Fußball-Verbandsliga: SV Fellbach „Einmalig, herausragend, historisch“

Mario Marinic, Aufstiegstrainer des SV Fellbach, blickt nach einer – abseits des Platzes – turbulenten Saison in eine ungewisse Zukunft. Foto: /Holger Strehlow

Der scheidende Fußball-Trainer Mario Marinic, der die Verbandsliga-Fußballer des SV Fellbach in der jüngst abgelaufenen Saison zum Meistertitel und in die Oberliga geführt hat, lässt die Saison noch einmal Revue passieren. „Ich bin mit mir und meiner Arbeit im Reinen.“

Die Verbandsliga-Fußballer des SV Fellbach haben am letzten Spieltag den Meistertitel und den damit verbundenen Oberliga-Aufstieg perfekt gemacht. Ein Verdienst, der in einer mehr als turbulenten Saison, vor allem dem scheidenden Cheftrainer Mario Marinic gebührt. Im Interview äußert sich der 39-Jährige über seine Arbeit, über das was möglicherweise hätte anders laufen können und den Mut der Verantwortlichen den Schritt in die Oberliga zu wagen.

 

Herr Marinic, wenn Sie die Saison in drei Wörtern zusammenfassen müssten, wie lauteten diese?

Einmalig, herausragend, historisch.

Und wenn Sie ausführlicher sein dürfen?

Diese Meisterschaft ist außergewöhnlich und schon einmalig bei all den Begleiterscheinungen und Turbulenzen rund um den Fußballplatz. Mehr als zwei Drittel der Mannschaft inklusive des Trainerteams und der Betreuer haben frühzeitig angekündigt, den Verein zu verlassen – drei Spieler unter anderen zum ärgsten Aufstiegskonkurrenten Calcio Leinfelden-Echterdingen. Und dann schafft man mit dem Gewinn der Meisterschaft trotzdem den großen Wurf. Das ist unvorstellbar und verdient allerhöchste Anerkennung.

Der SVF ist als einer der Topfavoriten auf den Titel in die Saison gestartet. Wie sehr waren Sie vor Saisonbeginn selbst davon überzeugt, Meister zu werden?

Nach dem dritten Platz in der vorausgegangenen Saison wollten wir diese Platzierung bestätigen oder verbessern. Und mit dieser Einstellung und dem Ziel sind wir dann auch gestartet. Wir haben immer daran geglaubt. Weil wir in dieser Saison ohne Sportlichen Leiter unterwegs waren, nur einen gelernten Innenverteidiger im Kader hatten, phasenweise Ausfälle vieler Stammkräfte wie den Torjäger Fabijan Domic, Niklas Pollex, Niklas Koroll oder Torwart Philipp Gutsche verkraften mussten, kann man diese herausragenden Leistungen des ganzen Teams gar nicht hoch genug bewerten – ganz unabhängig von den finanziellen Turbulenzen, die uns zuletzt bekleidet hatten.

Sportlich hätte es in dieser Saison nicht besser laufen können, im Umfeld sehr wohl. Vom Hauptsponsor Wohninvest kam zu Jahresbeginn kein Geld mehr, mit den Spielern wurden lange keine Gespräche über deren Zukunft geführt. Jetzt sind fast alle weg inklusive Ihrer Person. Wie wäre dieses Szenario zu verhindern gewesen?

Ich mache niemandem einen Vorwurf oder verteile Schuldzuweisungen. Es gab für alles Gründe. Auch möchte ich nicht in der Haut der Abteilungsleitung und deren handelnden Personen stecken. Man darf sich jedoch fragen, ob in Sachen Offenheit, Ehrlichkeit und Transparenz alles richtig abgelaufen ist und ob nicht schon frühzeitig ein Plan B hätte auf den Tisch kommen können. Jeder einzelne Spieler hat für sich selbst über seine Zukunft entschieden und sich sein eigenes Urteil gebildet.

Die Abteilungsleiterin Nicole Sdunek hat zuletzt behauptet, dass inzwischen alle Zahlungen getätigt wurden und die Spieler keine offenen Forderungen mehr gegenüber dem Verein haben. Aus Mannschaftskreisen ist etwas anderes zu hören.

