Was löste die Krawalle aus? In Marseille traf eine explosive Mischung aufeinander: Engländer und Russen, die bei der EM ihren fragwürdigen Ruf als „führende Hooligan-Nation“ bestätigen wollen, und lokale, ebenfalls gewaltbereite Fans. Was sind weitere Gründe?

Marseille - Bei den Krawallen und Ausschreitungen spielte wohl auch die „Schande von Marseille“ bei der WM 1998 eine Rolle. Schon damals hatten sich Engländer und Einheimische rund um das Spiel der Three Lions Auseinandersetzungen geliefert. 18 Jahre später spielte England nun erstmals wieder in Marseille.

 

Was lief im Stadion falsch?

Fest steht: Die Fantrennung im Stade Vélodrome funktionierte nicht. Das gestand die UEFA am Sonntag auch offiziell ein. Russische Anhänger konnten nach Schlusspfiff nahezu ungehindert den englischen Block stürmen. Auch die Tatsache, dass Leuchtraketen und Böller den Weg ins Stadion fanden, ist angesichts der anhaltenden Terrorgefahr beunruhigend. Kritisiert wurde auch die späte Anstoßzeit von 21.00 Uhr, die zumindest am Samstag nicht eben zur Beruhigung beitrug. In England werden Risikospiele regelmäßig bereits um 12.00 Uhr angepfiffen, um den Fans weniger Zeit zum Trinken zu geben.

Und was lief am Hafen und in der Innenstadt falsch?

Ganz schwer zu beurteilen. Auch hier sind Gruppen aufeinandergetroffen, die sich auf keinen Fall hätten treffen dürfen. Eigentlich schienen die Behörden vorbereitet, zumindest in Teilen versagte das Konzept aber vollends. Gänzlich verhindern lassen sich kleinere Prügeleien und Krawalle nie - über Stunden andauernde, blutige Ausschreitungen aber sehr wohl. Zudem stellen die Dutzenden Bilder im Internet infrage, ob die Polizei immer richtig reagiert hat und in ausreichender Zahl vor Ort war. Tränengas wurde sehr schnell in Menschenmassen geschossen, auch viele Unbeteiligte bekamen zu viel ab.

Welche Reaktionen gibt es?

Die UEFA verurteilte die Krawalle in der Innenstadt und am Hafen „aufs Schärfste“, für Krawallmacher sei „kein Platz im Fußball“. Auch der englische Verband FA zeigte sich „enttäuscht“, die Regierung in London reagierte „zutiefst beunruhigt“ und bot an, zusätzliche Polizisten zu schicken. Das französische Innenministerium wies den Vorwurf mangelnder Vorbereitung zurück und verwies unter anderem darauf, vor der EM 3000 Einreiseverbote verhängt zu haben.