Trotz der Spannungen wegen Syrien wird auf dem G-20-Gifpel in Sankt Petersburg auch über den Zustand der Weltwirtschaft gesprochen. Die Schwellenländer geraten unter Druck. Man will mit Beschlüssen zu Steuern und Haushalt neue Wege weisen.

Stuttgart - Mit Gipfeln, deren Programm sich kurzfristig ändert, haben die Staats- und Regierungschefs Erfahrung. Auf dem G-20-Gipfel in Cannes vor zwei Jahren drohte der damalige griechische Premier Giorgos Papandreou die Veranstaltung zu sprengen. Kurz vor Beginn des Treffens war die Aufregung groß, weil der Premier eine Volksabstimmung zum Sparpaket ankündigte. Nach Aussprachen und einer Nachtsitzung waren die Irritationen beseitigt. Der Gipfel ging zur Tagesordnung über.

 

Wenn am Donnerstag die Staats- und Regierungschefs der 20 größten Industrie- und Entwicklungsländer in Sankt Petersburg eintreffen, könnte der Syrien-Konflikt die Veranstaltung beherrschen. Noch 24 Stunden vor Beginn des Treffens könne die Tagesordnung geändert werden, sagt der deutsche Regierungssprecher. Solche Zusammenkünfte bieten immer auch Chancen für spontane Gespräche und Verhandlungen am Rande. Klar ist, dass Syrien eine Rolle spielen wird. Die Bundesregierung betont aber, dass ökonomische Themen nicht untergehen sollen. Darauf arbeitet auch Russland als Gastgeber hin. Die G-20-Gipfel sind vor fünf Jahren gegründet worden, um die wirtschaftliche Abstimmung zu verbessern.

Vor allem Schwellenländer sind unter Druck geraten

Nach wie vor befindet sich die Weltwirtschaft in einem fragilen Zustand. Es gibt zwar Anzeichen für eine leichte Erholung, dennoch ist ein Aufschwung noch nicht sicher. Vor allem Schwellenländer sind unter Druck geraten, weil Investoren massiv Kapital abziehen, Währungen nachgeben und das Wachstum in aufstrebenden Volkswirtschaften wie Brasilien und Indien schwächelt. Die Schwellenländer geben der ultralockeren Geldpolitik der US-Notenbank die Schuld für Währungsschwankungen. Es wird erwartet, dass sie den Gipfel nutzen, um die Amerikaner an ihre Verantwortung zu erinnern. Aus Sicht der Schwellenländer sollte die US-Geldpolitik Turbulenzen bei den Währungen vermeiden. Mit einer „Sankt Petersburger Erklärung“ will der Gipfel zeigen, wie die Probleme gelöst werden.

Einen Schwerpunkt bildet die Steuerpolitik. Nach den Vorarbeiten der Finanzminister soll in Sankt Petersburg ein Plan verabschiedet werden, um aggressiven Steuerwettbewerb von Konzernen zu verhindern. Die Öffentlichkeit empört insbesondere, dass Konzerne wie beispielsweise Apple und Google für ihre Gewinne im Ausland nur ein bis drei Prozent Steuern zahlen. Am Pranger stehen auch der Versandhändler Amazon, der Möbelriese Ikea und die Kaffeehauskette Starbucks. Deren Steuerpraxis weist eine Gemeinsamkeit auf: Gewinne werden in Niedrigsteuerländer verschoben und Erträge in Ländern mit hohen Steuersätzen kleingerechnet. Diese Praxis will die G 20 unterbinden. Auf ihre Initiative hin wurde die internationale Wirtschaftsorganisation OECD beauftragt, einen Katalog mit 15 Einzelmaßnahmen vorzubereiten. Bis 2015 wollen sich die Industrie- und Schwellenländer auf Instrumente verständigen, mit denen der Steuerabfluss verhindert wird.

Gesprächsstoff dürfte auch die Lage der Weltwirtschaft liefern

Stark im Fokus steht dabei die steuerliche Behandlung der Internetwirtschaft. Digitale Unternehmen sind an vielen Standorten vertreten, ohne dass sie Betriebsstätten in den einzelnen Ländern errichten. Der Fiskus geht dabei häufig leer aus. Diese Missstände sollen behoben werden.

Gesprächsstoff dürfte auch die Lage der Weltwirtschaft liefern. Neben den üblichen Bekenntnissen, das Wachstum zu stärken und Arbeitslosigkeit abzubauen, wollen die Staats- und Regierungschefs vor allem über die Verschuldung reden. Die Bundesregierung setzt sich seit Langem dafür ein, dass sich jedes Land konkrete Ziele zum Abbau der Schulden setzt. Doch diese Selbstverpflichtung scheiterte am Widerstand der Amerikaner. US-Präsident Barack Obama hält nichts von starren Vorgaben in der Haushaltspolitik. Enttäuscht sind die Deutschen, dass die Verabredungen des G-20-Gipfels in Toronto von 2010 kaum eingehalten werden. Damals wurde vereinbart, dass die Industrieländer bis 2013 ihre Defizite halbieren.

Es wird einen „Sankt Petersburger Aktionsplan“ geben

Diese Verpflichtung erfüllen zwar die Europäer, doch die USA, Japan und Großbritannien verfehlten die Ziele. An die Toronto-Abmachung, wonach die Länder bis 2016 mit dem Abbau von Schulden beginnen sollen, fühlt sich kaum noch jemand gebunden. In Sankt Petersburg wird besprochen, wie es weitergeht. Zufrieden zeigt sich Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) darüber, dass alle Staaten einen Plan dazu vorlegen, wie sich ihr gesamter Schuldenstand künftig entwickelt. Mehr als dieser Minimalkonsens dürfte in Sankt Petersburg nicht erreicht werden. Daneben sollen die Länder auch konkrete Reformen benennen, die sie in nächster Zeit planen. Das wird der Kern des „Sankt Petersburger Aktionsplans“ sein. Die Bundesregierung will sich dafür einsetzen, dass die Absichtserklärung als wirkliches Ziel verstanden wird, hieß es in Regierungskreisen.

Einen Akzent legen Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble, die beide am Gipfel teilnehmen werden, auch auf die Finanzmarktregulierung. Der Gipfel berät darüber, wie sogenannte Schattenbanken kontrolliert werden können. Als Schattenbanken gelten Institutionen, die keine Banken sind, aber Kredite vergeben. Zu ihnen zählen etwa Hedgefonds. Da diese Finanzakteure bis jetzt kaum reglementiert werden, gehen von ihnen Gefahren aus. Auf dem Gipfel soll endlich eine strenge Regulierung beschlossen werden.