Ihre Karriere schien in der Sackgasse zu enden – doch in Istanbul haben Lukas Podolski und Mario Gomez noch einmal ihr Glück gefunden. Nun haben sie bei der EM viel vor.

Ascona - Mit diesem Konter konnte Lukas Podolski nicht rechnen. Verspätet ist er nach dem Finale im türkischen Fußballpokal zur Nationalmannschaft nach Ascona gekommen, „herrlich wie immer“ findet er die Bedingungen. Und dass er wie gewohnt zum Scherzen aufgelegt ist, das demonstriert der Stürmer unverzüglich, als er neben Mario Gomez auf dem Podium sitzt: „Der Mario hatte ja schon früher frei als ich“, stichelt Podolski, was sein Mitspieler nur bestätigen kann: „Stimmt. Aber dafür habe ich den wichtigen Titel gewonnen und Lukas nur den eher unwichtigen.“ Die größeren Lacher hat diesmal Gomez auf seiner Seite.

 

Zwei bald 31 Jahre alte Nationalspieler sitzen da oben, die mit sich in der Fußballwelt im Reinen sind und in Istanbul ihr Glück gefunden haben. Podolski hat Galatasary zum Pokalsieg geköpft, Gomez Besiktas mit 26 Saisontoren zur Meisterschaft geführt – mit gewaltigem Selbstvertrauen bereiten sich nun beide auf die EM in Frankreich vor. Dabei schien ihr Wechsel in die Türkei im vergangenen Sommer das Ende aller internationalen Ambitionen zu besiegeln – letzte Ausfahrt Istanbul, so lauteten die Schlagzeilen. Doch hat ausgerechnet dieses Jahr am Bosporus ihren Karrieren noch einmal ganz neuen Schwung verliehen.

Gomez und Podolski, das sind zwei deutsche Stürmer, deren Wege auf sehr unterschiedliche Weise in ähnliche Richtungen führten. Schon bei der EM 2008 waren sie dabei, als die deutsche Mannschaft wie jetzt in Ascona ihr Quartier bezog und Gomez’ DFB-Karriere mit der vergebenen Großchance gegen Österreich einen schweren Knick erfuhr. Von den eigenen Fans wurde er in den Jahren darauf ausgepfiffen, von TV-Kritiker Mehmet Scholl trotz dreier Treffer bei der EM 2012 verhöhnt, vom Bundestrainer Joachim Löw aus dem Aufgebot für die WM 2014 gestrichen. Es war ein tiefer Fall.

Lukas Podolski ist seit der EM 2004 zwar bei jedem Turnier dabei gewesen und bis heute der Liebling der Nation geblieben. Doch steht seine Wertschätzung in Widerspruch zu seiner sportlichen Bedeutung. Stammkraft ist er im DFB-Team trotz der unglaublichen Zahl von 127 Länderspielen seit Jahren nicht mehr. Im Verein führte sein Weg von den Bayern nach Köln zurück, FC Arsenal und Inter Mailand waren seine nächsten Vereine – große Namen zwar, doch durchsetzen konnte sich Podolski nicht.

Gomez denkt nur noch an die Gegenwart

Auch hinter Gomez liegen Jahre der Wanderschaft, die nicht nur Glücksmomente bereithielten. Mit den Bayern, zu denen er vom VfB gewechselt war, gewann er das Triple – und wurde trotzdem weggeschickt. In Florenz erweiterte er seinen Horizont – und erlebte sportlich zwei verlorene Jahre. „Wenn man jung ist, malt man sich seine Karriere aus und lechzt danach, bei großen Clubs zu spielen – dann merkt man, dass der Plan nicht immer aufgeht“, sagt Gomez: „Jetzt habe ich nicht mehr die Karriere im Blick, sondern genieße nur noch den Moment.“

In der Türkei hat der Stürmer zur inneren Balance gefunden. Er trainierte so hart wie nie zuvor, wurde Torschützenkönig, kehrte in die Nationalmannschaft zurück. „Ich fühle mich so gut wie noch nie in meiner Karriere“, sagt Gomez und weiß, dass er jetzt wieder bei den europäischen Großclubs im Fokus steht. Er könne sich zwar „vieles vorstellen“ – beschäftigen will er sich damit aber nicht. Seinem Berater Uli Ferber hat er den Auftrag erteilt, bis zum Ende der EM alles von ihm fernzuhalten. Er wolle sich ausschließlich auf das Turnier konzentrieren, er versuche, „ein bisschen planlos zu sein“.

Podolski will nicht das Maskottchen sein

Lukas Podolski will auch in der nächsten Saison in Istanbul bleiben, wo auch er noch einmal aufgeblüht ist. „Ich habe eine gute Saison gespielt, viele Tore geschossen und vorbereitet. Ich bin topfit“, sagt er – und findet eine schlüssige Erklärung dafür, dass er beim 1:0 im Pokalfinale entgegen seiner sonstigen Gewohnheiten mit dem Kopf zur Stelle war: „Die türkische Luft und das türkische Essen haben mich beflügelt.“

An Rückenwind vor der EM fehlt es also weder Gomez noch Podolski – an Demut und Zurückhaltung ebenfalls nicht: „Ich bin ganz entspannt und einfach nur stolz, dass ich dabei bin. Ich will ein Teil dieser tollen Mannschaft sein – wie groß er ist, wird man sehen“, sagt Gomez, während sein Kollege erklärt: „Unser Ziel ist es, Europameister zu werden – dem hat sich jeder unterzuordnen.“

Podolski ist auf und neben dem Platz zu allem bereit – nur eine Rolle will er nicht übernehmen: die des Maskottchens, zu dem ihm manche nach der Nominierung spöttisch ernannt haben. „Das ist total respektlos und unverschämt, das habe ich nicht verdient“, ruft Podolski – und versteht an dieser Stelle ausnahmsweise mal keinen Spaß.