Als Trainerfrau hat man es auch nicht leicht. Da weilt man im Urlaub in Kroatien. Sonne, Strand, Meer. Also eigentlich alles wunderbar. Aber was macht der Göttergatte? Hängt ständig am Handy. Ohne Fußball und die hierzu neuesten Informationen aus der Wahlheimat geht es für Roko Agatic halt auch in diesen eineinhalb Wochen nicht. Zumal dann nicht, wenn zuhause in Filderstadt die Uhr gerade in Richtung einer sportlich großen Stunde tickt.
Willkommen zurück in der Landesliga! Nur ein Jahr nach dem schmerzlichen Abstieg ist der TSV Bernhausen eher überraschend erneut dabei, zum insgesamt vierten Mal in seiner Vereinsgeschichte. Agatic und seine unter ihm geformte Rasselbande haben es mit einer rauschenden vergangenen Saison möglich gemacht. Insgesamt 105 Tore, zuletzt 18 Ligasiege in Serie – selten zuvor hat eine Mannschaft Stuttgarts höchste Spielklasse so gerockt wie die Filderstädter. Die spannende Frage ist: Wie werden sich die Himmelsstürmer nun eine Etage höher bewähren?
Mahnende Erfahrung
Nicht vergessen ist am Fleinsbach die Geschichte des bislang letzten Gastspiels auf dieser Ebene. Sie diente bei den aktuellen Planungen als mahnende Erfahrung. Auch seinerzeit, anno 2022, traten die Bernhausener ihr „Abenteuer“ mit großem Tatendrang an – aber, wie sich dann herausstellen sollte, auch mit einer deutlich zu großen Portion Blauäugigkeit. Am Ende galt: gewogen und für zu leicht befunden. Auf Strecke genügte der Kader vor allem quantitativ, aber auch qualitativ nicht den gestiegenen Ansprüchen. Nach gerade mal einer Saison war wieder Schluss. „Daraus haben wir unsere Lehren gezogen“, sagt Agatic, der selbst damals noch gar nicht dabei war. Diesmal, das steht gleichwohl auch für ihn fest, soll es anders laufen.
Mit 13 Zugängen gegenüber lediglich sechs Abgängen ist die eigene Vorgabe erfüllt, sich breiter aufzustellen. „Es war uns wichtig, den internen Konkurrenzkampf zu erhöhen“, sagt Agatic, „jetzt sind wir auf jeder Position doppelt besetzt.“ Freilich, die Masse beinhaltet zugleich Klasse, die das Niveau in der zuletzt weitgehend fixen Startelf anheben soll. Aus jener ist in dem Angriffsroutinier Werner Hottmann nur ein Spieler verloren gegangen.
Hervor sticht unter den Neuen der bisherige Maichinger Verbandsliga-Kicker Alen Neskic. Der 32-Jährige, der in seiner Heimat Slowenien in der zweiten Liga spielte, soll zu einem der Eckpfeiler werden. In ihm, dem Abwehrchef Mahir Ege (30) und dem Kapitän Ivan Matanovic (30) sieht Agatic die Achse der Erfahrenen, die die vielen Jungen im Aufgebot lenken soll. Neskic könnte im Sturmzentrum als Hottmann-Ersatz fungieren, kann aber auch über die Außenbahnen kommen. Für die zentrale Offensivposition bieten sich außer ihm noch zwei andere Einsteiger an. Auch Mihail Tomic, der seiner Freundin wegen aus dem Rheinland auf die Filder gezogen ist, und Flon Ajvazi haben in der Vorbereitung überzeugt – Letzterer als einer der Jüngsten des Kaders. 18, eigentlich noch grün hinter den Ohren, aber perfekt passend ins unveränderte Bernhausener Grundprofil, das da heißt: jung, hungrig, talentiert, entwicklungsfähig. Dass Agatic für solche Spieler ein Händchen hat, hat er seit seinem Amtsbeginn im Verein nachhaltig unter Beweis gestellt. Verschmerzen lässt sich dabei für den Coach der Rückzieher des zweiten aus Vaihingen verpflichteten Toptalents, des Torjägers Fabijan Krpan, der wie berichtet nun doch lieber weiter bei seinem alten Club bleibt. „Sehr unerwartet für uns. Aber wir wünschen ihm alles Gute“, sagt Agatic.
