Die Fußball-WM in Russland ist schon zum Greifen nah – Fähnchen, Wimpel und Schminke muss man aber noch suchen. Händler beruhigen: Mit dem Anstoß ist auch der Anpfiff zum Fanartikel-Geschäft.

Stuttgart - Wie schmeckt die WM? Tobias Voß weiß es. Sie schmeckt nach scharfer Chilibratwurst, nach Sommersteak und Feuerwurst. Der Filialleiter der Metzgerei Schneider am Rathaus hat kurz vor dem Sportereignis des Jahres die Sonder-Grillpalette parat. „Jedes Jahr suchen wir uns ein Thema aus“, diesmal lautet es Fußball. Einige Kreationen sind neu, anderes wurde kurzerhand umbenannt in Stadionwurst und Halbzeitknacker. „Wir warten nur noch auf den Anpfiff“, sagt Tobias Voß.

 

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Liebesperlen in den Nationalfarben

Und damit ist er nicht allein. Die WM-Stimmung in der Innenstadt ist noch verhalten. Sommermärchen in Fenstern oder Passagen: Fehlanzeige. Einzig die abstrakte Calder-Skulptur vor dem Kunstmuseum erinnert Mitte der Woche entfernt an Schwarz-Rot-Gold. Der Einzelhandel stretcht sich noch. Ein paar Haarspangen hier, etwas Süßes im saisonalen Look dort. Wer fragt, wird in Kaufhäusern und Drogerien zur richtigen Stelle geleitet, um sich mit WM-Deos, -Duschgels oder -Haarkreide einzudecken, von Euphorie kann indes noch keine Rede sein. In den großen Bäckereien an der Königstraße zucken die Verkäufer bei der Frage nach Fußball-Weckle oder Deutschland-Amerikanern mit den Schultern. Immerhin: Donuts mit Liebesperlen in den Nationalfarben bietet der Kiosk in der Schlossplatz-Station an, zudem eine Fanstange für die Anhänger von Käsegebäck.

Von den Sportfachgeschäften abgesehen tun sich noch wenige mit dem großen WM-Aufschlag hervor. Auf dem Siegertreppchen steht aktuell Kaufhof. Der Kunde muss zwar bis ins vierte Obergeschoss fahren, dort aber, in der Sportabteilung, findet er massenhaft Trikots, Fahnen, Tröten und Skurriles wie Fußball-Glückskekse und Fingernagel-Aufkleber. Aktuell lege sich der Fan seine Grundausrüstung zu, erklärt Geschäftsführer Thomas Benedetti. „Und wenn erst die ersten Grillabende sind, dann pusht man sich gegenseitig.“

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Countdown im Einzelhandel

Die Einzelhändler warten also auf die ersten Tore. Sandra Werner, die Filialleiterin in der Buchhandlung Osiander am Marktplatz, weiß: „Die richtige Euphorie beginnt erst, wenn es anfängt.“ Der Einzelhandel inszeniere derweil eine Art Countdown. Der Kunde soll sich nicht schon vor dem Anpfiff sattsehen, „sonst wird es langweilig“.

Eine, die wissen muss, wie man einen Laden zur Fußballzeit in Szene setzt, ist Barbara Klinsmann, die Schwägerin von Kult-Kicker Jürgen. In der Botnanger Bäckerei, die den berühmten Nachnamen trägt, werden kommende Woche die Fahnen aufgehängt, und sobald in Russland gespielt wird, werden WM-Brote, -Muffins und andere -Snacks gebacken. Jetzt sei die Nachfrage noch gering, „das ist nicht wie Weihnachten“.

Kinder wollen sammeln

Auch wenn derzeit viele Waren noch etwas versteckt sind: Der Spielwarenhandel jubelt bereits. Bei Mytoys etwa wartet die stellvertretende Filialleiterin Claudia Krüger auf Nachlieferungen. Unmittelbar am Eingang sind Bälle, Tore, Handtücher, Pappgeschirr und Spielfiguren aufgebaut, dazu gibt’s einen Tischkicker mit „Spielen erwünscht“-Schild zum Warmdribbeln. Mädchen und Buben stünden auf „alles, was mit Sammeln zu tun hat“, erklärt auch Buchhändlerin Sandra Werner, Erwachsene wiederum deckten sich jetzt bereits mit Spielplan-Postern ein, außerdem mit Fachliteratur, um pünktlich zum Public Viewing fachsimpeln zu können.

Rainer Bartle, Geschäftsführer des Buchhauses Wittwer, hat eine andere Beobachtung gemacht. Zwar richtet sein Team dieser Tage ein Fußballschaufenster her, auch der Büchertisch steht bereit, das Geschäft beginnt für ihn aber nach der WM. „Dann kaufen die Leute Ergebnis-, Erlebnis- und Erfahrungsbücher.“ Viele Verlage lieferten bereits in der Woche nach dem Endspiel.