Hoeneß hält durch, er ist kein Drückeberger. Er drischt mit rechts drauf, volle Kanne – und ballert das runde Ding an den Flutlichtmasten vorbei über das Belgrader Stadion hinaus auf die Autobahn in Richtung Albanien. „Ich lief an wie in Trance“, schildert er später das Unfassbare, „dann sah ich den Ball steigen, wie eine Rakete, und er stieg und stieg.“ Wie sein Blutdruck.

 

Die Angst des Schützen beim Elfmeter – noch heute könnte Hoeneß damit auf Tournee gehen und einen gut dotierten Lichtbildervortrag halten, bei Volksfesten, Vereinsjubiläen und Kindergeburtstagen. Er könnte von seinem Angstschweiß erzählen, vom Kaninchen, das vor der Schlange erstarrt, und wie Ivo Viktor im tschechoslowakischen Tor immer größer wurde und das Tor immer kleiner. Und natürlich von Antonin Panenka, der gleich nach ihm schoss.

Das war einer wie der Schweijk im Roman von Jaroslav Hasek. Der Schelm mit seinem lustigen Oberlippenbärtchen lief an, Sepp Maier hechtete wie ein Panther durchs deutsche Tor – aber der Schweijk lupfte den Ball nur, er löffelte ihn, und hilflos lag Maier wie ein Maikäfer auf dem Rücken, während sich der Ball in die Mitte des Tores senkte.

„Sepp hat mir lange nicht verziehen“, bedauerte Panenka später. Aber vor allem Hoeneß hat lange zu leiden – den höchsten Elfmeter in der Geschichte des Fußballs schießt man nicht ungestraft.

Dabei war er, wie wir inzwischen wissen, Gold wert. Dieses erste Elfmeterschießen bei einem großen Turnier war nämlich das einzige, das Deutschland jemals verloren hat. Hoeneß wies mit seinem abschreckenden Fehltritt den Weg, das Video von Belgrad wurde sozusagen zum Pflichtfilm für alle künftigen deutschen Elfmeterschützen, und jeder weiß seither: So nicht.

Hoeneß hält durch, er ist kein Drückeberger. Er drischt mit rechts drauf, volle Kanne – und ballert das runde Ding an den Flutlichtmasten vorbei über das Belgrader Stadion hinaus auf die Autobahn in Richtung Albanien. „Ich lief an wie in Trance“, schildert er später das Unfassbare, „dann sah ich den Ball steigen, wie eine Rakete, und er stieg und stieg.“ Wie sein Blutdruck.

Die Angst des Schützen beim Elfmeter – noch heute könnte Hoeneß damit auf Tournee gehen und einen gut dotierten Lichtbildervortrag halten, bei Volksfesten, Vereinsjubiläen und Kindergeburtstagen. Er könnte von seinem Angstschweiß erzählen, vom Kaninchen, das vor der Schlange erstarrt, und wie Ivo Viktor im tschechoslowakischen Tor immer größer wurde und das Tor immer kleiner. Und natürlich von Antonin Panenka, der gleich nach ihm schoss.

Das war einer wie der Schweijk im Roman von Jaroslav Hasek. Der Schelm mit seinem lustigen Oberlippenbärtchen lief an, Sepp Maier hechtete wie ein Panther durchs deutsche Tor – aber der Schweijk lupfte den Ball nur, er löffelte ihn, und hilflos lag Maier wie ein Maikäfer auf dem Rücken, während sich der Ball in die Mitte des Tores senkte.

„Sepp hat mir lange nicht verziehen“, bedauerte Panenka später. Aber vor allem Hoeneß hat lange zu leiden – den höchsten Elfmeter in der Geschichte des Fußballs schießt man nicht ungestraft.

Dabei war er, wie wir inzwischen wissen, Gold wert. Dieses erste Elfmeterschießen bei einem großen Turnier war nämlich das einzige, das Deutschland jemals verloren hat. Hoeneß wies mit seinem abschreckenden Fehltritt den Weg, das Video von Belgrad wurde sozusagen zum Pflichtfilm für alle künftigen deutschen Elfmeterschützen, und jeder weiß seither: So nicht.

