Die deutsche Kapitänin Alexandra Popp ist mit ihrem Einsatz die Symbolfigur der deutschen Mannschaft. Der Kopfballtreffer der Frohnatur im WM-Spiel gegen Südafrika tut allen gut. Auch abseits des Rasens.

Grenoble - Auch deutsche Nationalspielerinnen wissen nur zu gut, dass eine Frauen-WM ungeahnte Möglichkeiten bietet. Eine kleine Geste kann große Wirkung entfalten. Kaum jemand der vielen deutschen Fans unter den 15 502 Zuschauern im Stade de la Mosson von Montpellier hatte mitbekommen, mit welcher spontanen Geste Alexandra Popp ihr schulmäßiger Kopfball zum 3:0 beim 4:0 gegen Südafrika feierte. Klar, ihr Jubellauf und Abklatschen mit den Ersatzspielerinnen blieb niemand verborgen, aber dass die Kapitänin kurz den rechten Zeigefinger gen Himmel führte und mit der linken Hand einen imaginären Telefonhörer ans Ohr führte? Konnten nur die Fernsehkameras erspähen.

 

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Was die 99-fache Nationalspielerin genauso gewollt hatte. „Das war ein Zeichen für meine Familie und Freunde – wie E.T. nach Hause telefonieren“, erzählte sie später beim Interviewmarathon. Die 28-Jährige redete noch, als die Pressekonferenz mit der Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg begann. Wäre die deutsche Nummer elf zweimal unter der Haupttribüne links und dann scharf rechts abgebogen, hätte sie sich in die letzte Reihe setzen können, um lobenden Worten zu lauschen.

Erleichterung bei allen

„Poppi ist eine Spielerin, die permanent alles probiert. Sie kämpft natürlich um ihre Tore, sie sieht sich als Stürmerin in der Pflicht und in der Verantwortung, Tore zu erzielen“, erklärte die Trainerin. Auch bei ihr war viel Erleichterung herauszuhören, nachdem ihre Sturmführerin anfangs selbst aus kurzer Entfernung das leere Tor verfehlte.

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Dabei wurden Popp eigens vor dem Spiel die Aktionen gezeigt, „in denen sie entscheidend an unseren Toren beteiligt ist“, wie Voss-Tecklenburg erklärte. Die Cheftrainerin und Chefin – Popp ist erstmals als Spielführerin in eine Turnier gegangen – eint ein ganz enges Vertrauensverhältnis: Die gebürtige Duisburgerin und die Gevelsbergerin funkten schon auf einer Wellenlänge, seitdem Voss-Tecklenburg vor mehr als zehn Jahren Popps erste Profitrainerin beim FCR 2001 Duisburg waren. „Sie ist die beste Trainerin, die ich hatte - und jetzt wieder habe“, sagte sie gerade erst wieder.

Doch die Wertschätzung würde zum Bumerang, wenn die zentrale Stürmerin vorne ohne Wirkung bliebe. Beim VfL Wolfsburg bilden oft Pernille Harder, Caroline Hansen und Ewa Pajor den Angriff, während Popp im defensiven Mittelfeld schuftet. Voss-Tecklenburg möchte die Allrounderin „zu 70 Prozent vorne haben“, obwohl es mit Klara Bühl (SC Freiburg) oder Lea Schüller (SGS Essen) hoffnungsvolle Sturmtalente gibt.

Popp geht voran

Daher bedeutete ihr 47. Länderspieltor ein doppelt wichtiges Zeichen für Trainerin und Torjägerin. „Deshalb ist es toll, dass sie so ein wunderbares Tor gemacht hat. Wir brauchen diese Box-Präsenz und diese Qualität im Kopfball: Das ist eine nur schwer zu verteidigende Waffe“, sagte Voss-Tecklenburg. Unbestritten ist, dass Popp immer in Sachen Einsatzbereitschaft vorangeht. Und vielleicht passt sie gerade deshalb perfekt als Symbolfigur, weil ohne den kollektiven Kampfgeist die fußballerischen Defizite nicht übertüncht werden können. Dieser Verantwortung stellt sich Popp gerne: „Wir sind relativ jung, auch noch ein bisschen unerfahren. Aber es macht unheimlich viel Spaß, mit dieser verrückten Mannschaft zusammenzuspielen.“

Frohnatur Popp, die einst im niedersächsischen Tierpark Essehof eine Ausbildung zur staatlich geprüften Zoo-Tierpflegerin gemacht hat, war so gut gelaunt, dass sie beim Aussteigen aus dem Bus nach der Rückkehr ins Mannschaftshotel Kölner Karnevalslieder trällerte. Die Stimmungskanone dürfte nun im Achtelfinale in Grenoble (Samstag 17.30 Uhr/ ZDF) ihr 100. Länderspiel bestreiten. Und wenn ihr noch ein Treffer gelingen würde, hätte sie sogar in der ewigen DFB-Torschützinnenliste mit Silvia Neid gleichgezogen. Dann sollte unbedingt auch noch mal mit Zuhause telefoniert werden.