Bundestrainer Joachim Löw startet mit seinem Team mit den Tests gegen Spanien und Brasilien ins Unternehmen Titelverteidigung bei der WM 2018 – mit diesen fünf Brennpunkten.

Sport: Marco Seliger (sem)

Düsseldorf - In Düsseldorf fuhr am Mittwoch aufgrund eines Warnstreiks im öffentlichen Dienst weder Bus noch Bahn, was irgendwie nicht so recht ins Bild passte angesichts des prominenten Gastes in der Metropole am Rhein.

 

Die Weltmeister sind in der Stadt – und sie wollen ordentlich Fahrt aufnehmen und ins Rollen kommen auf ihrem Weg zur Titelverteidigung bei der WM im Sommer in Russland. An diesem Freitag steigt in Düsseldorf das Testspiel gegen Spanien (20.45 Uhr/ARD), ehe am Dienstag in Berlin Brasilien zu Gast sein wird (20.45 Uhr/ZDF). Der Mittelfeldmann Sami Khedira gab die Marschrichtung für sich und seine Teamkollegen für die letzten Länderspiele vor dem WM-Trainingslager in Südtirol Ende Mai vor: Vollgas – und nichts Anderes! „Diese Partien“, sagte er, „sind für alle die letzten Bewerbungschancen für die WM.“ Vor den ultimativen Tests gibt es dabei fünf Brennpunkte bei der Nationalelf.

Der Torhüter

Manuel Neuer war da, tatsächlich und leibhaftig. Er strahlte in die Kameras, er hob die Daumen, und das dutzendfach. Der Keeper reiste für Sponsorendrehs der Nationalelf mit Blick auf die WM nach Düsseldorf – so schnell, wie er kam, war er dann aber auch schon wieder weg. Manuel Neuer flog zurück nach München, seine Rückkehr auf den Platz ist auch ein halbes Jahr nach seinem dritten Mittelfußbruch nicht abzusehen. Derzeit ist sein Comeback für April geplant, was ausreichen würde, um für die WM in Form zu kommen. Allerdings: schon mehrfach wurde Neuers Termin für die Rückkehr zuletzt nach hinten verschoben.

„Es ist eine prekäre Situation“, sagt der ehemalige Nationaltorhüter Oliver Kahn dazu und betont, dass es irgendwann auch für den Trainer schwierig werde: „Der FC Bayern setzt ihn natürlich nicht unter Druck, aber irgendwann fragt sich der Trainer auch: Wann kann ich ihn denn überhaupt noch bringen?“ Außerdem, so Kahn weiter: Neuers Stellvertreter Marc-Andre ter Stegen vom FC Barcelona könne „jederzeit eine WM spielen“. Neuer selbst geht davon aus, „dass ich bei der WM im Tor bin“. Allerdings muss der Keeper geduldig sein, denn: „Eine weitere Verletzung an dem Knochen wäre suboptimal für mich.“ Das ist noch ziemlich harmlos ausgedrückt.

Wie auch immer: Oliver Bierhoff, der Manager der Nationalelf, betonte, dass „es von uns keinen Druck gibt“. Notfalls glaube er, ergänzte Bierhoff, „dass ein Welttorhüter auch über Training schnell in den Rhythmus kommen kann“. Im Tor ist also mit Blick auf die WM alles offen – was auch für einige andere Positionen so gilt.

Die Komfortzonen

Insgesamt 14 deutsche Nationalspieler in sechs Clubs sind in diesem Jahr im Viertelfinale der Champions League vertreten – ein Beweis für die Stärke des Kaders von Bundestrainer Joachim Löw. Wo viel Qualität vorhanden ist, gibt es meist auch viel Konkurrenz. Vor allem im Offensivbereich toben die Kämpfe. Thomas Müller, Mesut Özil, Leroy Sané, Julian Draxler, Julian Brandt und Lars Stindl spielen um die Plätze hinter der vordersten Reihe, in der aktuell Timo Werner die Nummer eins ist und die beiden Stoßstürmer Sandro Wagner und Mario Gomez um das WM-Ticket ringen. Geballte Qualität und internationale Spitzenklasse ist das – Joachim Löw hat die Qual der Wahl.

Die Problemzone

Für die einzige deutsche Schwachstelle gilt das augenscheinlich nicht. Auf der linken Außenverteidigerposition drückt der Schuh. Jonas Hector vom 1. FC Köln spielt zwar meist einen soliden Part, den Nachweis der internationalen Klasse blieb er aber bisher schuldig. Ebenso wie die Alternative, Marvin Plattenhardt von Hertha BSC. Das Problem hinten links ist ein hausgemachtes. In der Ausbildung in den Clubs und beim DFB wurde auf die Außenverteidiger in den vergangenen Jahren keinen Wert gelegt, weshalb es auf dieser Position noch immer Notlösungen gibt – auch bei der WM.

Die Härtefälle

Der DFB-Präsident Reinhard Grindel sah sich am Mittwoch genötigt, eine Lanze für Weltmeister Mario Götze zu brechen. „Joachim Löw schreibt niemanden ab. Für niemanden ist die Tür zu. Das gilt auch für Mario Götze“, sagte Grindel. Fakt ist: Götze ist nicht dabei gegen Spanien und Brasilien, ebenso wie seine Teamkollegen von Borussia Dortmund, Marco Reus und André Schürrle. Die besten Chancen aus dem schwarzgelben Trio, am Ende doch mit nach Russland zu fahren, hat Reus, der sich nach langer Verletzungspause im Aufwind befindet. Die aktuell durchwachsene Form und die starke Konkurrenz im Offensivbereich spricht gegen Götze, den Finalheld von Rio 2014. Und auch für André Schürrle, den Vorlagengeber im WM-Finale, dürfte es trotz zuletzt aufsteigender Form eng werden.

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Die Mentalität

Für Oliver Bierhoff ist der Fall klar: „Die WM fängt in den Köpfen langsam an. Der Fokus wird enger.“ Joachim Löw fordert von seinen Spielern die totale Hingabe fürs große Ziel, die Verteidigung des WM-Titels. „Wir wollen sehen und spüren, dass die Jungs dem alles unterordnen“, sagt er. Wenn es nach Thomas Müller geht, hat das Team die Botschaft verstanden. „Wir sind die Auslese, wir sind die, die ganz oben sind“, sagte er, was dies zur Folge habe: „Wir wollen immer gewinnen – schon bei einer Niederlage im Trainingsspiel können wir schlecht einschlafen.“ Joachim Löw wird es also recht wohlwollend zur Kenntnis nehmen, wenn er in den nächsten Tagen auf den einen oder anderen übermüdeten Nationalspieler trifft.