedreht
Die Verantwortlichen im deutschen Fußball haben offenbar gemerkt, dass sie den Fans nicht mehr alles zumuten können. Lange genug haben sie das Rad immer weitergedreht: Unterschiedlichste Anstoßzeiten, Übertragungen auf diversen Pay-TV-Sendern, ein Auftritt Helene Fischers beim Pokalfinale. Inzwischen kommt der Bundesliga-Auftakt, bei dem sich an diesem Freitagabend der FC Bayern und Hertha BSC gegenüberstehen, ohne ausufernde Eröffnungsshow aus. Die Montagsspiele werden zur Saison 2021/22 abgeschafft. Und als neuen Präsidenten schlägt der DFB keinen abgehobenen Technokraten vor, sondern Fritz Keller, einen volksnahen Winzer aus Südbaden.
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Nein, niemand erwartet, dass wieder alle Spiele samstagnachmittags um halb vier angepfiffen werden. Und keiner verlangt, dass die Clubs in der Sommerpause keine PR-Reisen mehr nach Amerika unternehmen, sondern nur noch Tingeltouren über die Dörfer. Der Fußball ist zur Unterhaltungsindustrie geworden, die auch abseits des Spielfelds jede Menge Arbeitsplätze schafft. Doch die Deutsche Fußball Liga, Interessensvertretung der 36 Proficlubs, muss beim Erschließen neuer Einnahmequellen und der Diskussion um die Besitzverhältnisse an den Vereinen eines immer im Auge behalten: Die Bundesliga ist ein Kulturgut, das Herzblut der Fans ist ihr Markenkern.
Nirgendwo sind die Zuschauerzahlen höher
Jenseits der leider unvermeidlichen Krawallmacher und Fundamentalultras, die den Anspruch erheben, die Vereinspolitik zu bestimmen, gibt eine äußerst lebendige Fankultur, um die Deutschland weltweit beneidet wird. Auch vom Branchenprimus, der englischen Premier League, in der dank den Investoren aus Abu Dhabi oder Russland und einem ausschließlich ans Fernsehen angepassten Spielplan noch mehr Milliarden im Umlauf sind. Nirgendwo aber sind die Zuschauerzahlen höher als in der Bundesliga. Beim VfB Stuttgart ist selbst in der zweiten Liga das Stadion voll.
Mag sein, dass die Champions-League-Finals auch weiterhin ohne deutsche Beteiligung über die Bühne gehen. Mag sein, dass die Popstars der Sorte Messi, Ronaldo und Neymar auch in Zukunft woanders spielen. Was soll’s? In Deutschland ist die Bundesliga der Star. Einiges spricht dafür, dass es langfristig der richtige Weg ist, nicht jeden Wahnsinn mitzumachen, sondern lieber die Fans vor der eigenen Haustür mitzunehmen. Die grenzenlose Profitgier der internationalen Verbände sollte als warnendes Beispiel dienen, wie man dem Publikum den Spaß verdirbt. Es ist kein Zufall, dass Bundesligastadien für immer mehr englische Fans zum Reiseziel werden. Die Alte Försterei gilt auch bei ihnen als besonders beliebter Ort.