Ankara schickt Tausende Bereitschaftspolizisten zur WM nach Katar, weil das kleine Land zu wenig eigene Sicherheitskräfte hat. Menschenrechtler kritisieren das.

Die Türkei beteiligt sich mit mehr als 3000 Polizisten an der Sicherung der Fußball-Weltmeisterschaft in Katar. Kritiker der WM-Vergabe an das autoritär regierte Emirat bekommen damit neue Argumente. Denn die türkische Polizei ist berüchtigt für ihre brutalen Einsätze. Nur 2,7 Millionen Menschen leben in Katar. Die große Mehrheit der Bewohner des Emirats sind ausländische Arbeitskräfte. Lediglich etwa 13 Prozent der Bevölkerung sind katarische Staatsbürger. Entsprechend knapp ist die Zahl der Polizisten bemessen, wenn im November rund 1,3 Millionen Fans zur WM erwartet werden.

 

Um die Sicherheit in Katar zu gewährleisten, werde es ein „internationales Polizei-Koordinationszentrum“ geben, kündigt Helmut Spahn an, der Sicherheitschef des Weltverbandes Fifa. „Wir haben Polizeidelegationen aus allen 32 Ländern vor Ort, um zu unterstützen und auf die jeweiligen Fangruppierungen kommunikativ einzuwirken“, sagte Spahn der „Frankfurter Rundschau“. Das voraussichtlich größte Kontingent kommt aus der Türkei: Sie schickt 3000 Bereitschaftspolizisten, 100 Polizisten für „Spezialoperationen“, 50 Sprengstoffspezialisten und 80 Hundeführer nach Katar. Eine entsprechende Vereinbarung der beiden Regierungen wurde jetzt im türkischen Regierungsanzeiger veröffentlicht. Beide Länder sind enge Verbündete. Sie verbindet vor allem ihre Unterstützung für radikalislamische Bewegungen wie die Muslimbrüder. Die Türkei unterhält eine große Militärbasis in dem Emirat, Katar ist ein bedeutender Investor in der Türkei.

Die beiden Staatschefs, der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und der katarische Emir al-Thani, sind persönlich eng befreundet. Im vergangenen Dezember unterzeichneten sie in Doha 15 Kooperationsabkommen in den Bereichen Wirtschaft, Kultur, Tourismus und Sicherheit.

Dazu passt die Entsendung der türkischen Polizisten. Sie dürfte aber westlichen Bürgerrechtlern, die der WM wegen der Menschenrechtsverletzungen in Katar und des Umgangs mit Arbeiterinnen und Arbeitern aus anderen Ländern ohnehin kritisch gegenüberstehen, weitere Argumente liefern. Denn die türkische Polizei hat keinen guten Ruf – vor allem nicht seit der blutigen Niederschlagung der Demonstrationen gegen Erdogan im Frühling 2013.

Wasserwerfer, Pfefferspray und Schlagstöcke

Menschenrechtler sehen die brutalen Einsätze während der damaligen Gezi-Proteste als eine entscheidende Wegmarke beim Abbau der demokratischen Rechte in der Türkei. Proteste erstickt die Polizei seither mit Wasserwerfern, Pfefferspray, Tränengas und Schlagstöcken meist schon im Keim. Vergangenes Jahr zerschlug die Polizei an der Istanbuler Bosporus-Universität Proteste von Studierenden und Lehrenden gegen einen von Staatschef Erdogan eingesetzten Rektor. Hunderte Demonstranten wurden festgenommen.

Menschenrechtsorganisationen kritisierten den „unverhältnismäßigen Einsatz von Gewalt und willkürliche Inhaftierungen“. Am 8. März dieses Jahres ging die Polizei ebenfalls in Istanbul mit Tränengas gegen einen friedlichen Marsch zum Weltfrauentag vor. Die Teilnehmerinnen zogen mit dem Sprechchor „Wir schweigen nicht, wir fürchten uns nicht, wir gehorchen nicht“ durch den Stadtteil Cihangir. Am 26. Juni ging die Polizei in Istanbul gegen Teilnehmer einer nicht genehmigten Pride-Parade vor. 373 Menschen wurden festgenommen, unter ihnen auch ein Fotograf der französischen Nachrichtenagentur Agence France-Presse. Seit April 2021 gibt es in der Türkei eine Verordnung, die es verbietet, Polizeieinsätze zu filmen. Vor allem die Antiterrorpolizei TEM steht wegen ihres brutalen Vorgehens und Foltervorwürfen in der Kritik.

Die Kosten für die Stationierung in Katar trägt die dortige Regierung. Die katarischen Behörden haben aber keinerlei Einfluss auf die Einsätze. Befehle sollen die türkischen Beamten in Katar einzig und allein von ihren eigenen Vorgesetzten entgegennehmen, zitiert die Nachrichtenagentur Reuters eine Quelle im türkischen Innenministerium. Das lässt Einsätze befürchten, wie man sie seit den Gezi-Protesten aus der Türkei kennt.

Die Proteste zum GEzi-Park in Istanbul 2013

Widerstand
Der Gezi-Park wurde im Mai 2013 Ausgangspunkt landesweiter Proteste, in denen sich eine allgemeine Unzufriedenheit mit der türkischen Regierung ausdrückte. Anlass waren die Pläne zur Bebauung des Parks, die als fortgesetzte Umweltzerstörung aufgefasst wurde.

Proteste
Die Demonstrationen der Parkschützer fanden starken Zulauf und weiteten sich nach dem Versuch der Niederschlagung durch die Polizei Mai 2013 zu einer landesweiten Protestwelle gegen die Politik der türkischen Regierung aus. Die Grünanlage wurde von der Polizei unter Anwendung von Gewalt geräumt.