Die Anzeichen hatten sich verdichtet. Und wer ihn etwas näher kennt, den mag das jetzige Ergebnis nicht mehr überraschen. In den vergangenen Monaten hatte Valentin Haug allen Rückschlägen zum Trotz – und davon hat es in seiner Amtszeit wahrlich viele gegeben – stets die gleiche Haltung demonstriert: Kampfgeist, weitermachen, niemals aufgeben. An diesem Sonntagabend aber? Da war erstmals alles anders gewesen. Da, nach der nächsten bitteren Niederlage, hingen die Schultern gefühlt nurmehr knapp über der Grasnarbe. Aus Haugs Stimme sprachen Niedergeschlagenheit, Ohnmacht und Resignation.
Nun hat der Trainer die Konsequenzen gezogen. Schluss beim TV Echterdingen. Haug hat sich mit seinem Rücktritt selbst den Abpfiff erteilt. Zur anhaltenden sportlichen Talfahrt des Verbandsliga-Absteigers kam mittlerweile ein persönlicher Zermürbungsprozess hinzu. „Das ist die wahrscheinlich schwerste Entscheidung, die ich in meinem Fußballerleben treffen musste“, sagt der Coach, „jeder weiß, dass das mein Herzensverein ist, in dem ich sehr, sehr gerne länger geblieben wäre.“ Aber: „Es ist im Sinne des Vereins und der Mannschaft.“ Es brauche jetzt „einen neuen Impuls, mit dem sich bis zur Winterpause vielleicht noch etwas reparieren lässt“, befindet Haug. Die Herzensfloskel, mit der ansonsten in der schnelllebigen Branche eher inflationär um sich geworfen wird, darf man in seinem Fall dabei durchaus abnehmen. Hinter sich hat der 38-Jährige knapp 14 treue Jahre in den Goldäckern. Erst Torhüter, dann sportlicher Leiter, dann Co-Trainer, dann Trainer. Zwischendurch lag lediglich ein 16-monatiger Abstecher zum Nachbarn TSV Musberg, als sich für Haug dort seinerzeit die Chance zum Einstieg eben ins Trainergeschäft eröffnete.
Die baldige Rückkehr nach Echterdingen folgte vor knapp zwei Jahren. Wer konnte damals ahnen, dass es eine der sportlich tristesten und schwersten Phasen in der Abteilungsgeschichte des Filderclubs werden würde? Blickt man allein auf die nackte Statistik, ergibt sich unter Haug eine Horrorbilanz. Von 39 Punktspielen mit ihm als Chef an der Seitenlinie hat die Mannschaft lediglich sechs gewonnen, 27 gingen verloren. Schaut man tiefer, ist zu konstatieren, dass freilich auch die Umstände alles andere als einfach waren. Nachdem unter dem Amtsvorgänger Antonino Rizzo mit Haug-Assistenz dank eines Rückrunden-Kraftakts noch der schon nicht mehr für möglich gehaltene Verbandsliga-Verbleib gelungen war, brach das Team im Sommer des vergangenen Jahrs auseinander. Der Nachfolger Haug war zu einem kompletten Neuaufbau mit überwiegend ligaunerfahrenen Spielern gezwungen. Er und die Seinen büßten schließlich auch für Versäumnisse bei der Kaderplanung.
Damit nicht genug: Heimgesucht wurden die Echterdinger von einem Verletzungspech, das ihnen in einem Ranking der Meistgebeutelten wohl einen unangefochtenen Spitzenplatz bescheren würde. Und wer gedacht hatte, diese Strähne müsste doch nun in dieser Saison auch mal wieder enden, dem ist zu sagen: Irrtum bislang. Es geht ungebremst so weiter. Aktuell stehen erneut acht Spieler auf der Ausfallliste, darunter vier Langzeitpatienten. Für den Torjäger Caglar Celiktas (Syndesmoseanriss), den Abwehrroutinier Marc Mägerle (Innenbandriss im Knie) sowie die Neuzugänge Marius Nita (Bruch der Hüftgelenkpfanne) und Merdan Babatas (zweimal die Schulter ausgekugelt) ist die Hinrunde bereits vorbei.
„Insofern trage ich als Trainer vielleicht nicht die ganze Schuld an unserer Situation, bin aber natürlich verantwortlich für die Ergebnisse“, sagt Haug. Mit jenen hat sich der Absturz bis dato auch in der Landesliga fortgesetzt. Nach besagtem 1:2 vom Wochenende zuhause gegen den 1. FC Eislingen sind die Gelb-Schwarzen weiterhin Tabellenvorletzter. Statt der erhofften Rolle im oberen Drittel des Klassements droht gleich der nächste Abstiegskampf. Zuletzt wirkte es mehr und mehr festgefahren. Auflegen konnten die Beteiligten eine lästige Dauerschallplatte: erneut gute Ansätze, erneut auf Augenhöhe mit einem Gegner – am Ende dann aber auch erneut null Punkte, mithin einmal mehr verloren. Gefehlt haben mal die letzte Konzentration, mal die Kaltschnäuzigkeit, mal die Fortune. Oder, auf einen Nenner gebracht: laut Haug „fast immer nur ein Tick“. Nur: stets knapp daneben ist dann halt auch daneben.
Gelingt unter einem Neuen nun die Wende? Für den Verein betont der sportliche Leiter Sascha Härtenstein, dass es von seiner Seite keine Trennung gegeben hätte. Zumindest nicht zum jetzigen Zeitpunkt. Diesen, daraus macht Härtenstein keinen Hehl, hält er für so ziemlich den schlechtest möglichen. „Wir haben Krautfest. Alle von uns sind dort im Einsatz, vom Abteilungsleiter über Spieler bis zum Betreuer. Da ist es natürlich nicht gerade die tollste Woche, dass ‚Vale“ gerade jetzt aufhört“, sagt er.
Sarajlic übernimmt bis auf Weiteres
Die Trainingsleitung übernimmt bis auf Weiteres der Co-Trainer Predrag Sarajlic, mit Unterstützung des Torwarttrainers Ralph Hoffmann. Dieses Duo soll auch am Sonntag (15 Uhr) im wichtigen nächsten Spiel die Verantwortung tragen – auswärts beim MTV Stuttgart, im direkten Duell zweier Krisenteams. Danach? Die Suche läuft. „Mein Kopf qualmt bereits“, sagt Härtenstein. Überzeugt ist er nach wie vor: „Wenn alle oder die meisten gesund sind, dann haben wir eine gute Mannschaft.“
Ähnlich hatte das zum Saisonbeginn auch Valentin Haug noch formuliert. Nun ist er raus. So ist das Geschäft. Nach „Hätte, wäre, wenn“ fragt am Ende keiner mehr.