Auch so sieht er sich fortan vor eine wöchentliche Qual der Wahl gestellt. Auch im Tor, wo der Aufstiegskeeper Matej Livancic und der Ex-Balinger Plator Gashi (zwei Regionalliga-Einsätze) um den Nummer-eins-Status wetteifern. Oder in der Innenverteidigung, wo sich mit dem Rumänien-Auswanderer Ovidiu George Sterian eine unverhoffte zusätzliche Option ergibt. „Es wir für jeden ein hartes Rennen werden, es an den Spieltagen überhaupt in den Kader zu schaffen“, prognostiziert Agatic.
Im Großen und Ganzen beibehalten wollen die „Veilchen“ dabei ihre Ausrichtung. Jenen Spielstil, mit dem sie ihre Konkurrenten zuletzt reihenweise zu überforderten Sparringspartnern degradierten. Hohes Pressing, hohe Laufintensität, gnadenloses Tempo – so lautete das Erfolgsrezept. Auch wenn etwa dem neuen Spielleiter Thomas Otto bewusst ist: „Wir werden uns daran gewöhnen müssen, dass wir die Gegner nicht mehr aus dem Stadion schießen.“ „Ganz so den Hurrafußball wie bisher werden wir sicher nicht mehr spielen können“, sagt Otto, der im Amt zumindest bis Jahresende Danijel Baric beerbt. Letzterer legt eine beruflich bedingte Pause ein.
Zu was es dann tabellarisch reichen wird? Das Ziel ist klar. Es gibt nur eines: den Klassenverbleib. Dafür wollen die Bernhausener schnell mit dem Punkten beginnen, am besten gleich beim Auftakt am Sonntag zuhause gegen die SV Böblingen (15.30 Uhr).
Agatic, so viel ist sicher, wird dann erneut am Handy hängen und nach Infos lechzen. Sorry an seine bessere Hälfte Janja. Sie möge es verzeihen. Zurück kommen sie und der Trainer erst Mitte nächster Woche. Wegen des Jobs seiner Frau ließ sich der Urlaub nicht anders legen.
Da obendrein Agatics „Co“ Boris Maric in den Ferien weilt, übernehmen das Coaching beim Start der Teammanager Joachim Epple, der Spieleroldie Ali Karakoc und Otto im Verbund. Wer als Agatic-Hotline fungiert, ist indes noch zu klären.
Eckdaten
Zugänge
Plator Gashi (KF Kosova Bernhausen), Alen Neskic (GSV Maichingen), Aron Zogaj, Leon Ajvazi (beide TV Echterdingen), Sebastian Oehme (SKV Rutesheim), Mikail Gümüssu (TSV Plattenhardt), Mihail Tomic (SG Union Berod-Wahlrod/Bezirksliga Rheinland), Ovidiu George Sterian (ACS SR Municipal Brasov/Rumänien), Bleron Gjuraj (Junioren 1. CfR Pforzheim), Flon Ajvazi (Junioren SV Vaihingen), Tim Brückner (Junioren SSV Reutlingen), Georgios Kessapidis, Cem Constantin Sarac (beide eigene Junioren).
Abgänge
Werner Hottmann (Familienpause), Alessio Palmieri, Fabian Schürg (beide TSV Harthausen), Omar Khader (1. FC Lauchhau-Lauchäcker), Ryan Christiansen (SV Bonlanden), Nico Schaschinek (Ziel unbekannt).
Trainer
Roko Agatic (seit Juli 2023).
Spielstätte
Fleinsbachstadion (Dombasler Straße 8, 70794 Filderstadt).
Saisonziel
Nichtabstieg; früh in der Liga ankommen (Platzierung in der vergangenen Saison: 1. Bezirksliga Stuttgart).
Meistertipp
JC Donzdorf, SV Böblingen, SC Geislingen.
Auftaktspiel
zuhause gegen SV Böblingen (Sonntag, 15.30 Uhr).