Das EM-Halbfinale der deutschen Fußballinnen am Mittwoch gegen Schweden ist auch das Duell der beiden Trainerinnen Silvia Neid und Pia Sundhage. Beide haben den Frauenfußball in ihren Ländern voran gebracht.

Göteborg - Als Welttrainerinnen durch den Dachverband Fifa geadelt, zählen Silvia Neid (49) und die Schwedin Pia Sundhage (53) inzwischen zu den großen Persönlichkeiten des Frauenfußballs. Doch als die beiden Frontfrauen, die am Mittwoch (20.30 Uhr/ZDF und Eurosport) im EM-Halbfinale in Göteborg mit ihren Teams aufeinander treffen, in den siebziger Jahren erstmals gegen den Ball traten, da fanden das viele noch merkwürdig.

 

Neid musste in Walldürn im Odenwald mit den Jungs spielen. Bei Pia Sundhage war es in Ulricehamn in Westgotland genauso. „Wir waren anders, man fand das seltsam“, erinnert sich Sundhage, die in 146 Länderspielen 71 Tore schoss: „Weibliche Vorbilder gab es nicht. Meine waren Cruyff, Pele und Beckenbauer.“

Beliebter als Zlatan Ibrahimovic

Das Duell am Mittwoch in Göteborg ist ein Aspekt eines Wettstreits, in dem Schwedens Frauen von einem Minderwertigkeitskomplex gegenüber den Deutschen geplagt werden. Mit Sundhage, so glauben viele Schweden, kann dieser Bann gebrochen werden. Also beherrscht die Trainerin in Schweden aktuell die Schlagzeilen, noch mehr als Lotta Schelin, die mit fünf Treffern erfolgreichste EM-Torjägerin. Denn Sundhage erreicht bessere Beliebtheitswerte als der schwedische Superstar Zlatan Ibrahimovic. „Pia hat das Sieger-Gen“ schrieb die Zeitung „Expressen“. Zweimal hat sie das USA-Team zur Olympia-Goldmedaille geführt, die im Frauenfußball höher bewertet wird als ein WM-Titel. „Für mich ist Pia eine Frau, die den Fußball nicht nur lebt, sondern ihn auch liebt“, sagt Neid.

Bei dieser Wikinger-EM mit Schweden, Norwegen und Dänemark, das mit einem Donnerschlag gegen Frankreich überraschend weiterkam, stört Deutschland eigentlich nur. Es steht für ein Trauma des schwedischen Frauenfußballs. Zwei Endspiele wurden gegen die DFB-Frauen verloren, bei der WM 2003 in den USA durch das Golden Goal von Nia Künzer, 2001 bei der EM in Deutschland. Dreimal stoppte das DFB-Team die Schwedinnen bei Olympia (2000, 2004, 2008), 1997 war die deutsche Hürde im EM-Halbfinale zu hoch. Nun soll der Dominanz des DFB mit sieben EM-Titeln endlich ein Ende gesetzt werden.

Große Anerkennung für Neid in Skandinavien

Auch wegen dieser makellosen Bilanz genießt Silvia Neid große Anerkennung in Skandinavien. Denn sie war bei allen sieben Titeln beteiligt, als Spielerin (1989, 1993, 1995), als Co-Trainerin (1997, 2001, 2005) und zuletzt als Cheftrainerin (2009). „Sie leistet großartige Arbeit“, sagt Pia Sundhage und schlug Neid sogar als Nachfolgerin von Joachim Löw bei den DFB-Männern vor, nachdem die deutsche Kollegin 2011 nach dem Viertelfinalaus bei der WM im eigenen Land hart kritisiert wurde.

Während Neid nur den DFB kennt, hat Sundhage als Trainerin in China, Norwegen und den USA gearbeitet. Im August 2012 holte sie Olympiagold in London, im Dezember wurde sie dann schwedische Nationaltrainerin, nachdem sie früher nur Vereine im Land gecoacht hatte. Und plötzlich sind die Schwedinnen besser denn je. Mit 13 EM-Toren haben sie schon mehr als doppelt so viele geschossen wie bei früheren Turnieren. Alles ist also angerichtet für eine Sensation gegen die DFB-Elf, von der die Schweden wissen, dass gute Spielerinnen ausfielen und die jungen noch etwas unerfahren sind.

Die Schweden fiebern dem Spiel gegen Deutschland entgegen

Das Halbfinale in Göteborg ist nun das Heimspiel schlechthin, im Frauen-Nationalstadion, nahe von Sundhages Heimat. Beim bisherigen EM-Sommermärchen saß die Hälfte der Schweden vor dem Fernseher. Nun fiebern die Massen dem Duell der beiden Rekordfrauen entgegen: So hat Silvia Neid 1982 im ersten Frauen-Länderspiel des DFB überhaupt in Koblenz gegen die Schweiz (5:1) ein Tor geschossen. Das war eine Minute nach ihrer Einwechslung als 18-Jährige – 47 weitere Treffer sollten in 111 Länderspielen noch folgen.

Beim Europapokal der Nationalteams zwei Jahre später, den die Uefa nachträglich in eine Europameisterschaft umwandelte, setzte dann die Schwedin Akzente. Beim 4:3 im Finale im Elfmeterschießen in Leeds gegen England schoss Sundhage den entscheidenden Elfmeter. Ein Tor, das während der EM bei jeder TV-Übertragung x-mal gezeigt wird. Auch deswegen ist sie eine Ikone des Frauenfußballs.

„Ich habe es über 100-mal gesehen. Die Situation, in der es um alles oder nichts geht, habe ich damals schon geliebt“, sagt Sundhage und verrät damit viel über ihren Charakter. Die Grand Dame des schwedischen Frauenfußballs gilt als Motivationskünstlerin. „Wir möchten die EM im eigenen Land gewinnen, mit dem zwölften Spieler“, sagte Sundhage und appelliert damit an die Mannschaft – und die Fans. Silvia Neid hat allerdings etwas dagegen.