Rechtzeitig zum Start der Europameisterschaft wurde das internationale Fußball-Regelwerk aufgepeppt. Es geht dabei ums Stoppen beim Elfmeter, neue Einwurf-Techniken sowie die Farbenlehre bei Trikots und Unterwäsche. Wir stellen die wichtigsten der insgesamt 95 neuen Bestimmungen vor.

Sport: Jürgen Kemmner (jük)

Stuttgart - Das Fußball-Fieber steigt, das WM-Eröffnungsspiel rückt näher – und wenn am Freitag um 21 Uhr beim Anstoß der Partie Frankreich gegen Rumänien der Ball nach hinten gekickt wird, werden womöglich manche (ältere) Fußball-Fans empört aufspringen, einen Regelverstoß monieren und den Schiri bestenfalls einen Schwachkopf heißen. Ganz langsam – falsch gedacht! Alles im grünen Bereich, denn rechtzeitig zur Europameisterschaft wurde das internationale Regelwerk aufgepeppt. Wir stellen die wichtigsten der insgesamt 95 neuen Bestimmungen vor – damit keiner den Referee irrtümlicherweise massiv beleidigt. Und man beim Public Viewing glänzen kann.

 

Keine Dreifach-Bestrafung mehr

Notbremse – Rote für den Foulenden (plus Sperre) und Elfmeter. Nicht nur elf, sondern Millionen Fußball-Freunde haben sich über drei Strafen auf einmal so geärgert, wie wenn sie aus dem Überraschungs-Ei schon wieder die gleiche Figur herausgepellt haben. Schluss, aus, vorbei. Eine unglückliche Grätsche nach dem Ball, bei der lediglich der Gegenspieler getroffen wird, soll nicht mehr mit Strafstoß und Rot bestraft werden, sondern mit Strafstoß und Gelb. Zieht der Verteidiger aber am Trikot wie ein pubertierendes Teenager-Girl am Top von Justin Bieber oder versucht ein Verteidiger erst gar nicht, den Ball zu spielen, darf der Schiri auch selbstverständlich Rot zücken. Bei einer Tätlichkeit gilt das sowieso. Endlich wurde diese Aufrege-Regel abgeschafft – aber womöglich droht dennoch neuer Ärger: Der Unparteiische hat nun Interpretationsspielraum.

Behandlungen auf dem Spielfeld

Da sinken sie hin und manchmal könnte man befürchten, der Tod sei nahe. Die allermeister erholen sich rasch – aber erst außerhalb des Platzes. Jetzt darf auf dem Rasen die Ersthilfe durchgeführt werden, kurze Behandlungen von verletzen Spielern auf dem Platz sind jetzt möglich. Sie sind aber nur erlaubt, wenn ein Spieler verletzt wird und das Foul mit einer Karte geahndet wurde. Bislang musste der verletzte Spieler erst mal vom Feld, das Spiel ging dann weiter. Schwierig für Physios, denn die müssen erst warten, ob der Referee Gelb oder Rot zückt ...

Neutrale Zone

Die Mittellinie ist bei Abseitsentscheidungen eine neutrale Zone. Berührt ein Spieler bei einem Konter die Mittellinie, steht er nicht im Abseits. Der Status der Mittellinie in Abseitsfragen war bislang nicht eindeutig geklärt.

Anstoß nach hinten

Generationen von Kickern wurde in frühester Jugend eingetrichtert: Beim Anspiel muss der Ball nach vorn gespielt werden. Schnee von gestern. Künftig kann der Ball vom Mittelpunkt in jede Richtung gepasst werden. Nichts dagegen, aber wir fragen uns, worin die Motivation lag, diese Regel zu ändern. Aber gut. Auch der Logarithmus und das Vektoren-Rechnen haben ihre Regeln, die vom Großteil der Bevölkerung zwar nicht verstanden, so aber doch akzeptiert werden.