Darüber möchte ich mich im Detail nicht äußern, aber es sind auf jeden Fall Forderungen der Spieler gegenüber dem Verein offen.

Wann haben Sie wirklich fest daran geglaubt, dass der Aufstieg wahr werden kann?

Wir waren wie eine Familie, waren in unserer Blase und haben uns von nichts aufhalten lassen, um Historisches zu erreichen. Nach dem Auftritt bei Türkspor Neckarsulm und spätestens nach dem Auftritt zu Hause gegen Calcio war mir klar, dass wir dieses Ding über die Ziellinie bringen.

Was hat die Spieler in dieser Saison in besonders hohem Maße ausgezeichnet?

Der Glaube, der Wille, der Charakter, die Einstellung. Diese Mentalität sucht ihresgleichen im Zusammenspiel mit unserem fußballerischen Auftreten. Deshalb wurden wir auch zurecht mit der Meisterschaft belohnt.

Welcher Moment war für Sie der absolut emotionalste in der abgelaufenen Meisterschaftsrunde?

Das war ganz klar der Sieg in Berg. Es war die gefühlte Meisterschaft mit dem Siegtreffer in der 96. Minute. Ich habe viele Jungs und Angehörige mit Tränen in den Augen gesehen, und mir selbst erging es nicht anders. Das waren unglaubliche Emotionen.

Auch für Sie selbst war die Rückrunde keine einfach Zeit, kein Zuckerschlecken. Sie konnten sich nicht nur aufs Sportlichen konzentrieren. Inwieweit waren Sie noch gefordert und wie viel Kraft hat das gekostet?

Vieles ging von Anfang an über das Trainerdasein hinaus. Aber ich habe das gern und im Sinne des Vereins und seiner Entwicklung getan. Als ich vor zwei Jahren gekommen war, sah Vieles aus wie vor 20 Jahren zu meiner Zeit als Jugendspieler – der Kraftraum, der Besprechungsraum, das Vorzimmer zur Trainerkabine bis hin zu den Strukturen im Verein. Dem Social-Media-Auftritt bei Instagram und Facebook hat bis vor einem Jahr keiner Interesse geschenkt, ich habe ihn zum Leben erweckt. Die Reichweite ist mittlerweile dreifach so groß. Damit hat der Verein SV Fellbach nicht nur sportlich, sondern auch nach außen hin deutlich mehr an Aufmerksamkeit und Strahlkraft gewonnen.

Wie groß ist Ihre Enttäuschung, dass Sie mit den Spielern, die Sie letztlich zu einer starken Einheit geformt haben, künftig nicht in der Oberliga antreten werden?

Die Enttäuschung und Trauer ist groß. Mein Trainerteam und ich haben zwei Jahre lang viel Zeit, Kraft und Energie in dieses Vorhaben gesteckt. Mit Erfolg. Ich bin mit mir und meiner Arbeit im Reinen. Viel wichtiger aber ist, dass der Großteil der Jungs in den Genuss kommt, künftig in der Oberliga zu spielen – in anderen Teams. Das haben sie sich absolut verdient und das am Ende mit dem Heldenstatus des einmaligen Verbandsligameisters SV Fellbach.

Und wie geht es mit Ihnen weiter? Was werden Sie in den nächsten Wochen und Monaten tun?

Die vergangenen Monate haben sehr, sehr viel Kraft gekostet, vor allem emotional, mental und physisch. Wie es jetzt weitergeht, werden wir sehen. Ich hatte interessante Anfragen und habe sie immer noch. Aber am Ende muss alles im Einklang mit dem Job und der Familie sein. Wenn ich etwas Neues beginne, dann mit voller Hingabe und Leidenschaft. Ich werde nichts überstürzen und erst einmal mit meiner Familie in den Urlaub fahren. Sollte es nicht gleich auf die Trainerbank gehen, plane ich mit meinen Kontakten Hospitationen bei höherklassigen Vereinen.

