Der Gesundheitszustand des Fußball-Nationaltorhüters Manuel Neuer genießt im DFB-Trainingslager in Südtirol größte Aufmerksamkeit. Und Marc-André ter Stegen wird in der allgemeinen Hysterie und vor dem Testspiel gegen Österreich zur Randfigur.

Sport: Marco Seliger (sem)

Eppan - Ein letzter kurzer Austausch mit Manager Oliver Bierhoff auf dem Platz, ein Schluck aus der Pulle, dann der gemeinsame Gang mit Sami Khedira durch den schmalen Korridor hinauf zum Kabinentrakt, in dem sich sonst die Profis des FC Südtirol umziehen. Dort hoch also auf den kleinen Hügel, wo nun schon die vielen Kinder hinter der Absperrung warten, die mit ihren Eltern im Urlaub sind und alle Trikots der Nationalelf tragen. Um wen es hier geht? Klar, um Manu. Oder besser. Um „Mmaaaaannuuuuuu“, wie es aus zig Kehlen freudig zu hören ist, als die kleinen Knirpse nach dem Training einen Blick auf Manuel Neuer erhaschen.

 

Wenig später geht Thomas Müller hinauf, auch ein Weltmeister, auch ein Superstar, auch ein Held der Jugend. Das Rufen nach „Thhhooommaaaass“ aber wirkt im Vergleich zu den lauten „Mmaaaannuuuuuuu“-Schreien fast so leise wie aus einer Messdienerandacht.

Manuel Neuer steht im Fokus

Keine Frage: Manuel Neuer und niemand anderes als Manuel Neuer steht beim Trainingslager in Südtirol im Mittelpunkt. Und das nicht nur bei den jüngsten Anhängern.

Immer neue Wasserstandsmeldungen gibt es über den Gesundheitszustand der Nummer eins, deshalb hier kurz der aktuellste Stand, der in diesem Fall ja tatsächlich mal ein neuer ist. Der Torhüter wird spielen beim WM-Test gegen Österreich an diesem Samstag in Klagenfurt (18 Uhr/ZDF), so wie er es schon im internen Test gegen die deutsche U 20 am Montagabend (7:1) getan hat, und so wie er das an diesem Mittwoch gegen die U 20 wieder tun wird, jeweils eine Hälfte lang.

Test am Samstag ist entscheidend

„Das sind die Spiele, die er braucht“, sagte Torwarttrainer Andreas Köpke und ergänzte: „Danach müssen wir entscheiden, ob es geht.“ Sprich: ob Neuer mit zur WM fährt. Alles steht und fällt für Neuer mit diesem einen Test am Samstag am Wörthersee gegen Österreich. Besteht er ihn, fährt er als Nummer eins zur WM. Hält der vor acht Monaten gebrochene Mittelfuß im ersten ernsthaften Spiel nach der langen Pause nicht, bedeutet dies das WM-Aus. Am 4. Juni nominiert der Bundestrainer Joachim Löw seinen endgültigen Kader. Spätestens dann herrscht Klarheit.

Andreas Köpke übrigens war am Dienstag nach „Mmaaaaannuuuuuuu“ der begehrteste Mann, und es hätte dem Vernehmen nach nicht viel gefehlt, dass einige Medienvertreter in der allgemeinen Neuer-Hysterie Köpke auf dem Podium „Aaaannnnddddiiii, sssaaaaggg unnnsss wwwwaaasss zzzuuu Nnneeeuueerrr“ zugerufen hätten. Es blieb dann aber doch noch ganz ruhig. Und Torwarttrainer Köpke referierte sachlich über Neuers Zustand: „Im Training sieht man keinen Unterschied mehr. Es ist so, als wenn er nie weg gewesen wäre.“ Und weiter: „Mit Blick auf die WM habe ich keine Bedenken.“

Marc-André ter Stegen bleibt nur die Nebenrolle

Auch ein gewisser Marc-André ter Stegen übrigens sprang, hechtete und hielt wie Neuer im Training zuletzt viele Bälle. Ter Stegen wirkt extrem gefestigt, wie das immer so schön heißt. Aber so wirklich wahrgenommen hat das außer den Mitspielern und dem Trainerstab wahrscheinlich kaum einer. Denn nur Neuer zählt. Und nicht der Mann, der eine überragende Saison mit dem FC Barcelona hinter sich hat und der den Confed-Cup im vergangenen Jahr gewann. Der Mann, dem Andreas Köpke wie Neuer das Attribut „Weltklasse“ verlieh. Ter Stegen verkommt in Südtirol zur Randfigur.

Köpke berichtete nun, dass er mit Joachim Löw ein Gespräch mit ter Stegen geführt habe. „Er weiß um die besondere Situation. Manu ist unser Kapitän und Weltmeister. Wir versuchen alles, dass es funktioniert. Natürlich würde Marc-Andre gerne spielen. Aber er kann damit umgehen.“ Köpke ergänzte, dass er nicht das Gefühl bekommen solle, nur ein Notnagel zu sein.

Neuer ist auch der Star im DFB-Fernsehkanal

Das aber ist nach Lage der Dinge nahezu unmöglich. Weil auch der DFB selbst die Richtung vorgibt – und die führt schnurstracks zu Manuel Neuer. Auf seinem hauseigenen Fernsehkanal zeigt der Verband täglich eine Videoserie. Sie heißt: „Manu – die Serie“, und in den kurzen Sequenzen hat das Filmteam nahezu jeden Schritt festgehalten, den Manuel Neuer in Südtirol macht. Neuer joggt, Neuer fährt Fahrrad, Neuer hier, Neuer dort.

Es wirkt in diesen Tagen von Eppan so, als hänge Wohl und Wehe der Nationalelf allein davon ab, ob der Torwart noch rechtzeitig fit wird – oder nicht. Als gäbe es da nicht noch eine Taktik oder irgendwelche Gegner, als gäbe es nicht noch zehn Mitspieler davor – oder einen fähigen Vertreter für den Platz im Tor. Über Marc-André ter Stegen allerdings gibt es, wenig überraschend, keine DFB-Serie.

Als er am Dienstagmittag an den Kids oben am Hang vorbeigeht, ist es ruhig. Einige Familien gehen bereits wieder. Sie haben Manuel Neuer ja schon gesehen.