Kein Stopp beim Elfmeter

Bei Strafstößen müssen die Schützen und die Keeper etwas umdenken. Stoppt der Ausführende beim Anlauf komplett ab oder schießt überraschend ein zweiter Spieler, gibt es einen Freistoß für die andere Mannschaft. Zudem kann es Gelb für den Schützen geben. Bewegt sich der Torwart zu früh von der Linie nach vorne und geht der Ball nicht rein, sieht der Schlussmann Gelb. Wiederholung gab es auch vorher schon. (aber auch nicht immer)

Einwürfe von rechts wie links

Bei den Bambini hopsen sie beim Einwurf wie die Osterhasen, was die Schiris aber geflissentlich übersehen. Bei den Größeren müssen die Einwürfe mit beiden Händen gleichkräftig ausgeführt werden. Das System mit einer Stützhand, bei dem eine Hand den Ball schleuderte, ist damit verboten. Ganz ehrlich: Wissen Sie, wie das mit der Stützhand funktionierte?

Rot vor dem Anpfiff

Gelb beim Ganz zur Pause in die Kabine? Klar, das geht. Rot nach dem Schlusspfiff? Haben wir doch alle schon mal erlebt. Aber ein Platzverweis, bevor der Schiedsrichter das Spiel überhaupt angepfiffen hat? War bislang nicht vorgesehen, wird aber nun möglich. Theoretisch ist ein Platzverweis von dem Augenblick an möglich, sobald der Schiedsrichter das Spielfeld begutachtet. Wird ein Spieler vor dem Spiel ausgeschlossen, darf der Trainer aber einen neuen Spieler aufstellen und die Partie beginnt mit elf gegen elf. Wofür könnte es Rot vor dem Anpfiff geben? Beleidigung im Spielertunnel. Obszöne Gesten in jedwede Richtung. Oder natürlich fürs Abgrätschen eines Gegners beim Einlaufen. Ist zwar noch nie vorgekommen, aber das muss ja nichts heißen.

Ohne Schuhe ist erlaubt

Noch so eine Uralt-Regel landet im Papierkorb. Bisher galt: Ohne Schuhe wird nicht gekickt – es dürfen Gummistiefel oder Lackschuhe sein, aber unten ohne ist strengstens verboten. Jetzt sind die Regelhüter etwas liberaler geworden: Geht ein Schuh verloren, darf der Betroffene bis zur nächsten Unterbrechung weiterspielen. Die Regelung gilt so auch für Schienbeinschoner. Recht so: Wir freuen uns diebisch auf das erste Tor in Socken.

Zeichensprache für Schiris

Auch an die Referees wurde gedacht. Um einen Vorteil anzuzeigen, musste sie bislang beide Arme wie ein V nach vorne austrecken. Durch dieses wilde Gefuchtele mit den Armen fiel das Sprinten mitunter schwer, zumindest meinten das einige Regelaufseher. Also gestatteten sie den Schiris nun, dass sie einen Vorteil in Zukunft durch einen gestreckten Arm anzeigen dürfen. So etwa wie beim indirekten Freistoß.

Neuer Unterhosen-Knigge

Es gilt in der Jugendwelt als lässig, die Unterwäsche zum Teil sichtbar zu tragen. Für Fußballer gilt nun ein neuer Knigge: Sichtbare Unterhosen müssen in der Farbe der Trikothose sein. Damit nicht genug: Zudem muss diese Unterwäsche bei allen Spielern eines Teams dieselbe Farbe haben. Bei zweifarbigen Hosen können sich die Mannschaften für eine der Unterhosen-Farben entscheiden. Da könnte es im Vorfeld zu hitzigen Diskussionen kommen, wenn zwei Modeschöpfer in einer Mannschaft spielen. Und damit immer noch nicht genug: Ein Tape, mit dem sich Spieler zum Beispiel die Schienbeinschoner festzurrt, muss nun ebenfalls in der Farbe der Stutzen sein. Da sind die Regelhüter aber tief in sich gegangen und haben die Fußball-Welt mit massiven Besserungen beglückt.

Spucken auf dem Spielfeld

Ein Ärgernis vor allem für Eltern Fußball-begeisterter Kids – das ständige Ausspucken der Stars auf den Platz. Denn der Nachwuchs greift solche Verhaltensmuster gerne auf und über nach dem Training schon auch mal das coole Ausspucken. Liebe Eltern, tut uns leid, hier keine Entwarnung geben zu können. Damit hat sich die oberste Regelhüter-Kaste nicht auseinandergesetzt. Bei der EM darf munter auf den Rasen gespuckt werden. Nur die Gegenspieler sind tabu.

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