Fußball-Verbandsligist SKV Rutesheim feiert in einem emotionalen und dramatischen Spiel mit 4:3 (2:0) über den SSV Ehingen-Süd seinen vierten Saisonsieg. Doch die Sorgen von Trainer Christopher Baake reißen nicht ab.
Die Stimme von Christopher Baake hat sich fast überschlagen. „Muss ich noch lauter schreien?“, brüllte der Trainer der SKV Rutesheim aufgebracht zum Schiri-Assistenten an der Linie. Es lief die Nachspielzeit, der Coach wollte mit einem Wechsel noch ein paar Sekunden von der Uhr nehmen. Der Mann mit der Fahne reagierte nach einer gefühlten kleinen Ewigkeit, nahm den Austausch vor und erklärte Baake mahnend, dass er sich in der Emotionalität den Unparteiischen gegenüber zurückhalten möge – doch jeder Mensch, der Fußball und seinen Club liebt, weiß, dass das mit der Contenance in Schlussphasen so eine Sache ist.
Denn die SKV führte 4:3 und alle SKV-Sympathisanten wollten ihn unbedingt, diesen Sieg, den ersten Dreier seit vier Monaten und zwölf Tagen. Zuletzt hatte der Anhang am 29. Oktober beim 2:0 über den TSV Berg gejubelt. Und schließlich war es dann wieder so weit. „Dieser Sieg“, sagte Baake einige Minuten später und emotional wieder auf Normaltemperatur, „der tut uns so gut, der gibt uns Selbstvertrauen – und ich finde, er ist wirklich verdient.“ Ein Sieg als Balsam für eine geschundene Seele, der dem Kampf gegen den drohenden Abstieg einen Schub gibt, wenngleich der Klassenverbleib mit der Rettung der Titanic gleichzusetzen wäre. Es fehlen 14 Punkte bei noch 13 ausstehenden Spielen in den sicheren Verbandsliga-Hafen.
„Die Mannschaft hat heute gezeigt, dass sie Charakter hat“, betonte Baake, „sie lässt sich nicht hängen und wollte unbedingt gewinnen.“ Der Weg hin zum Dreier war mit einigen Zutaten garniert, mit Euphorie, mit Frust, mit Hoffnung, mit Aufbäumen und mit ein wenig Glück. In der ersten Hälfte wunderten sich viele der etwa 150 Zuschauer über das, was sie auf dem Kunstrasen sahen – der Abstiegskandidat gab kräftig Gas, der Club aus dem Mittelfeld brachte nur punktuell einen Fuß auf den Boden. Die Rutesheimer machten Tempo, waren bissig, willig, elanvoll – und wurden für ihr Engagement belohnt. Nach einem Freistoß von rechts nahe der Eckfahne von Kapitän Alexander Wellert wuchtete Joshua Trefz der Ball per Kopf ins SSV-Netz zum 1:0 (18.).
Danach marschierten die SKV-Akteure weiter mutig vorwärts, vor allem der quirlige Patric Vaihinger und der fleißige Pascal Maier machten auf der rechten Seite unglaublich viel Betrieb und beschäftigten die Ehinger Defensive ein ums andere Mal. Im Sturmzentrum gefiel Collin Schulze in der Rolle des ständigen Unruhestifters in und um den SSV-Strafraum. Das 2:0 fiel (erwartungsgemäß) über rechts, wo sich Maier durchgesetzt hatte und mustergültig Maxim-Maurice Russ auflegte, der überlegt einschoss (37.). Die Ehinger gingen mit ihren zwei Topchancen haarsträubend um oder scheiterten zweimal am aufmerksamen und reaktionsstarken SKV-Keeper Jan Göbel.
Aus dem 3:0 wird ein 3:3
Wer nach dem 3:0 durch Schulze auf Vorlage von Maier (67.) glaubte, die Partie sei gelaufen, irrte sich wie die Gelehrten, die vor 500 Jahren überzeugt waren, die Erde sei eine Scheibe. Der SSV machte durch Julian Tessmann (70.) das 1:3, Kevin Ruiz verwandelte einen umstrittenen Strafstoß zum 2:3 (73.), wobei Torhüter Göbel versicherte: „Ich habe klar den Ball gespielt.“ Und Aaron Akhabue glich zum 3:3 (77.) aus. „Danach hätte kaum jemand einen Pfifferling auf mein Team gegeben“, meinte Baake. Aber die Mannschaft brach nicht in sich zusammen, sondern zog sich selbst aus dem Sumpf des Frustes, sie war aktiv. Joshua Schneider wurde im Strafraum von den Beinen geholt, Wellert verwandelte den Elfer mit breiter Brust und kühlem Kopf sicher zum 4:3.
Patric Vaihinger muss verletzt raus
Der Jubel bei Baake und Co. war riesig, wobei sich ein paar Tropfen Wasser in den Wein mischten. Vaihinger hatte sich ohne Kontakt eines Gegners verletzt, wie lange er ausfällt ist unklar. Zudem wurde bei Antonio di Viesti unter der Woche eine Schambeinentzündung diagnostiziert, er fällt wohl bis Saisonende aus. Henry Strahl (krank) und Tim Rudloff (Schleudertrauma) dürften bald zurückkehren. Alles in allem: Die Mission, das Unmögliche möglich zu machen, wird für Baake nicht einfacher. Aber solche Siege wie dieses 4:3 geben ordentlich Energie. SKV Rutesheim: Göbel – Vaihinger (59. Stütz), Trefz, Kogel, Wellert, Heiler – Maier (75. Walter), Obert, Russ, Streit (59. Schneider) – Schulze (Eberhardt 90+4).