Fußverkehrs-Check in Esslingen Knackpunkte in der Pliensauvorstadt

Raphael Domin von der Planersocietät begutachtete mit den Teilnehmenden die wichtigsten Wege in der Pliensauvorstadt. Foto: Ines Rudel Foto:  

Welche Verbesserungsmöglichkeiten gibt es für Fußgänger in Esslingen? Der vom Land geförderte Fußverkehrs-Check soll Antworten geben.

Digital Desk: Julia Hawener (jhw)

Esslingen - Parkende Autos, schmale Wege, lange Wartezeiten an Ampeln oder hohe Bordsteine: Zu Fuß gehen gleicht mitunter einem Hindernislauf. Während die Interessen von Auto- und Fahrradfahrern häufig lautstark mit Demonstrationen und Unterschriftensammlungen vertreten werden, stehen Fußgänger ohne Lobby da.

 

Um dem entgegenzuwirken, hat das Landesverkehrsministerium bereits 2015 den Fußverkehrs-Check ins Leben gerufen. Gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern aus der Kommunalpolitik und der Verwaltung nehmen Bürgerinnen und Bürger die Verkehrswege der Fußgänger unter die Lupe, auch in Esslingen. Begleitet wird das Ganze von dem Fachbüro Planersocietät aus Karlsruhe. Vergangene Woche hat sich eine rund 25-köpfige Gruppe bereits die östliche Innenstadt und die Neckarstraße vorgenommen. Auf der Suche nach weiteren Defiziten und Verbesserungsmöglichkeiten gab es am Dienstag einen zweiten Rundgang, und zwar durch die Pliensauvorstadt. An der Pliensaubrücke kam gleich ein großes Problem zur Sprache: der Konflikt zwischen Rad- und Fußverkehr. Die von vielen Fußgängern, aber eben auch Fahrradfahrern genutzte Strecke ist die prominenteste Fußwegverbindung zwischen Innenstadt und Pliensauvorstadt. „Die Fahrräder sind hier teilweise viel zu schnell unterwegs“, kritisierte ein Teilnehmer.

Weg am Brückenkopf zu schmal

Petra Schulz, die Esslinger Kreisvorsitzende des Verkehrsclubs Deutschland (VCD), sieht das Problem jedoch woanders: „Sich gegenseitig Vorwürfe zu machen, hilft niemandem. Man muss eine ganzheitliche Lösung finden, die für beide Verkehrsarten passt.“ Problematisch sei eher der Weg am Brückenkopf: Er verlaufe zwischen zwei Kioskständen und sei schlicht zu schmal. Das sahen auch andere in der Gruppe so. Zudem sei der Weg zur Straßenkreuzung wie ein Nadelöhr, was den Platz zusätzlich verenge. Viel Kritik erntete auch die dichte Hecke kurz vor der Ampelüberquerung: Sie versperre die Sicht auf den Verkehr und erschwere Radlern wie Fußgängern den Weg über die Stuttgarter Straße.

Unterführung „hässlich“ und „heruntergekommen“

Das schwierige Verhältnis zwischen Fahrradfahrern und Fußgängern war auch im weiteren Verlauf Thema: An der Ampel an der Stuttgarter Straße gebe es keine klare Aufteilung. Allgemein sei die ganze Kreuzung wenig einladend und zudem gefährlich: „Ich überlege manchmal wirklich zweimal, ob ich hier über die Straße gehen soll“, sagte eine Teilnehmerin. Es gebe zwar auch eine Unterführung an dieser Stelle, doch diese sei zum einen nicht barrierefrei, und zum anderen „hässlich“ und „heruntergekommen“. Auch die Vertreter der Stadtplanung sind sich dieser Problematik bewusst: „Wir wissen, dass das Verkehrsaufkommen nur noch steigen wird – auch mit Blick auf das Nürk-Areal. Deshalb planen wir bereits einen gesamteinheitlichen Ausbau des Straßenareals, der auch für Fußgänger sicherer ist“, erläuterte Jasdeep Singh, der Leiter der städtischen Verkehrsplanung.

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Weiter ging es die Stuttgarter Straße entlang über die Uhland- und die Breitenstraße. Hier fiel eine unglücklich platzierte Bordsteinsenkung auf. „Da sie nicht auf beiden Seiten an derselben Stelle sind, muss ich beim Überqueren der Straße einen Schlenker fahren“, sagte Judith Bayha. Sie sitzt im Rollstuhl und gehört dem Inklusionsbeirat der Stadt an. Auch die parkenden Autos entlang der Strecke waren vielen in der Gruppe ein Dorn im Auge. „Besonders für Kinder ist das sehr gefährlich“, sagte Sabine Frisch, eine Mitarbeiterin der Stadt. Als mögliche Lösung schlug Petra Schulz Quartiersparkplätze vor. „So müssten die Anwohner zwar ein Stück zu ihren Autos laufen, doch die Wege wären nicht mehr so zugestellt, und die Motivation, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen, wäre höher“, erklärte die VCD-Vorsitzende.

Grünschnitt für mehr Platz auf den Gehwegen

Zu eng, zu schlechte Sicht auf die Straße und einige Falschparker: Das bemängeln die Teilnehmenden auch bei der Überquerung der Karl-Pfaff-Straße. Die Tour führte sie in Richtung des Kulturzentrums in der Dieselstraße. „Die Strecke dorthin ist wirklich nicht schön“, stellte Schulz fest. Die Wege seien zu schmal, und zudem fehle es an Beschilderungen, ergänzte ein Teilnehmer. Auf den letzten Metern des Checks, vom Kreisverkehr aus die Weilstraße entlang bis zur Breitenstraße, gab es aber auch vereinzelt Lob von den Teilnehmenden, unter anderem für die breiteren Wege und Gehwegnasen.

Im Herbst werden die Ergebnisse dem Gemeinderat vorgestellt. „Wir können darauf hinweisen, wo Prioritäten gesetzt werden sollten“, sagt Raphael Domin von der Planersocietät. Konkrete Pläne seien dann Aufgabe der Stadt. Das Zurückschneiden von Büschen entlang der Dieselstraße wäre aber eine günstige Möglichkeit, mehr Platz auf den Fußwegen zu schaffen.

Fußverkehr ins Bewusstsein rücken

Ablauf
Fußverkehrs-Checks sind ein partizipatives Verfahren, bei dem Bürgerinnen und Bürger gemeinsam mit Politikern und Vertretern der Verwaltung die Situation des Fußverkehrs vor Ort bewerten. Ziel der Checks ist es, den Fußverkehr wieder als eigenständige und wichtige Mobilitätsform ins Bewusstsein zu rücken. Nach einem ersten Workshop, bei dem die Routen in Esslingen beschlossen wurden, folgten die Checks. Am 5. Oktober findet ein Abschlussworkshop statt, bevor die wichtigsten Änderungsvorschläge dann dem Gemeinderat vorgestellt werden.

Motto
„Mehr Platz zum Gehen“ lautet das Motto des sechsten Fußverkehrs-Checks des baden-württembergischen Verkehrsministeriums. 62 Städte und Kommunen hatten sich 2020 um die Teilnahme beworben. Aus dem Kreis Esslingen wurde neben Esslingen auch die Stadt Wernau ausgewält. Wegen der Pandemie wurde der Check von 2020 auf 2021 verschoben.  

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