Seit dem Hochschuss von Hoeneß gibt es für uns Deutsche jedenfalls nichts Schöneres als Elfmeterschießen. Bei der WM in Brasilien ergriff in der DFB-Pressekonferenz einmal ein ausländischer Reporter das Wort und fragte mit brüchiger Stimme: „Deutschland hat alle seine vier WM-Elfmeterschießen gewonnen und von 18 Strafstößen 17 verwandelt. Wie kommt das?“

„Ein Deutscher. Ein Elfmeter. Eine Formalität.“

Passenderweise saß Andreas Köpke auf dem Podium, als amtlich anerkannter Sachverständiger. Der Bundestorwarttrainer stellte grinsend den Mundwinkel schräg und antwortete: „Wir sind mental stark. Und wir haben immer einen starken Torhüter auf der Linie.“

Köpke sprach da auch von sich. Als Hexer bei der Europameisterschaft 1996 lehrte er die Gegner das Zittern – erst parierte er in der Vorrunde, auf einem verdammt schmalen Grat zwischen Ausscheiden und Weiterkommen, einen Strafstoß des Italieners Zola, und im Halbfinale sorgte er beim Elfmeterschießen in Wembley mit seinem Heldenreflex gegen Gareth Southgate dafür, dass der Komödiant Matze Knop heute sagen darf: „Es ist einfacher, einem Schwein beizubringen, Helikopter zu fliegen, als einem Engländer zu zeigen, wie man ein Elfmeterschießen gewinnt.“

Die von Peter Handke gedichtete Angst des Tormanns beim Elfmeter ist jedenfalls kleiner als die des Schützen – nur wir Deutschen treffen fast immer. Dank Hoeneß haben wir das Schlimmste schon hinter uns, jeder läuft seither an nach dem Motto: Uns kann keiner mehr. Die „Mail on Sunday“ in London adelte einen trocken vollstreckten Strafstoß von Michael Ballack einmal mit dem Wandspruch: „Ein Deutscher. Ein Elfmeter. Eine Formalität.“

Bundespräsident Richard von Weizsäcker war an der Stelle sogar einmal richtig fassungslos. Nach dem WM-Sieg 1990 in Rom stand er Andreas Brehme gegenüber, um den Schützen des bedeutendsten Strafstoßes der deutschen Fußballgeschichte mit dem Silberlorbeer zu behängen. „Er hat erzählt, wie er gezittert hat beim Elfmeter“, erinnert sich Brehme, der gar nicht gezittert hat. Messerscharf und millimetergenau hat er vollstreckt, und ganz locker, als ob er nur geschwind ein kühles Pils aus dem Keller holt. Seine Stiefel sind dann im Museum gelandet.

„Vergoldet?“, wollten wir wissen.

„Vergoldet?“, fragte Brehme zurück, „wieso das denn?“ Das ist diese Selbstverständlichkeit, die der Schweizer Dichter Max Dohner meint. Als seine Eidgenossen einmal ein Elfmeterschießen komplett verballert hatten, notierte er kopfschüttelnd: „In entscheidenden Minuten hat dieses Land nicht die Nerven. Keinen Killerinstinkt wie die Deutschen, wahre Bärentöter in freier Wildbahn wie auf dem Rasen.“

Uli Hoeneß hat dazu den Weg gewiesen. Eindrucksvoll hat der Bayern-Star 1976 in Belgrad gezeigt, wie es nicht geht. Nie vergessen wir das Bild, wie er den Kopf in beide Hände vergrub, die Augen schloss und nicht mehr mitbekam, wie der Ball als unbekanntes Flugobjekt Richtung Tirana segelte. Sie suchen ihn heute noch. www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.fussball-em-2016-der-werfer.38b4476a-bf55-446f-a0be-0a49d1f33b42.html