Mit Hans Schäfer geht der vorletzte deutsche Fußballer, der das WM-Finale von 1954 erlebt hat. Und maßgeblich beeinflusst damals, denn ohne Pass auf Helmut Rahn: kein 3:2 gegen Ungarn.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

Stuttgart - Von einschlägigen, apologetischen Vereinsliedern abgesehen („Oh, ah, Cantona“/Manchester United), schaffen es Fußballspieler namentlich selten in Popsongs. Auch insofern war Hans Schäfer ein bisschen eine Ausnahme, wie er da auf einmal mittelbar lebendig wurde zwischen „Bäckerei, Weetschaff, Pandhuus un Milchjeschäff“ in einem Lied von Wolfgang Niedecken, das „Nix wie bessher“ heißt und ein paar revolutionäre Endfünfzigerjahremomente auf Kölner Südstadtstraßen einfängt: wie aus der Jukebox plötzlich Elvis Presleys „Love Me Tender“ schallt, wie die heilige Maria (mit spanischem Migrationshintergrund) allen Jungs den Kopf verdreht, und schließlich, wie der Ball immer wieder auf die Einfahrt vom Schuster am Severinstor gedroschen wird, die das Tor der Straßenkicker darstellt: „klein Stan Matthews, klein Pelés, klein Hans Schäfers spillten he“.

 

Im Prinzip möglich, dass der große, in Köln bis zum Schluss oft als Halbheiliger verehrte Hans Schäfer in solchen Momenten sogar einmal vorbeigekommen ist, denn gewissermaßen ums Eck, an der Dürener Straße, hatte er ein paar Jahre lang eine Tankstelle und in der Franzstraße wohnte er mit seiner Frau, ein Mann aus dem Veedel. Es gab ja ziemlich genau zwei Geschäftsmodelle für Fußballweltmeister damals: Sprit verkaufen oder Tabakladen. Oder man machte, wie der erste Ehrenspielführer beim Deutschen Fußball-Bund, Fritz Walter, eine Wäscherei auf.

Pass von Hans Schäfer

Erst in den Neunzigern kamen ein paar Historiker darauf, dass die Bundesrepublik zwar schon 1949 installiert, aber erst 1954 recht eigentlich geboren wurde, und zwar begleitet von einem dreifachen, exaltierten Schrei des Reporters Herbert Zimmermann (im Übrigen ein Onkel des Grünen und früheren RAF-Anwalts Hans-Christian Ströbele): Tor durch Helmut Rahn, 84. Minute im Berner Wankdorfstadion, 3:2 im Finale gegen Ungarn. W-Deutschland, wie es damals hieß, war fast schon Weltmeister, und Hans Schäfer hatte daran mehr Anteil, als man gemeinhin so denkt.

Die „Kirsche“ nämlich war, wie der Essener Helmut Rahn an den Theken des Ruhrgebiets immer wieder berichten musste („Hömma, Helmut, erzähl mich dat Tor!“) von Hans Schäfer gekommen, der den Ball – folgt man der ungarischen und der DDR-Funkreportage des Endspiels, Bilder gibt es nicht – einmal, ein einziges Mal in diesem Spiel dem rechten Läufer Jozsef Bozsik abgeluchst hatte. Auch den Ausgleich zum 2:2 beeinflusste Schäfer maßgeblich mit, indem er, wie er später zugab, den ungarischen Torhüter Gyula Grosics mit dem Ellbogen beim Hochsteigen im Strafraum checkte.

Schnee von vorgestern? Allemal. Andererseits: auch lange, lange Zeit Teil des Mythos‘ der jungen Republik, die ihre „Helden“ von damals verklärend hochhielt, was nun wieder Hans Schäfer mitunter schwer auf die Nerven ging. Schäfer war Flakhelfer im Krieg gewesen, seitdem hatte sich Heldentum für ihn erledigt.

Ein Hang zur Sturheit

Überhaupt war Hans Schäfer, knorriger Linksaußen seit Sülzer und Zollstocker Vorortvereinstagen – anders als Fritz Walter –, kein Mann, der teilsentimental zurückschauen mochte, und eigentlich wurden ja auch die Sechziger noch mehr sein Jahrzehnt: Zwei Meisterschaften (1962 und 1964, im ersten Bundesligajahr) holte er mit dem 1. FC Köln. Ein paar Jahre lief er noch als Co-Trainer mit, was nicht seine Sache war. Wenn er sich ärgerte über eine lasche Einstellung der Nachgeborenen, und das war häufig, bekam Schäfer diesen hochroten Kopf, der ihm den Spitznamen „die Knoll“ eintrug. Zuckerrüben heißen so auf Kölsch. Und stur war er nun mal.

Aus Schäfer wurde ein unauffälliger, doch effizienter Geschäftsmann, der einiges an Praktiken übernahm, was er beim FC-Vorsitzenden Franz Kremer, auf der Managementebene ebenfalls eine Vereinsikone, gelernt hatte. Seinem Club blieb er kritisches Maskottchen bis ins hohe Alter und saß auf der Tribüne bis fast zum Ende. Die Position des letzten lebenden Fußballweltmeisters von 1954 besetzt fortan Horst Eckel, mit dem Schäfer vor über sechs Jahrzehnten in der Schweiz im Spiezer Trainingslager das Zimmer teilte. Der Urkölner Hans Schäfer ist am Dienstag im Alter von 90 Jahren gestorben.