Als einziges Kind aus Deutschland darf die neunjährige Zoe an der Hand eines Nationalspielers beim EM-Finale ins Stadion einlaufen. Mit diesem Bewerbungsvideo überzeugte sie die Jury.

Überlingen - Zoe Stehle aus Überlingen am Bodensee hat geschafft, wovon wohl Zehntausende Kinder träumen: Wenn am Sonntag, 10. Juli, die Finalgegner der Fußball-Europameisterschaft in Paris vor einem Millionenpublikum ins Stadion einlaufen, wird sie an der Hand eines Nationalspielers mit von der Partie sein! Als einziges Kind aus Deutschland hat sie sich als „Einlaufkind“ für das EM-Finale qualifiziert. Insgesamt haben es 29 deutsche Kinder geschafft, sich zu qualifizieren, ein Kind für’s Finale. Und das ist Zoe.

 

Wie das ging?

Die Geschichte beginnt damit, dass Zoe sich den Arm brach. Ausgerechnet beim Fußballspielen! Sie wurde operiert – und einen Tag danach entdeckte ihre Mutter Le Stehle eine Anzeige, in der stand, dass sich Kinder mit einem Video darum bewerben können, Mitglied in der McDonalds Fußball-Escorte zu werden. „Zoe hatte uns schon vor zwei Jahren bei der WM gefragt, wie man Einlaufkind wird. Damals konnten wir das nicht beantworten“, sagt Le Stehle. Nun war sie schlauer.

Bewerbungsvideo mit Gipsarm: beim Fußballspielen gestürzt

In einer spontanen Aktion drehten Mutter und Tochter in zehn Minuten das geforderte Bewerbungsvideo. Wer es anschaut, den wundert es nicht, dass Zoe sich durchgesetzt hat: Sie winkt mit dem gesunden Arm strahlend in die Kamera und erklärt fröhlich, dass sie Zoe aus Überlingen sei und sich beim Fußballspielen den Arm gebrochen habe. Doch bis zum Finale sei sie wieder fit. „Also wählt mich!“, empfieht Zoe der Jury. Dann schmettert sie die erste Strophe der Nationalhymne, fängt an zu tanzen, geht mühelos zum WM-Song „Ein Hoch auf uns“ über und endet mit „Dieser Weg wird kein leichter sein.“ Ein Gag: „Dieser Weg führt an Mark Forster vorbei“, singt sie. Der Sänger ist Jury-Mitglied. Zoe muss lachen, zaubert einen Ball hervor und zeigt, dass sie kicken kann. Ende des Videos.

Zoes Mutter schickte es ein und bekam ein paar Wochen später einen Anruf. Das Video sei so fantastisch, man komme nicht an Zoe vorbei. Sie habe sich gegen mehr als 2000 Einsendungen durchgesetzt. Und weil sie so fantastisch sei, sei sie nicht nur Teil der Fußball-Eskorte, sondern Eskortenkind beim Finale. Der Jackpot.

Müller und Schweinsteiger sind Zoes Favoriten

Die Auswahl von Zoe passt zu einem internationalen Fußballturnier. Denn die Familie der Mutter stammt ursprünglich aus Laos, der Vater ist Halbgrieche und beide deutsche Staatsbürger. „Ich habe geschrien vor Freude“, bekennt die Mutter Le. Zoes Vater Michael konnte es zunächst gar nicht glauben. Und Zoe? Die muss kichern, als sie erzählt: „Ich war bei meiner Oma und wir haben gespielt und dann kam Mama und sagte: ‚Weißt du was, du hast gewonnen, du darfst ins Finale und ich hab gesagt: ‚Nö, du lügst mich an.’“ Irgendwann war dann aber auch ihr klar: Doch. Ja. Sie hat gewonnen. Wie aufregend ist so etwas? Aufregender als Weihnachten? Als der Geburtstag? „Ich bin schon sehr , sehr aufgeregt“, sagt sie, „mehr als an meinem Geburtstag.“ Sie überlegt kurz und verkündet dann: „Man weiß ja nicht, mit welcher Mannschaft man einläuft, aber wahrscheinlich schon mit Deutschland.“

Das würde für Zoe bedeuten, vielleicht an der Hand von Thomas Müller oder Bastian Schweinsteiger einzulaufen. Das sind im Moment ihre beiden Lieblingsspieler, und sie hat Zoe auch als ihre Wunschspieler angegeben.

Hat die Familie Angst vor Anschlägen?

Bei aller Freude jedoch schwingt beim Thema EM sofort auch das Thema der Terrorgefahr mit. Macht sich das Ehepaar Stehle Sorgen, wenn Töchterchen Zoe ausgerechnet beim Finale in das mit vielen Millionen Zuschauern gefüllte Stadion einläuft? „Wir haben da schon ausführlich darüber gesprochen“, sagt Michael Stehle. „An Ostern waren wir in Rom und damals haben wir noch gesagt: wir gehen nicht zum Ostersegen mit dem Papst, das wäre fahrlässig.“ Doch dann, ergänzt Le Stehle, seien sie mit dem Taxifahrer ins Gespräch gekommen. „Er hat uns gesagt: Da sind überall so viele Kameras, dass da nichts passieren kann.“ Das habe beruhigend gewirkt, zumal es gerade in Frankreich während der Europameisterschaft überall strenge Kontrollen gebe. Nicht zuletzt hätten sie für sich eine Grundsatzentscheidung gefällt: sich durch die Bedrohungen das Leben nicht verderben zu lassen. Denn andernfalls hätten die Terroristen ihr Ziel erreicht.

Mit Zoe haben sie das Thema offen diskutiert. „Sie liest jeden Morgen die Zeitung, sie weiß sowieso, was los ist“, sagt ihre Mutter. „Nach den Anschlägen hat sie gesagt: ‚Oje, nun können wir nie wieder ins Disneyland gehen.’ Aber wir haben gesagt: ‚Wir gehen eben doch.’“ Und Zoe sagt: „Draußen mache ich mir eher Sorgen. Aber das Stadion ist, glaube ich, der sicherste Ort.“

Michael Stehle jedenfalls wird den großen Moment seiner Tochter von der Tribüne aus verfolgen. Le Stehle will derweil zu Hause zu einem Fest mit Freunden und Verwandten einladen und den großen Moment ihrer Tochter auf einer eigens aufgebauten Leinwand verfolgen. Ob Zoe dann in der Aufregung daran denkt, einen Kussmund für die Mama zu machen? Ausgemacht ist es. Und für Zoe ist eines jetzt schon klar: Der vermeintliche Unglückstreffer beim Fußball, der den gebrochenen Arm zur Folge hatte, war am Ende ein Glückstreffer.