Aus Sicherheitsgründen, erläutert Jan Kempe, der Leiter des Polizeireviers Fellbach, habe man die beliebten Siegesfeierrunden auf vier Rädern ziemlich schnell nach dem Start auch schon wieder unterbinden müssen. „Wir versuchen eigentlich immer, den Korso laufen zu lassen, aber gleich nach dem Schlusspfiff sind Menschenmassen in Richtung Stuttgarter Platz geströmt und dabei nicht auf dem Gehweg geblieben. Die Straße war blockiert, und dann wird es einfach zu gefährlich.“
Für einen Moment ist es totenstill
Schon zum Anpfiff ist es ziemlich voll vor dem Casa Nostra, dem italienischen Treffpunkt in der Stuttgarter Straße. Laut, selbstbewusst und voller Inbrunst singen die italienischen Fans die Nationalhymne mit – alle im Stehen und viele mit Hand auf dem Herzen. Von den Albanern, die gleich nebenan in kleinerer Zahl und vor kleinerem Fernseher die Partie ihrer Nationalmannschaft gegen Spanien verfolgen, ist nichts zu hören.
Doch im Verlauf des dritten Gruppenspiels der Squadra Azzurra gegen die kroatische Auswahl am Montagabend werden die Tifosi auf der Stuttgarter Straße in Fellbach kleinlauter. Als Luca Modric erst den Elfmeter für die Kroaten verschießt und dann doch noch zum 1:0 trifft, ist es für einen Moment totenstill. „Ich bin moralisch am Boden zerstört“, sagt Raffa aus Bad Cannstatt. Der 30-Jährige ist mit seiner Freundin Fabiana, die in Waiblingen wohnt, gekommen. Mit dabei sind auch noch Fabianas Freundin Ilaria, die auch aus Cannstatt ist, und deren Bruder Michele aus Renningen. „In Fellbach ist für uns Italiener einfach am meisten los, das weiß jeder“, sagt Raffa.
Während die beiden Männer auch tatsächlich echte und ernste Fußballfans sind, geht es Fabiana und Ilaria mehr um das Drumherum. „Deshalb wollen wir natürlich auch, dass die Italiener weiterkommen, dann geht die Party weiter“, sagt Fabiana.
Nach dem 1:1 ist der Cannstatter Fan „stolz und glücklich“ und ziemlich heiser. „Unsere Fußballer haben das Unmögliche möglich gemacht, wenn auch keiner genau weiß, wie sie es gemacht haben“, sagt er und findet die Stimmung und die Feier in Fellbach „genial“. Michele nickt zustimmend. Auch ihre Begleiterinnen haben Spaß. Die Party geht bis Mitternacht. Dann erscheint Polizei auf der Bildfläche und bittet die Anwesenden, etwas leiser zu sein. Während die Italiener feiern, packen die Albaner still und leise nach dem 0:1 gegen Spanien, das für sie das EM-Aus bedeutet, die großen roten Fahnen mit dem Adler ein.
Einer wird wegen Beleidigung angezeigt
Das abrupte Ausbremsen der italienischen Jubelfahrt durch die Ordnungshüter, die sich mit Kräften von außerhalb verstärkt hatten, haben Raffa und seine Clique kaum wahrgenommen. Natürlich sei der Ausfall des Autokorsos nicht bei allen auf Begeisterung gestoßen, aber akzeptiert worden, sagt Jan Kempe. Es habe eine Beleidigungsanzeige gegeben, nachdem ein Fan gegenüber der Polizei allzu unflätig aufgetreten sei. Der überwiegenden Mehrheit der italienischen Fans stellt Fellbachs Polizeichef aber ein gutes Zeugnis aus. „Sie feiern friedlich und mediterran stimmungsvoll.“
Das eigentliche Problem bei den Jubelfeiern seien einzelne negative Randerscheinungen, erklärt der Fellbacher Revierleiter. Auch am letzten Gruppenspieltag seien vereinzelt Störer aufgefallen, die „in ihrem Übermut“ Pyrotechnik in die Menschenmenge geworfen hätten. Selbst Polizeibeamte seien mit Knallkörpern beworfen worden. „Aber wir haben die Täter. Sie bekommen ihre Strafe, denn es ist kein Bagatelldelikt, und alle haben ein Aufenthaltsverbot in den Innenstadt während den noch ausstehenden Europameisterschaftsspielen.“
Plötzlich rast ein Motorroller durch die Menge
Zum Schluss des italienischen Abends gab es noch einmal Action auf der Straße. Ein Motorrollerfahrer fuhr mit viel zu hoher Geschwindigkeit durch die Feiernden hindurch, er wurde nach kurzer Verfolgungsfahrt von der Polizei gestellt. „Er ist im völligen Feierfieber, losgelöst und ausgelassen die Bahnhofstraße entlanggebrettert, das ist Straßenverkehrsgefährdung“, sagt Jan Kempe. Seine Bilanz des Abends fällt trotzdem überwiegend positiv aus. „Die Mehrheit hat friedlich gefeiert, das war fast schon Stadionstimmung mit Konfettikanone. Dieses friedliche Feiern schützen und stützen wir auch.“ Diese Mehrheit störe sich auch an vereinzelten Versuchen, die gute Stimmung zum Kippen zu bringen. „Es war ein Einsatz mit Störungen, die aber seitens der Polizei beseitigt werden konnten“, so Kempe.