Die Nations-League-Partie der DFB-Auswahl gegen Frankreich ist von großer Bedeutung. Es können sich viele Dinge klären. Für den Bundestrainer. Für die Nationalelf. Und für den DFB.

Sport: Marco Seliger (sem)

Paris - Joachim Löw schläft in diesen Tagen etwas schlechter als gewohnt. Unruhiger, wie er es selbst auf Nachfrage nach seiner Nachtruhe sagt. Doch wer immer dachte, dass das an der prekären Lage oder gar dem großen Druck liegt, der vor dem Spiel in der Nations League gegen den Weltmeister Frankreich an diesem Dienstag (20.45 Uhr/ARD) auf ihm lastet, den belehrte der Bundestrainer in Paris eines besseren. Ein bisschen grippekrank sei er, mit Hals- und Gliederschmerzen, teilte er am Montag mit. Das stört Löws Schlaf ein bisschen.

 

Aber der Druck? Iwo! Was ist schon Druck!

Mit Druck, sagte Löw, könne er gut umgehen. Er wisse, dass es das nach der schlechten WM und der aktuell schwierigen Phase gebe. Und dann kam so etwas wie ein Seitenhieb an all die Kritiker, die Löws Zeit als Bundestrainer so langsam ablaufen sehen. „Wenn das alles an Druck war“, sagte Löw und hielt kurz inne, „dann halte ich ihn aus.“

Löw geht seinen Weg weiter

Willkommen zur Löw-Show im so genannten Auditorium des Pariser Stade de France, dort also, wo sich an diesem Dienstag womöglich viele Dinge klären. Für Löw. Für die Nationalelf. Und für den DFB.

Der kinoartige Saal mit den weichen blauen Sesseln ist am späten Montagmittag in warmes Scheinwerferlicht gehüllt, als der Hauptdarsteller die Bühne betritt. Und dort keinesfalls eine neue, eher unbekannte Seite von sich zeigt. Sondern die Fortsetzung der Löw-Serie namens „Immer weiter so, komme, was wolle!“

Dass das geneigte Publikum sich bei diesem Standardprogramm im Zweifel spätestens seit dem 0:3 von Amsterdam mit Grauen abwendet, ist Löw offenbar egal. Gut, der Bundestrainer kündigte nach der Pleite gegen die Niederlande am Samstag einige personelle und taktische Änderungen an. Aber sonst?

Löw gibt weiter den gelassenen Erfolgscoach, der mit seinem Team gerade eine Talsohle durchschreitet. Nichts ist mehr zu spüren von der Selbsteinsicht, die Löw in seiner WM-Analyse Ende August für die Zeit rund um das Turnier zur Schau gestellt hatte. Als arrogant hatte Löw da seine Haltung in taktischen Fragen rund um das Turnier in Russland bezeichnet. Es war eine fast schon historische Selbstgeißelung. Jetzt ist Löw offenbar wieder bei sich. Auf der Weltmeisterwolke.

„Mit Rückschlägen muss man rechnen“

Die aktuelle Situation, so sagte er es am Montag, käme nicht unerwartet. Ihm sei klar gewesen, dass man nach dem Vorrundenaus bei der WM im Sommer nicht sofort auf allerhöchstem Niveau ankomme. „Mit Rückschlagen“ sagte Löw, „muss man rechnen.“ Was immer mitschwang bei diesen Aussagen: Wird schon wieder. Wir haben die Dinge im Griff. Eine erstaunliche Sichtweise ist das nach dem teils desaströsen deutschen Auftritt vom Samstag in Amsterdam, der in der zweiten Hälfte noch schlimmer war als jene bei der WM im Sommer.

Und das ist eine Kunst. Löw wirkte nun so, als würde eine im Grundsatz immer noch über alle Zweifel erhabene Elf beim Weltmeister antreten und in Paris einen kleinen Betriebsunfall korrigieren. Mit der Kritik, sagte Löw noch, könne er gut umgehen, denn: „Das kann ich gut ausblenden in solchen Tagen zwischen zwei Spielen.“

Zumindest bemerkenswert ist diese Haltung in dieser Phase, in der munter spekuliert wird, ob der gelassene Löw bald Geschichte ist als Bundestrainer. Dass aber nicht nur seine Elf auf dem Platz gerade eine gewisse Klarheit und Strukturiertheit vermissen lässt, sondern auch der Trainer außerhalb, belegt die Widersprüchlichkeit von Löws Duktus am Montag und jenem am Samstag nach dem 0:3 gegen die Niederlande. Da sprach der Coach davon, dass man jetzt auf die Fresse kriegen werde und dass das auch normal sei. Löw, der smarte Feingeist, war da so weit von sich selbst entfernt wie wohl selten in seiner nun knapp zwölfjährigen Amtszeit. Am Montag nun kam er wieder bei sich an. Ob das mit Blick aufs Spiel gegen die Franzosen ein gutes Zeichen ist, wird sich weisen.

Löw ist nach einem 0:4 gegen die Franzosen nicht mehr tragbar

Klar ist: Für Löw zählen von nun an nur noch Ergebnisse. Er ist ein Trainer, der sich im Kampf gegen den Abstieg befindet, mit dem Unterschied, dass in der Nations League der Tabellendritte und nicht der 18. oder der 20. absteigt. Sollte die deutsche Elf in Paris ähnlich in sich zusammenbrechen wie in Amsterdam, ist ein schnelles Ende Löws als Bundestrainer nicht mehr ausgeschlossen. Der Druck wäre immens, und die Dinge könnten selbst im bis vor kurzem noch höchst Löw-jovialen DFB-Präsidium die berühmte Eigendynamik entwickeln. Vereinfacht gesagt: Löw wäre nach einem 0:4 gegen die Franzosen wohl nicht mehr tragbar. Selbst für den DFB-Präsidenten Reinhard Grindel, den Mann, der Löws Vertrag vor der WM in Russland ohne Not vorzeitig bis 2022 verlängert hatte, nicht.

Gegen dieses Szenario wiederum spricht, dass bereits Mitte November die nächsten Länderspiele anstehen. Wenig Zeit bleibt da für einen möglichen Nachfolger, der in der allgemeinen Drucksituation schnell verheizt werden könnte. Die nächsten Länderspiele steigen dann erst wieder im März 2019 – was der DFB-Spitze mehr Zeit für eine geordnete Suche nach einem möglichen neuen Bundestrainer gäbe.