Ein Anfang ist gemacht beim Neustart der Deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Nach dem teils starken Auftritt beim 3:2 gegen die Niederlande stellt sich die Frage: Welche Wirkung kann dieses Erfolgserlebnis entfalten?

Amsterdam - Sie hatten gefehlt in der Startformation der deutschen Fußball-Nationalmannschaft zum Auftakt der EM-Qualifikation. Marco Reus und Ilkay Gündogan kamen spät ins Spiel – aber: Wie sie kamen?!

 

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Es lief bereits die letzte Minute der Partie in Amsterdam gegen die Niederlande, als sich Gündogan auf engstem Raum drehte. Als er einen klugen Pass spielte auf seinen ehemaligen Mitspieler bei Borussia Dortmund. Und als Marco Reus den Ball erlief und ihn nach innen passte, wo Nico Schulz nicht nur wartete, sondern die Kugel mit der Innenseite seines rechten Fußes auch ins holländische Tor beförderte. Der Rest? Jubel, Erleichterung – und ein Gefühl der Zufriedenheit, dass sich ungefähr eine Stunde vorher schon einmal eingestellt gehabt hatte.

Traumtor von Serge Gnabry

In der 34. Minute der Partie schien es, als sei Serge Gnabry viel zu weit auf dem linken Flügel, als dass aus dieser Situation noch Gefahr hätte entstehen können. Doch dann führte der Stürmer des FC Bayern den Ball an Top-Verteidiger Virgil van Dijk vorbei, umkurvte auch dessen Kollegen Denzel Dumfries, peilte das rechte obere Toreck an – und genau dort schlug sein unglaublich schöner Schuss dann auch ein. Ein Traumtor – an einem bis dahin traumhaft schönen Abend. Zumindest für das deutsche Team.

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Das nämlich startete in einer Art und Weise, die nicht viele Experten der Mannschaft zu diesem Zeitpunkt zugetraut hatten. Es war Spiel zwei nach dem endgültig eingeleiteten Umbruch. Das 1:1 im Test gegen Serbien am vergangenen Mittwoch hatte noch Zweifel genährt, nun bot sich ein anderes Bild.

Wach und konzentriert agierte die deutsche Defensive, in der Bundestrainer Joachim Löw einer Dreierkette vertraute. Passsicher und ohne Umschweife wurde im Mittelfeld umgeschaltet – in der Zentrale organisierten Toni Kroos und Joshua Kimmich das deutsche Spiel. Und vorne ging es dank Serge Gnabry und Leroy Sané mit viel Tempo zielstrebig in Richtung gegnerisches Tor. „Die erste Hälfte war sensationell“, analysierte später Serge Gnabry. Das alles überraschte so manchen Beobachter, vor allem aber die Elftal, die wohl im Gefühl des sicheren Sieges in die Partie gegangen war. Nach nicht einmal zwei Minuten wusste es die Mannen von Bondscoach Ronald Koeman dann besser.

Nach der Pause wendet sich das Blatt

Gnabry hatte die erste deutsche Chance, die zweite nutzte in der 15. Minute dann schon Leroy Sané zur Führung. Wenig später hatten die Niederländer zwar zwei Topchancen durch Ryan Babel – doch plötzlich präsentierte sich auch Manuel Neuer wieder in einer starken Form. Der Münchner Keeper reagierte zweimal überragend – und nachdem Gnabry dann das 2:0 gezaubert hatte, sah es tatsächlich so aus, als würde sich Löws neuformierte Mannschaft mit einem riesigen Ausrufezeichen zurückmelden im Konzert der Topteams. Allerdings: In der zweiten Hälfte wendete sich das Blatt.

Koeman war wohl etwas deutlicher geworden in der Kabine, jedenfalls spielten seine Schützlinge nach der Pause wie ausgewechselt. Die Niederländer waren nun präsenter, aggressiver, schneller, lauffreudiger – und schon kam deren individuelle Klasse zum Tragen.

Erstmals in der 48. Minute, als Mathijs de Ligt eine Flanke von Memphis Depay ins deutsche Tor köpfte. Und als die DFB-Abwehr in der 63. Minute den Ball nicht konsequent klären konnte, betätigte sich der Vorlagengeber selbst als Torschütze. 2:2 nach 2:0 – das deutsche Team hatte seine Souveränität eingebüßt, fand offensiv kaum noch statt und geriet weiter unter Druck. Immerhin: Die Mannschaft stemmte sich mit Macht gegen die plötzlich drohende Niederlage, bewies mehr Reife und Leidenschaft als zuletzt – und gab dann kurz vor Schluss doch noch eine Antwort auf das niederländische Anrennen.

Wendepunkt für das Nationalteam?

Toni Kroos, Ilkay Gündogan, Marco Reus, Nico Schulz – 3:2. „Es ist schön, dass wir diesen krönenden Abschluss hatten“, sagte Mannschaftskapitän Manuel Neuer und sprach nach der Partie sogar von einem möglichen „Wendepunkt“. Serge Gnabry meinte: „Dieses Tor kann uns puschen.“ Und Löw ergänzte: „Die Mannschaft hat den Glauben nicht verloren und grandios gekämpft. So ein Sieg in Holland kann uns helfen im weiteren Prozess.“ Ob sich diese Wirkung tatsächlich einstellt?

Das wird am 8. Juni zu beobachten sein. Dann nämlich folgt das zweite Qualifikationsspiel in Weißrussland, drei Tage später geht es gegen Estland.