Falls Portugal schon in der Gruppenphase scheitert, stellt sich nach dem 0:0 gegen Österreich vor allem eine Frage: Trotz Cristiano Ronaldo – oder wegen Ronaldo?

Paris - Er hat viel getan für das Image, das ihm seit Jahren wie Pattex anhaftet. Stolzer Gockel, eitler Pfau, Diva, Primadonna – auf Cristiano Ronaldo passt alles. Und wie er so selbstverliebt auf dem Rasen sich und seine Posen inszeniert, scheinbar arrogant und selbstgefällig bis zum Überdruss, hat er jeden dieser Beinamen verdient. So verwundert es nicht, dass nach dem mageren 0:0 gegen Österreich kübelweise Häme auf den Exzentriker prasselt. Es sind diese Momente des Scheiterns, die Spötter erst recht dazu animieren, ihre Abneigung in besonderem Maße auszuleben. Die brasilianische Zeitung „Globo“ etwa titelte, nachdem der dreimalige Weltfußballer zahlreiche Großchancen und einen Elfmeter versemmelt und damit den so dringend benötigten Sieg verschenkt hatte, in Anlehnung an sein Kürzel „CR7“ in dicken Lettern: „CRZero“ (CRnull). Wenig zimperlich bezichtigte ihn „El País“ (Spanien) der Lächerlichkeit: „Ronaldo ist der beste Beweis, dass man reich, schön und berühmt, aber zur selben Zeit ein armer Typ sein kann.“

 

Immerhin ist Ronaldo aber nicht so arm, als dass er in der Stunde der Schmach nicht zu menschlicher Größe fähig wäre. Konsterniert stand er nach dem Abpfiff auf dem Rasen, als ein Fan auf ihn zugerannt kam. Er war den Ordnern, die ihm kurzatmig hinterherhechelten, entwischt und hatte nur ein Ansinnen: ein Selfie mit Ronaldo. Doch wie das so ist, wenn die Aufgeregtheit den Puls beschleunigt, zitterten dem Kerl die Hände. Bis die Kamerafunktion eingeschaltet war, verging eine halbe Ewigkeit. Ronaldo, obwohl frustriert, stand da und wartete. Als die Ordner endlich auf Ballhöhe waren und den Flitzer abführen wollten, bat er sie ebenfalls um Geduld, bis das Foto im Kasten war.

Reagiert so ein Gockel? Wohl kaum.

Seine Teamkollegen erzählen nur Gutes über Ronaldo

Schon vor dem Spiel im Kabinengang hatte Ronaldo mit den Einlaufkindern gelacht und geschäkert, als befinde er sich beim Kindergeburtstag. Den hatte er tags zuvor tatsächlich gefeiert, sein Sohn Cristiano junior wurde sechs Jahre alt. Überliefert sind Bilder eines sichtlich stolzen und gerührten Papas, dem nun vorgehalten wird, er habe das Geburtstagsständchen nicht mitgesungen. Wie ihm jetzt die Szene mit dem Selfie als publicityträchtige Anbiederung ausgelegt wird. Was wiederum Menschen, die ihm nahestehen wie Vieirinha, nicht verstehen. „Er ist ein völlig anderer Typ als derjenige, den die Presse beschreibt“, sagt sein Nationalelfkollege vom VfL Wolfsburg. Auch Sami Khedira, sein ehemaliger Mitspieler bei Real Madrid, zeichnet von Ronaldo gern das Bild eines Profis, der anderthalb Stunden vor dem Training erscheint und sich gewissenhaft vorbereitet, selten ausgeht und Kumpel von nebenan ist. Ronaldo lebt den Fußball so intensiv, wie er ihn liebt. Nur auf dem Platz ist er ein anderer. Und das formt sein Image.

Wenn er dann, wie vor dem Spiel gegen die Österreicher, in schwarzen Nylonstrümpfen aus dem Bus steigt, senkt das die Hemmschwelle zur Belustigung ungemein. „Sind das noch Thrombose-Strümpfe, oder sind das schon Strapse?“, fragte der ARD-Moderator Matthias Opdenhövel mitten ins Bild hinein. „Ich stelle mir gerade vor, ich wäre so vor Oliver Kahn und Lothar Matthäus eingelaufen“, parierte der Experte und Ex-Bayern-Profi Mehmet Scholl, „da muss ich selber lachen, wie die geschaut hätten.“ Um der Wahrheit zu genügen, trägt Ronaldo die Kompressionsstrümpfe nach einem Muskelfaserriss aus medizinischen Gründen.

CR7 muss nun endlich auch im Spiel Größe zeigen

Womöglich ist es die Folge dieser Verletzung, die ihn gegen Österreich (und zuvor gegen Island) nicht zur Entfaltung kommen ließ. Ronaldo und die EM, das passt noch nicht. „Das war alles meine Schuld“, sagte er ungewohnt selbstkritisch nach seinem 128. Länderspiel, mit dem er Luis Figo als Rekord-Nationalspieler seines Landes ablöste, „aber wir haben keine Zeit, uns damit aufzuhalten.“ Auch mit nur zwei Punkten aus zwei Spielen ist für Portugal noch nichts verloren. Von der vorzeitigen Heimreise über ein Achtelfinalduell mit Titelverteidiger Spanien bis hin zum Gruppensieg ist in der Partie gegen Ungarn an diesem Mittwoch (18 Uhr/Sat 1) alles möglich. Zum Weiterkommen benötigt es aber einen Cristiano Ronaldo, der sich aus dem Tal der Tränen erhebt und auch im Spiel Größe zeigt.