Schottland ist längst raus aus der EM – doch der Schotte Alasdair Thomson bleibt in Stuttgart hängen, um im Kilt die EM-Stimmung zu genießen. Den Deutschen macht er’s vor: Mit der richtigen Einstellung hat man auch nach dem Ausscheiden gewonnen.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

No Scotland, no party. Die Fans der schottischen Nationalmannschaft gelten als die sympathischsten dieser EM. Etwa 260 000 Highlander sind zu den Spielen nach Deutschland gereist. Einer ist mit seiner guten Laune hängen geblieben. Alasdair Thomson fällt am Samstagabend mit seinem Schottenrock in der Fanzone des Schlossplatzes auf. Nach dem Ausscheiden seines Team ist er im Hotel geblieben, um die EM-Stimmung noch etwas länger zu genießen. Stuttgart sei eine „großartige Stadt“, lobt er, mit „vielen großartigen Bars“.

 

Das Bier in der Fanzone schmeckt ihm nicht

Nur eines gefällt dem Schotten aus Inverness nicht: „Das Bitburger Bier schmeckt nicht.“ Andere Sorten gibt es nicht in der Fanzone, weshalb er gleich nach dem Public Viewing die Stuttgarter Kneipenszene bewundern will.

Alle lieben die Schotten – die Türken dagegen zählen nicht zu den beliebtesten Fans. Etwa 20.000 haben sich am Samstagabend zum Spiel der Türkei gegen die Niederlande in der Fanzone versammelt, wo es rot und laut ist. Sie pfeifen, wenn Holländer am Ball sind, immer wieder sieht man den rechtsextremistischen Wolfsgruß. Den wenigen Deutschen und Holländern, die dabei sind, gefällt das gar nicht. Manche sind am Ende froh, dass die Türkei ausscheidet. Links, rechts – die Holländer hüpfen zick-zack-mäßig Richtung Finale. „Layla“-Sänger DJ Robin hat die deutsche Version des Oranje-Hits mit dem Stuttgarter Publikum eingeübt – die Mehrheit hat’s voll gut drauf.

Nach drei Wochen ziehen die Veranstalter eine äußerst positive Zwischenbilanz für die EM. „Wir haben in Stuttgart packende Spiele mit vielen internationalen Gästen und einer faszinierenden Stimmung erlebt“, sagt Gesamt-Projektleiter Thomas Pollak für die Host City. Bei fünf Spielen in Stuttgart sei das Stadion ausverkauft gewesen. In den vier Fanzonen habe man bereits etwa 700.000 Besucher gezählt. Pollak: „Unsere Planungen für den Nahverkehr, das Verkehrsmanagement, die Sicherheit und den Fanwalk haben sich absolut zuverlässig erwiesen.“

„Verzögerungen auf den Straßen ja, Chaos nein“

Der Leiter der Integrierten Verkehrsleitzentrale, Ralf Thomas, erklärt: „Über 50.000 Fans ins Stadion zu bringen, ist eine gewaltige Herausforderung. Wir haben Hauptverkehrsrouten geräumt und Verkehrsteilnehmer informiert.“ Dadurch habe es bei den Spielen 15 Prozent weniger Autoverkehr gegeben. Sein Zwischenfazit: „Verzögerungen auf den Straßen, ja. Chaos, nein.“

In die große Begeisterung können die Gastronomen der Fanzonen nicht einstimmen. Zwar habe der Umsatz beim Deutschlandspiel gebrummt, doch das reiche nicht aus, um die Verluste anderer Tage auszugleichen, sagt ein Wirt, der nicht namentlich genannt werden will. Die Standgebühren seien mit 50.000 Euro für den Schlossplatz (hinzu kommen Personalkosten) viel zu hoch. Nun ist ein Gespräch mit den Verantwortlichen von in.Stuttgart geplant. Die Gastronomen wollen erreichen, dass man die Gebühren nachlässt.

Alegra Cole legt am Montag bei der After-Work-Party in der Schlossplatz-Fanzone Musik zum Chillen auf. /privat

Die EM-Spiele in der Stuttgart Arena sind vorbei – die Party geht weiter. „Wir sollten gute Gastgeber sein“, findet DJane Alegra Cole, „beim Feiern mit anderen Nationen deshalb nicht nachlassen.“ Am spielfreien Montag, 17 Uhr, will sie bei einer After-Work-Party aus der Fanzone eine Chillout-Zone machen. Dazu gibt es Lounge-Sitzmöglichkeiten und Getränke-Specials der Gastronomen.

Die EM ist viel mehr als Fußball. Nach der Niederlage lagen sich die Deutschen mit Spaniern in den Armen. Dem Land tut die gute Stimmung gut. Die Partyzone erstreckt sich über die Königstraße bis zur Treppe des Kleinen Schlossplatzes, bis zum Palast der Republik. Trainer Julian Nagelsmann verweist darauf, „dass sich in Deutschland schleichend ein Pessimismus eingenistet hat“. Dabei gehe es den meisten doch überwiegend gut. Fußball könne mithelfen, dass sich was dreht.

Ja, es dreht sich was. Dies ist in der Innenstadt zu spüren, obwohl der deutsche Traum vom EM-Titel durch den Schiedsrichter vielleicht zu Unrecht geplatzt ist. Die Feierlaune hält an. Deutsche Fans sind stolz auf das, was ihre Mannschaft geleistet hat. Wenn schon verlieren, dann wenigstens so. Aber wer hat denn schon verloren? Der Schotte Alasdair Thomson macht es in seinem Rock vor: Nach dem Ausscheiden hat man mit der richtigen Einstellung trotzdem gewonnen.