Der SVF hat das Aufstiegsrecht für die Oberliga wahrgenommen und wird dort mit einer neuen Mannschaft auflaufen. Nicht nur Ioannis Tspakidis, Fellbacher Ex-Trainer und jetzt Sportdirektor bei Calcio Leinfelden-Echterdingen, spricht von einem Himmelfahrtskommando. Wie sehen Sie das als ehemaliger Oberliga-Kicker und -Spielertrainer?

Ich verstehe, dass der Verein diesen einmaligen Schritt gehen will. Ob es im Nachhinein richtig ist, wird sich zeigen. Nicht ohne Grund verzichten Vereine wie der ATSV Mutschelbach oder die TSG Weinheim auf die Oberliga. Wir sprechen da schon fast von bezahltem Fußball und von Vereinen mit Etats und Strukturen, von denen der SVF weit weg ist. Was ich nicht teile, ist die Aussage von Sportdirektor Frank Weile, der sagt, der SVF bestreitet jetzt einen neuen Weg, bei dem er auf junge, hungrige Spieler und Eigengewächse setzt. Dieser vermeintlich neue Weg ist ohne Hauptsponsor und Gönner Harald Panzer erst einmal alternativlos. Aber auch mein Kader hatte keinen Ü-30-Spieler. Wir haben im Sommer 2023 drei eigene A-Junioren herangezogen. Zudem hatten wir in Fabijan Domic, Matteo Binner und Niklas Koroll – um nur einige zu nennen – Stammkräfte, die ebenfalls aus der SVF-Jugend stammten. Und selbst die Achse mit Unterschieds- und Qualitätsspielern wie Niklas Pollex, Sebastian Gleißner oder Leon Braun, die für ambitionierten und höherklassigen Fußball unumgänglich sind, haben Fellbacher Jugendvergangenheit. Die Spieler, die künftig für den SVF auflaufen, die Oberliga als Plattform sehen, von Beratern angetragen werden und auf sich aufmerksam machen wollen, haben keine Identifikation mit dem SV Fellbach. Um die Frage abzuschließen: die Strukturen und die Power sind bei Weitem nicht vorhanden, um sich auf Dauer in der Oberliga zu etablieren. Dementsprechend trifft die Aussage von Frank Weinle wiederum zu, das ganze Oberliga-Unterfangen als mega Challenge zu bezeichnen.

Was wünschen Sie Ihren Meisterspielern für die Zukunft?

Gesundheit, Verletzungsfreiheit und weiterhin viel Spaß, egal wo sie spielen. Um es mit einem Satz abzurunden: Es ist nicht wichtig wie die Menschen über einen sprechen, wenn man kommt, sondern wenn man geht und Abschied nimmt.

Und der Fußballabteilung?

Alles Gute für die Zukunft, ein ruhiges Fahrwasser, einen Zusammenhalt im Verein sowie ganz viel Durchhaltevermögen in einer tollen Fußball-Liga, der Oberliga Baden-Württemberg.

Familienmensch und Trainer

Privates
 Mario Marinic wurde am 9. September 1984 in Waiblingen geboren. Mit seiner Frau Sarah und den Söhnen Leano (drei Jahre) und Lian (neun Monate) wohnt er in Beinstein. Marinic arbeitet in Waiblingen als Versicherungsfachmann und ist stellvertretender Leiter einer Versicherungsagentur.

Sportliches
 Als Spieler hat Marinic einst beim FSV Waiblingen begonnen. Noch in der Jugend wechselte er zum SV Fellbach, bei dem er auch seine ersten Einsätze bei den Männern hatte. Es folgten die Stationen TV Oeffingen (Landesliga), VfB Neckarrems (Oberliga und Verbandsliga), VfR Aalen (Regionalliga) und TSG Backnang (Oberliga und Verbandsliga). In Backnang war er vor seinem Wechsel zum SV Fellbach eine Saison Spielertrainer in der Oberliga und führte das Team auf den dritten Rang. Der 39-Jährige besitzt die Trainer-B-Lizenz.  

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