Die Franzosen wollten bei der EM im eigenen Land unbedingt den Titel holen. Dass daraus gegen die tapferen Portugiesen nichts wurde, stürzt die Equipe Tricolore in eine tiefe Krise.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Paris - Olivier Giroud, ein Baum von einem Kerl, ist nur noch ein Häufchen Elend gewesen. Mitspieler und Betreuer mussten den schluchzenden 1,92-Meter-Hünen nicht nur trösten, sondern auch stützen. Ansonsten hätte es der französische Mittelstürmer wohl kaum geschafft, sich seine Silbermedaille im Stade de France von Paris abzuholen.

 

Es ist auch eine grausame Zeremonie, die sich die Europäische Fußball-Union hat einfallen lassen. Die Verlierer können nach einem Endspiel nicht verschwinden, um mit sich und ihrer Enttäuschung allein zu sein. Sie müssen bleiben, den Gewinnern beim Jubeln zuschauen und durch ein Spalier der Sieger am Pokal vorbeigehen.

Giroud schleppte sich also durch, obwohl er sich das Ende des EM-Turniers im eigenen Land ganz anders ausgemalt hatte. Seinen Bart wollte er sich nach einem Triumph in den Farben der Trikolore färben lassen. Doch nach der 0:1-Niederlage gegen Portugal in der Verlängerung blickte man in sein fahles Gesichter. „Wir haben die Franzosen enttäuscht“, sagte Giroud.

Wie paralysiert

Antoine Griezmann brauchte keinen Halt. Aber er stand wie paralysiert auf dem Rasen und ließ die Auszeichnung zum besten Turniertorschützen mit versteinerter Miene über sich ergehen. Was ist schon dieser goldene Schuh für sechs Treffer im Vergleich zum Silberpokal für den Europameister Wert? Nichts. „Gegen Deutschland im Halbfinale hatten wir wenige Torchancen und haben getroffen. Diesmal hatten wir gut zehn Möglichkeiten und es lief umgekehrt“, sagte Griezmann. Dabei fehlten einmal nur wenige Zentimeter, als André-Pierre Gignac unmittelbar vor dem Ende der regulären Spielzeit den Pfosten traf. Eine Szene, die schmerzt. „Das ist ein Albtraum“, sagte der Angreifer, der bei den UANL Tigres in Mexiko spielt.

In der Verlängerung wirkten die Gastgeber dann körperlich ausgelaugt. Klagen wollten sie wegen der kürzeren Erholungszeit nach den Halbfinalepartien dennoch nicht. Ohne die nötige Frische in Kopf und Beinen gab es jedoch kaum ein Durchkommen durch den Defensivblock, und wenn doch, hatte immer noch Portugals Torhüter Rui Patricio seine Finger im Spiel.

„Es ist grausam, dieses Finale so zu verlieren“, sagte der Trainer Didier Deschamps. Eine neue Begeisterung für die Equipe Tricolore hatten sie in den fast fünf Euro-Wochen mit ihrem Auftreten entfacht, ihre Landsleute die vielen Alltagssorgen und Arbeitskämpfe vergessen lassen und zum Abschluss wollten sie den Franzosen ein Lächeln ins Gesicht zaubern.

Und dann kam Eder

Doch dann kam die 109. Minute – und mit ihr Eder. Sein Schuss traf die Gastgeber mitten ins Herz, und danach lachten nur noch die Portugiesen. „Es gibt keine Worte, um das Gefühl zu beschreiben“, sagte Deschamps, der bis 2018 weitermachen soll. Allerdings wollte der 47-jährige Baske im Moment des finalen Frusts nicht an sich selber denken. „Es wäre so wunderbar gewesen, diesen Pokal für das Publikum zu holen“, sagte der Trainer, der diesen bitteren Happen erst einmal verdauen will.

Allerdings bleibt nach dem Scheitern der nationalen Mission nicht viel Zeit, um sich wieder aufzurichten. Am 6. September muss der Vize-Europameister zum WM-Qualifikationsspiel in Weißrussland antreten. Mit der Generation Griezmann. „Es nervt, aber wir werden stärker zurückkommen“, sagte der Stürmer. Über besondere Erfahrung verfügt er persönlich jedenfalls: 43 Tage vor dem EM-Endspiel verlor Griezmann mit Atlético Madrid das Champions-League-Finale gegen Real mit den Portugiesen Cristiano Ronaldo und Pepe.