Eine Niederlage schmeckt immer bitter. Die deutsche Mannschaft erträgt tapfer das Ausscheiden, obwohl es nicht hätte sein müssen.

Marseille - Die Tür zur Parkgarage des Stade Vélodrome von Marseille steht offen, dahinter warten der Mannschaftsbus und der Start in die Sommerferien. Jeder geht auf seine Weise. Mit schweren Schritten schleppt sich der verletzte Jérome Boateng durch die Katakomben; federnd der Gang des Ersatztorwarts Marc-André ter Stegen, der seine mit erkennbarem Aufwand nach hinten geföhnten Haare wippen lässt. So viel Mühe hat sich Lukas Podolski nicht gegeben, er trägt eine Schildmütze mit dem Kölner Stadtwappen auf dem Kopf. Und Mats Hummels hält bereits seine Urlaubslektüre in den Händen, „Kings of Cool“, eine Geschichte über Surfer und Hippies am Strand von Kalifornien.

 

Nicht mehr als eine schwarze Plastiktüte führt Mario Gomez mit sich, als das Halbfinale gegen Frankreich mit 0:2 verloren und die Europameisterschaft für die deutsche Nationalelf beendet ist. Alles andere trägt der verletzte Stürmer in seinem Herzen. Er blickt zurück, jetzt, da nach vielen Wochen alles vorüber ist. Von einer „wahnsinnig tollen Zeit“ und einem „wahnsinnig tollen Turnier“ spricht er, von einem „unglaublichen Spirit und Zusammenhalt“ innerhalb des Teams. Ein trauriges Lächeln liegt in seinem Gesicht, Gomez geht normalerweise nicht hausieren mit seinen Emotionen. „Man muss da immer sehr vorsichtig sein“, meint er, „aber ich denke, ich kann sagen: Das ist fast Liebe.“

Beklagen will sich keiner

Ein schwacher Trost ist es in diesem Moment, dass die deutsche Mannschaft auch in der Stunde der Niederlage zusammenrückt, Haltung bewahrt und sich als Einheit präsentiert. Es gibt keinen, der sich zu laut über den italienischen Schiedsrichter beschwert. Und auch niemanden, der sich darüber beklagen würde, zu selten zum Einsatz gekommen zu sein. Aufrecht verlassen die Deutschen Marseille und fliegen zurück in die Heimat. Allerdings sind auch alle vereint in diesem schalen Gefühl, eine riesige Chance verpasst zu haben: Eigentlich hätten sie Europameister werden müssen. Es wäre so einfach gewesen.

Das Weltmeisterteam hat in diesen Wochen in Frankreich nie überragend gespielt, vor allem in der Vorrunde nicht, als die Gegner sich vor dem eigenen Tor verschanzt hatten. Im Viertelfinale gegen Italien war ein Elfmeterschießen zum Weiterkommen nötig. Die Deutschen zündeten bei diesem Turnier kein Feuerwerk der Spielfreude wie im WM-Halbfinale der WM 2014. Sie taten meist nur das, was nötig war. Besser als alle anderen Teams sind sie trotzdem gewesen.

„Man muss schon zugeben, dass das Niveau der EM nicht das höchste war“, sagt Mats Hummels. Es habe viele Mannschaften gegeben, „die mit dem Ball nicht viel anfangen konnten“, andere seien müde gewesen, anderen habe das Konzept gefehlt. „Die individuelle Klasse, die Mannschaft als Ganzes, unsere Spielidee – in der Kombination waren wir am stärksten von allen“, sagt der im Halbfinale gesperrte Verteidiger. Das bringt jetzt aber nichts mehr, es ist vorbei und schmerzt noch mehr, „weil eine Niederlage leichter zu akzeptieren ist, wenn der Gegner besser war. Hier hatten wir es selber in der Hand“.

Bierhoff spricht von einem „komischen Turnier“

Mit Portugal und Frankreich stehen nun zwei Mannschaften im Finale, „die nicht unbedingt dominiert oder begeistert haben“, wie Oliver Bierhoff sagt. Als „komisches Turnier“ bezeichnet der Teammanager die EM – und dazu passen auch die Umstände des deutschen Scheiterns im Halbfinale. Mag sein, dass nach den Ausfällen von Mats Hummels, Sami Khedira und Mario Gomez etwas Substanz gefehlt hat; mag sein, dass der Angriff um den bis zum Ende so glücklosen Thomas Müller nicht zwingend genug war. Trotzdem hätte es reichen müssen. Auch die ersatzgeschwächte Mannschaft zeigte eine gute, mutige Leistung, wahrscheinlich die beste während der EM.

Eine ungeschickte Armbewegung von Bastian Schweinsteiger im Strafraum, eine harte, aber korrekte Entscheidung des Schiedsrichters vor der Pause reichten, um den Spielverlauf auf den Kopf zu stellen. Nur drei Tore haben die Deutschen während der EM kassiert, zwei davon durch Elfmeter, vor denen nicht ansatzweise Gefahr im Verzug war. „Uns hat das Glück gefehlt“, sagt Benedikt Höwedes. „Wir haben Pech gehabt“, meint Toni Kroos. „Ein Riesenkompliment an die Mannschaft“, erklärt Joachim Löw. Und: „Alle Deutschen sollten stolz sein, so eine Nationalmannschaft zu haben. Jetzt fahren wir nach Hause und probieren es in zwei Jahren wieder.“